Personalia : Die möglichen Winterkorn-Nachfolger
Matthias Müller mag's lässig: Während andere Marken-Chefs des VW-Konzerns zur pompösen Präsentation neuer Modelle auf Automessen im Anzug erscheinen, kommt der Porsche-Chef schon mal im Pullover ohne Krawatte zur Show. Das Outfit sollte aber nicht über die Disziplin und Entschlossenheit hinwegtäuschen, mit der 62-Jährige in fast vier Jahrzehnten an verschiedenen Stellen am Erfolg des VW-Konzerns gearbeitet hat. Jetzt gilt Müller als Favorit, die Nachfolge von Martin Winterkorn anzutreten. Der erklärte am Mittwoch seinen Rücktritt und übernahm damit die Verantwortung für die Manipulation von Abgaswerten bei Millionen VW-Fahrzeugen.
Der nahe Chemnitz geborene und in Bayern aufgewachsene Müller bezeichnet sich selbst als Konzernzögling. Seinen Weg bei VW begann er als Lehrling bei Audi in Ingolstadt. Der gelernte Werkzeugmacher setzte ein Informatikstudium drauf und kehrte zu Audi zurück, wo er als Produktmanager unter dem damaligen Audi-Chef Winterkorn den A3 zum Verkaufsschlager machte.
Müllers Karriere ist eng mit Winterkorn verknüpft: Als dieser 2007 VW-Chef wurde, machte er Müller zum Produktstrategen des Konzerns in Wolfsburg. Nur drei Jahre später schickte Firmenpatriarch Ferdinand Piech ihn in heikler Mission als neuen Chef zu Porsche. Die Stuttgarter Sportwagenschmiede - im Besitz der VW-Familienhauptaktionäre Porsche und Piech - war 2009 mit dem Versuch gescheitert, den viel größeren VW-Konzern zu übernehmen. Nach den milliardenschweren, kreditfinanzierten Käufen von VW-Aktien hoch verschuldet, wurde der Autobauer Porsche schließlich von VW übernommen.
Müllers Aufgabe war es, die Integration zu vollziehen. So nutzt Porsche heute zum Beispiel das VW-Baukasten-System in der Produktion. Das Absatzziel von mehr als 200.000 Fahrzeugen im Jahr wird Porsche voraussichtlich in diesem Jahr - drei Jahre früher als ursprünglich angepeilt erzielen. Inzwischen sind die Stuttgarter neben der Premiumtochter Audi die "Cashcow" des VW-Konzerns.
"Müller kann mit allen ganz gut, und er ist ein Stratege", beschreibt ein enger Mitarbeiter den Porsche-Chef, der seit März dem VW-Vorstand angehört. Sein Vorteil ist, dass er Netzwerke und komplizierte Entscheidungswegen in dem riesigen Konzern gut kennt. "Er hat auch den Rückhalt der Familien Porsche und Piech", sagt ein Insider. Über ihre Holding Porsche SE kontrollieren sie 51 Prozent an VW.
Der leidenschaftliche Porsche-Fahrer nimmt kein Blatt vor den Mund. So hatte er sich offen für einen Generationswechsel an der Spitze von Volkswagen nach Winterkorns Amtszeit 2016 ausgesprochen - und sich selbst wegen seines Alters von dann 63 Jahren nicht in dieser Rolle gesehen. In diesem Zusammenhang war ihm rausgerutscht: "Ich bin zu alt für den Job." Den Satz nahm der mit dichtem weißen Haarschopf jungenhaft Wirkende rasch zurück. Wenn Wolfsburg ihn braucht, ist Müller bereit.
VW-Markenchef Herbert Diess ist ein weiterer Kandidat
Herbert Diess gehört zu den Automanagern, für die es eine klare Priorität gibt: Effizienz. Der erst im Juli als VW-Markenchef zu Volkswagen gewechselte frühere BMW-Vorstand hat den Ruf eines knallharten Kostendrückers. Sparprogramme setzt er notfalls gegen den Widerstand von Betriebsräten durch. Zulieferer fürchteten den früheren BMW-Einkaufschef als harten Verhandler.
Mit dem 56-Jährigen könnte es im Zuge des Abgas-Skandals zum Generationswechsel an der Spitze des größten deutschen Konzerns kommen. Da der aus München stammende Österreicher erst vor kurzem von außen in den VW-Vorstand kam, ist er nicht vom Führungsstil des zurückgetretenen Vorstandschefs Martin Winterkorn geprägt und kann für einen konsequenten Neuanfang stehen. Diess wird schon länger als Kronprinz für die Winterkorn-Nachfolge gehandelt. Doch sollte der VW-Quereinsteiger eigentlich im Windschatten Winterkorns bis 2018 Zeit bekommen, um die Netzwerke und komplizierten Strukturen des Konzerns mit zwölf Marken in sieben Ländern zu beherrschen.
Als Meisterstück sollte er die schwächelnde Hauptmarke VW mit einem milliardenschweren Kostensenkungsprogramm aus dem Renditetief ziehen. Den potenziellen Konflikt mit den Betriebsräten, zu dem es durch Eingriffe in Arbeitsprozesse kommen kann, versuchte er, von vornherein zu entschärfen. So lobte er in einem Interview mit der Mitarbeiterzeitung den Vorschlag von Betriebsratschef Bernd Osterloh, die kostentreibend hohe Zahl der Modellvarianten zu verringern. Die einflussreiche Arbeitnehmervertretung nahm Diess denn auch trotz verbreiteter Skepsis in der Belegschaft mit Wohlwollen auf.
Bei BMW war Diess, zuletzt Entwicklungschef, einer der Kandidaten für die Nachfolge von Vorstandschef Norbert Reithofer. Der promovierte Maschinenbau-Ingenieur hatte vor seinem Ausscheiden fast zwei Jahrzehnte bei dem Münchner Premiumbauer gearbeitet - als Einkaufschef, Leiter der Motorradsparte und Werkschef in Großbritannien. Als in München Ende letzten Jahres die Entscheidung fiel, Produktionschef Harald Krüger zum Vorstandsvorsitzenden zu machen, warb Volkswagen Diess ab - und zwar auf Betreiben von Ferdinand Piech. Der zunächst im Machtkampf mit Winterkorn unterlegene Firmenpatriarch, der im April als VW-Aufsichtsratschef hinwarf, könnte mit Diess am Steuer des Konzerns verspätet doch noch Genugtuung bekommen.
Auch Audi-Chef Rupert Stadler wird als Nachfolger gehandelt
Als Kronprinz gilt auch schon lange der 52-jährige Audi-Chef Rupert Stadler. Sein Aufstieg im Konzern begann 1997 als Büroleiter des damaligen VW-Chefs Piech. Bei Audi übernahm er 2003 zunächst das Finanzressort und rückte 2007 an die Spitze der Premiumtochter, die zusammen mit Porsche den Löwenanteil zum Konzerngewinn beiträgt. Unter seiner Führung hat Audi als zweitgrößter Premiumhersteller weltweit aber damit zu kämpfen, vom Platzhirsch BMW in den Schatten gestellt zu werden. Zuletzt wurde Stadler als Nachfolger von VW-Finanzchef Hans Dieter Pötsch gehandelt, der neuer Aufsichtsratschef von VW werden soll. Dass StadlerWinterkorn beerben könnte, bezweifeln Experten allerdings mit dem Hinweis auf die VW-Tradition, wonach ein Ingenieur an der Spitze des Konzerns stehen muss. Stadler ist Betriebswirt. (apa/Reuters)