Nord Stream 2 : Faktencheck von Trumps Rede: Überraschend anders als erwartet

Im Streit mit Deutschland über den Bau der Ostsee-Gasleitung Nord Stream 2 hat die US-Regierung ihre Sanktionsdrohungen gegen beteiligte Unternehmen bekräftigt. Für Firmen, die im Geschäft mit russischen Export-Pipelines tätig seien, gebe es diese Gefahr, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Washington.

Die Pipeline würde nach seinen Worten die Energiesicherheit Europas untergraben und wäre für Russland ein weiteres Werkzeug für "politische Nötigung". "Russland weiß, dass dieses Projekt Europa spaltet und nutzt dies aus."

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Zuvor hat US-Präsident Donald Trump explizit Deutschland auf dem NATO-Gipfel in Brüssel als "Gefangenen" Russlands kritisiert, weil die Bundesrepublik Deutschland einen großen Teil ihres Energiebedarfes über russische Quellen deckt. Durch die Ostsee verläuft bereits die Pipeline Nord Stream, die Erdgas unter Umgehung von Ländern wie der Ukraine oder Polen direkt nach Deutschland bringt. Mit Nord Stream 2 soll die Kapazität verdoppelt werden.

In das neue Projekt haben fünf westliche Firmen Geld investiert: Die BASF-Tochter Wintershall, die E.ON-Abspaltung Uniper, die OMV, der britisch-niederländische Konzern Royal Dutch Shell sowie das französische Unternehmen Engie.

Faktencheck der Brüsseler Brandrede: Anders als erwartet

In seiner Brandrede hat Trump schwere Vorwürfe erhoben - und dabei auch mit zweifelhaften Zahlen argumentiert. Was stimmt davon und was nicht? Hier zwei Aussagen zu den Verteidigungsausgaben und den Wirtschaftsbeziehungen zu Russland auf dem Prüfstand:

AUSSAGE 1:

"Deutschland zahlt nur etwas mehr als ein Prozent (des BIP für Verteidigungsausgaben), während die Vereinigten Staaten in tatsächlichen Zahlen 4,2 Prozent eines viel größeren BIP zahlen."

BEWERTUNG: Großteils richtig

FAKTEN: Die NATO hat kurz vor dem Gipfel aktuelle Vergleichszahlen zu den Verteidigungsausgaben der 29 Mitgliedstaaten veröffentlicht. Demzufolge werden die USA in diesem Jahr 3,5 Prozent ihres BIP für Verteidigung ausgeben. Deutschland steht nach den NATO-Zahlen bei 1,24 Prozent.

Allerdings: Wie Trump auf die 4,2 Prozent kommt, ist unklar. Nach den NATO-Zahlen gaben die USA zuletzt 2012 4,2 Prozent ihres BIP für Verteidigung aus. Deutschland lag da bei 1,31 Prozent.

Fazit: Die Verteidigungsausgaben Deutschlands sind tatsächlich sehr viel geringer und betragen rund ein Drittel jener der USA. Die Zahl von 4,2 Prozent für die USA stimmt nicht. Richtig sind 3,5 Prozent.

AUSSAGE 2:

"Diese Länder müssen einen Zahn zulegen, nicht über einen Zeitraum von zehn Jahren, sie müssen sofort einen Zahn zulegen. Deutschland ist ein reiches Land. Die reden darüber, dass sie sie (die Verteidigungsausgaben) bis 2030 ein winziges Stückchen erhöhen könnten. Sie könnten sie ohne Probleme sofort erhöhen, morgen."

BEWERTUNG: Großteils richtig

FAKTEN: Über 2030 spricht noch keiner in der Debatte um den deutschen Wehretat. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat der NATO bisher lediglich bis 2024 eine Steigerung der Verteidigungsausgaben auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts versprochen.

Allerdings, und da hat Trump im Kern recht, ist dieses Ziel ziemlich illusorisch. Nach der aktuellen Finanzplanung kommt man dem sogenannten Zwei-Prozent-Ziel nämlich in den nächsten Jahren nicht näher, sondern entfernt sich sogar wieder davon. Derzeit liegen die deutschen Verteidigungsausgaben bei 1,24 Prozent des BIP, 2022 nur noch bei 1,23 Prozent.

AUSSAGE 3:

"Deutschland wird vollständig von Russland kontrolliert, weil es 60 bis 70 Prozent seiner Energie aus Russland bezieht."

BEWERTUNG: Bei Energieimporten zu 40 Prozent richtig

FAKTEN: Die von Trump angegebenen Werte sind zu hoch gegriffen, selbst wenn man sie nur auf Erdgas und Öl bezieht. Bei beidem ist Russland zwar der größte Lieferant Deutschlands. Im Jahr 2017 lag der Anteil des deutschen Erdgasimports aus Russland nach Angaben der deutschen Energiewirtschaft aber nur bei rund 40 Prozent, bei Rohöl waren es 37 Prozent. Das Wirtschaftsministerium verweist auf eine "diversifizierte Struktur" bei der Versorgung mit Gas und Öl. Rohöl zum Beispiel werde aus insgesamt 23 Ländern eingeführt.

Die Aussage, dass Deutschland "vollständig" kontrolliert wird, ist deshalb unseriös. Klar ist aber, dass Russland gegenwärtig mit Abstand wichtigster Energielieferant Deutschlands ist und seine Position mit der neuen Gasröhre Nord Stream 2 nochmals stark ausbauen wird.

Allerdings: Wie sich der Anteil Russlands bei den Energielieferungen künftig entwickelt, lässt sich schwer vorhersehen und ist von vielen Faktoren abhängig - etwa vom Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland.

Experten betonen auch, dass Russland umgekehrt Deutschland als Absatzmarkt braucht. Knapp 200 Milliarden Kubikmeter Erdgas lieferte der Monopolist Gazprom 2017 an EU-Staaten, mehr als ein Viertel davon floss nach Konzernangaben nach Deutschland.

(reuters/dpa/apa/red)

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