COVID-19 : Coronavirus: Wie sich Österreichs Industrie für den Aufschwung rüstet

Produktion
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Ein prosperierendes Unternehmen zu führen, ist für Hannes Hämmerle keine ganz neue Erfahrung. Im Ländle ist der Dornbirner 3D-Druck-Fertiger 1zu1 einer der großen Lieferanten der Kunststoffindustrie - und für so manches überragende Geschäftsjahr gut. Doch auch für Hämmerle verschieben sich dieser Tage die Prioritäten. Ein kleiner Teil der Belegschaft verbrachte seine Urlaubstage in der mittlerweile abgeriegelten Arlberg-Region zum Skifahren, wo die Viruserkrankung Corona besonders grob wütet. Das bereitete Sorgen - doch alle Mitarbeiter des Dornbirner Zulieferers seien wohlauf und könnten ab nächster Woche wieder arbeiten, wie Hämmerle sagt. Was wiederum ein wenig Luft für das Tagesgeschäft verschafft.

Dort gibt es nicht nur schlechte Nachrichten. Zwar werden die Dornbirner das Corona-Kurzarbeitsmodell in Anspruch nehmen. Im 3D-Druck, speziell beim Protoyping und im Vakuumguss, seien die Anfragezahlen rückläufig, schildert Hämmerle. Dafür gibt es im Segment Tooling schöne Zuwächse: Alu-Werkzeuge und spritzgegossene Teile bis 100.000 Stück, die sonst aus Asien in Containern nach Europa geschippert werden, "sind gerade jetzt im DACH-Raum gefragt", sagt Hämmerle.

Stabiles Business

Das anziehende Neugeschäft auf ungewohntem Terrain bei Mittelständlern ist dieser Tage nicht das einzige positive, woran sich die Industrie klammert. Deutlich mehr Produktionsbetriebe, als man zunächst zu hoffen wagte, sind offenbar in Geschäftsfeldern unterwegs, die selbst jetzt stabil laufen. Die Robustheit gegenüber der Coronavirus-Ausbreitung sorgt vielerorts für optimistische mittelfristige Planungshorizonte, geordnete Produktionsaufkommen und - psychologisch ein Segen - optimistische Töne, die gehört werden.

Einer, bei dem es eigentlich wie immer läuft, ist der Karton- und Verpackungshersteller Mayr-Melnhof. Die Geschäfte seien derzeit „auf hohem Niveau absolut stabil“ und „die Auftragsbücher voll“, sagte CEO Wilhelm Hörmanseder vergangene Woche. In den Fabriken gebe es keine Unterbrechungen. Es sei normale Grippesaison, aber es keine Auswirkungen der anderen Krankheit seien sichtbar, so Hörmanseder. Aus derzeitiger Sicht werde in den nächsten zwei, drei Wochen alles normal laufen. Auch ausreichend Frachtkapazität sei vorhanden, sagte Hörmanseder.

Fertigung für VW auf Hochtouren

Was laut Hörmannseder der Tatsache geschuldet ist, dass die Automobilkonzerne ihre Kapazitäten zurückfahren müssten - eine Entwicklung, die auch die Zulieferindustrie hart trifft. Doch auch dort gibt es es neben Rückschlägen positive Signale. Beim Laakirchener Kfz-Zulieferer Miba spürt man die Werkschließungen der großen europäischen Autokonzerne in dieser Woche mittlerweile - und auch lieferantenseitig gibt es Engpässe. Aus dem Grund wird für die österreichischen Gesellschaften „Kurzarbeit für den Zeitraum von 1. April bis 30. Juni beantragt“, so ein Sprecher des Unternehmens am Dienstag.

Produziert werde weiterhin „so viel wie möglich“, wo es Bedarf gibt. Speziell in Teilen des Gleitlager-Geschäfts - bei Industrieanwendungen und auch Motoren - sei dieser nach wie vor groß. Auch in der Leistungselektronik und der Medizintechnik, für die die Miba-Tochter EBG Leistungswiderstände für elektrische Systeme wie MRTs, Zentrifugen oder Filtersysteme fertigt.

Beim Transferzentrenhersteller Anger Machining ist der Betrieb seit der Vorwoche beträchtlich eingeschränkt. Projekte in europäischen und amerikanischen Kundenwerken wurden gestoppt, „auch einzelne Projekte in Traun sind betroffen, „weil die Lieferkette unterbrochen ist“, berichtet Dietmar Bahn, Leiter des Business Developments in der Trauner Unternehmenstochter des taiwanesischen Maschinenbaukonzerns Tongtai. Die Kurzarbeit wird auch hier kommen. Doch Aufträge sind nach wie vor im Haus. „Die Fertigung einzelner Maschinen schreite voran, die Serienfertigung von Komponenten für Batteriewannen für den Volkswagen-Konzern sei im Dreischichtbetrieb „weiterhin in vollem Gang“, sagt Bahn.

Weiters liefen im Frühjhr 2021 Elektromobilitätsprogramme von Premiumherstellern zur Serienfertigung an. Die Anlagen dazu würden jetzt bestellt. „Als Anbieter von schlüsselfertigen Lösungen und viel Erfahrung mit Batteriewannen und Profilen sowie Strukturbauteilen sei man hier „gut positioniert“, sagt Bahn - zumindest ein Stück weit Normalität also.

Baldiger Bounce-Back erwartet

Von der der US-amerikanische Arbeitsmarkt schon jetzt meilenwert entfernt ist. Eine brutale Entlassungswelle überrollt das Land. Der Corona-Virus wird hier „tiefe Furchen in die soziale Landschaft ziehen“, sagt der Automobilberater Engelbert Wimmer. Dem gegenüber steht ein Phänomen, auf das auch die krisengeplagte Autoindustrie in den nächsten Monaten hoffen darf. „Es wird einen Bounce-Back-Efffekt bei der Konsumneigung geben“, sagt Wimmer.

