Versicherungen : Die Digital-Versicherer

Die Werbefigur Paul Pech von der Wiener Städtischen Versicherung kennen viele Österreicher. Paul hat immer Pech – mit seinem Auto oder seiner Wohnung. Was wäre, wenn Paul Pech auch Pech mit seinem Roboter hätte? Pech braucht für seine Produktion Sicherheit, Geld und ein Risikomanagement. Ein Start-up aus Berlin, ein Automobilzulieferer und eine Rückversicherung wollen Herrn Pech zum Glück verhelfen – in seiner Fabrik.

Eine "vernetzte Welt" braucht ungewöhnliche, neue Partnerschaften, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, ist sich Joachim Wenning, CEO von Munich Re aus München, sicher. Bosch und der Rückversicherer wollen ein solcher Partner sein: "Die Erkenntnisse aus den IoT-Daten ermöglichen es der Münchener Rück, gemeinsam mit Technologieunternehmen wie Bosch ihre Rolle für die Kunden zu verlagern – vom Schadenregulierer zum Schadenverhüter und Leistungsgaranten", erklärt Wenning.

Sensorbasierte Schadenprävention

In der Vergangenheit beschränkte sich die Rolle der Versicherer auf den Ersatz von Schäden, wie beispielsweise einer defekten Maschine. "Jetzt ist es möglich, mithilfe von Sensoren Fehlfunktionen vorherzusagen und zu vermeiden. Warum also nicht diesen Gedankengang zu seinem logischen Abschluss entwickeln und dem Kunden eine bestimmte Maschinenleistung garantieren?", fragt der CEO. "Sensoren verändern die Produktion und das Risikomanagement", schwärmt er weiter. Bosch und Munich Re stellen dazu sensorbasierte Schadenpräventionsmaßnahmen und neuartige Finanzinstrumente für den Risikotransfer zur Verfügung – was das heißt? Beide Partner verraten leider noch nichts Konkretes. Aber: Dabei unterstützen eine Schadendatenbank und das Know-how bei der Datenanalyse den ganzheitlichen Risikomanagement-Ansatz. So neu ist das für Versicherer aber gar nicht – Versicherungsmathematik arbeitet seit Jahrzehnten mit Datenmodellen, in der Industrie sind sie jetzt analysierbar.

IoT-Systeme als Geschäftschance

Wenning sieht die Chancen: "In dem Maß, in dem sich die Akteure in der Industrie zunehmend vernetzen, ändern sich auch ihre Bedürfnisse und Risiken. Neue finanzielle Bedürfnisse müssen in einer vernetzten Welt beantwortet werden, in der Kunden nur für das zahlen, was sie nutzen – unabhängig davon, ob es um Geräte, Maschinen oder Autos geht. Sie sind möglicherweise weniger interessiert an der Deckung von Schäden oder einer Risikominderung, sondern suchen eher nach einer Garantie für einen gewissen Output von Maschinen oder Geräten."

Dabei spielt Wenning etwas in die Hand. Die Umrüstung von Produktionsprozessen auf IoT-basierte Technologie ist komplex und manchmal auch kostspielig. Bosch und Munich Re wollen gemeinsam Lösungen entwickeln, die die Investitions- und Betriebsrisiken von Industrieunternehmen deutlich reduzieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Traut sich der Mittelstand mit der Versicherung in die digitalisierte Produktion?

Energieeinsparung versichern

Doch nicht nur die Münchener haben die Industrie neu bzw. anders für sich entdeckt. Auch die Konkurrenz aus Hannover von der Hannover Rück setzt auf neue Geschäftsmodelle – gemeinsam mit dem Partner Klima Protect. Die "Energie Einspar Protect"-Police sichert Investments in die Energieeffizienz ab. Mit dem Produkt können Anbieter von Energieeinsparmaßnahmen ihren Kunden eine Garantie für den Wirkungsgrad ihrer Lösung anbieten. Sollte die Maßnahme nicht die versprochene Einsparung liefern, erhält der Kunde eine Ausgleichszahlung vom Versicherer. Positiver Nebeneffekt für die Anlagenverkäufer: In der Vergangenheit mussten sie für Garantieerklärungen in der Bilanz Rückstellungen bilden. Das entfällt mit der Versicherung und eröffnet den Firmen Investitionsspielräume. Und die Anwendungen? Für Mobilcom haben die Versicherer 10.000 Heizungssteuerungen abgesichert – die Zusage war eine Einsparung von 20 Prozent. Für den regionalen Versorger Elbe Energie sicherten die Norddeutschen ebenfalls Effizienzmaßnahmen ab. Das Versprechen: Die Reduzierung von bis zu 80 Prozent der Netznutzungsentgelte. In der letzten Zeit ist es aber stiller um die neue Police geworden – liegt vielleicht auch an der politischen und medialen Diskussion. Energieeffizienz ist nicht mehr das bestimmende Thema. IoT und Industrie 4.0 sind jetzt die Buzzwords.

Telekom und Munich Re

Daran wollen die Bayern von der Munich Re jetzt mitverdienen. Die Münchener geben Geld aus. Es fließt gerade viel Geld nach Berlin – an Relayr. In den letzten zwei Jahren waren es über 50 Millionen Euro, die in das Startup flossen. Zuletzt gab die Deutsche Telekom an die 30 Millionen Euro aus, die Munich Re war schon in der ersten Finanzierungsrunde dabei. Die Idee von Relayr und seinem Gründer Josef Brunner, ehemals bei Cisco: Durch Installation auf Vor-Ort-, Cloud- oder Hybridsystemen bietet die Relayr-Plattform die Flexibilität, neue und alte Instanzen und Geschäftsmodelle des Industrial Internet of Things (IIoT) in das aktuelle IT-Ökosystem zu integrieren. Die Software soll weitreichende Datenanalysen und ein umfassendes Datenmanagement ermöglichen. Dadurch sollen Unternehmen dabei gestärkt werden, mit Daten, die über jede Konnektivität und innerhalb jedes IT-Ökosystems von jeglichen Geräten gesammelt wurden, neue Lösungen und Einkommensquellen zu finden. Der Fokus des Unternehmens liegt auf dem Mittelstand und der neue Investor Deutsche Telekom soll die Konnektivität sicherstellen.