In China sei dieser nach dem Coronavirus-Ausbruch heute bereits zu sehen. „Der einkommensstarke Mittelstand dehnt den privaten Konsum auf irrationale und übertriebene Weise aus“, sagt der Geschäftsführer von E & Co. In den USA und in Europa sollte dieser Effekt nach ausgestandener Krise ebenso durchschlagen. Da würden Tesla oder auch ein Premiumhersteller wie Audi mit dem e-tron einen gewaltigen Höhenflug erleben, weil sie schon heute das Lifestyle-Segment bedienen. „Vielleicht schon in ein paar Monaten werden wir unsere Selbstkasteiung über Bord werfen können - und uns etwas Luxus gönnen“, sagt Wimmer.

"Unternehmerische Notwendigkeiten"

Auf die Rückkehr des Nachfragebooms gar nicht erst warten muss Gerald Grohmann. "Sie werden es nicht glauben, wir fahren in fast allen Bereichen mit Vollgas“, sagt der CEO des Ölfeldausrüsters SBO. Nicht, weil man die Situation nicht einschätze, nicht, weil man übermütig sei, „sondern weil es notwendig ist im Geschäftsverlauf“, so Grohmann. Verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln zeigt nicht nur der Boss, am Standort Ternitz schieben Mitarbeiter derzeit Überstunden und fahren Wochenendschichten. Kunden würden auf die Einhaltung der Liefertermine bestehen. Was nicht impliziere, nicht jederzeit „hochgradig bremsbereit“ zu sein. “Wir sind keine Realitätsverweigerer“, sagt Grohmann.

Auch er rechne nach dem Wegfall der Bedrohungsszenarien übrigens mit einem Nachholeffekt, „von dem die gesamte Wirtschaft profitiert“.

Asien-Sourcing läuft an

Längst nicht alle Lieferketten sind zudem unterbrochen. Viele Mittelständler sourcen in der Region. Einer ist der Hersteller von Roboterkomponenten Ferrobotics in Linz. Man sei voll lieferfähig, 90 Prozent der Lieferanten seien im Umkreis von 25 Kilometern angesiedelt. „Die Bestände für die nächsten Wochen sind ausreichend“, sagt Geschäftsführer Ronald Naderer. Auch der Maschinenbauer Fill, der bis Ostern auf Betriebsurlaub geht, sei „bedingt durch die hohe Wertschöpfung im Haus gut aufgestellt“, sagt Geschäftsführer Andreas Fill.

Auch beim Wertpapiermaschinenbauer Koenig & Bauer Mödling habe man beschaffungsseitig wenig Zores. „Der überwiegende Anteil der Schlüsselteile des Spezialmaschinenbaus werde aus Deutschland oder Österreich bezogen“, so Rudolf Vogl, Geschäftsführer des niederösterreichischen Standorts. Und selbst Lieferungen aus China kommen schon wieder in Europa an. Sind beim Feuerwehrausrüster Rosenbauer Lieferanten von Spezialkomponenten und Fahrgestellehersteller mit einem Fragezeichen versehen, habe man „bei Lieferungen aus China in den letzten Tagen keine Einschränkungen erfahren“, sagt CFO Sebastian Wolf. Ein Befund, den andere Firmenchefs teilen.

Solidarität vom Werker bis zum CEO

Bleibt die Geschlossenheit, in der sich Österreichs Industrie in diesen Tagen präsentiert - und manch langjährigen Manager nicht überrascht. „Der Austausch in der Branche ist intensiv“, sagt Dietmar Bahn von Anger Maschinenbau. Auch in den Firmen gebe es beim Thema Arbeitszeitmodelle ein gemeinsames Tauziehen von Mitarbeitern und Eigentümern, hört man in der Industrie.

„Viele unserer Mitarbeiter verbrauchen derzeit ihre Zeitguthaben oder bauen Alt-Urlaube ab, um gegenüber der Firma Solidarität zu zeigen und Arbeitsplätze zu sichern“, sagt Alexander Melkus, Geschäftsführer für Entwicklung und Vertrieb beim Industrieelektronikhersteller Sigmatek. Auch empfindlich längere Arbeitswege infolge der Sperrung eines Grenzübergangs zu Bayern werden von der Belegschaft in Kauf genommen, sagt Melkus. Die Produktion wurde von Zweischicht- auf reduzierten Einschichtbetrieb umgestellt, Kurzarbeit wird beantragt.

Die Sozialpartner leisten „außergewöhnliche Arbeit“, findet auch Roland Haas, Geschäftsführer des Anlagenbauers Framag. Die Kurzarbeit ist im Unternehmen seit Freitag nach dem Einvernehmen zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat beantragt. Ebenfalls kurzarbeiten wird der Metallverarbeiter Stahl Judenburg, dort gilt es, 450 Jobs zu erhalten. „Die Loyalität zum Unternehmen sucht ihresgleichen“, erlebt CEO Thomas Krenn enge Bande in der Belegschaft. Kurzarbeit „zum Schutz aller Arbeitsplätze“ in Erwägung zieht der Batteriehersteller Banner.

Bis vorerst 5. April werde die Produktion ruhend beziehungsweise auf Notbetrieb umgestellt. Auch hier sei, heißt es im Unternehmen, die Solidarität hoch. Jeder im Betrieb weiß um die Bedeutung von Starterbatterien für Blaulicht-Organisationen oder den LKW-Transport von Lebensmitteln.