Reach : Chemie-Verordnung: Holpriger Start

Noch sieben Monate bleiben Susanne Gfatter, dann muss sie die Registrierungsdossiers für 70 Stoffe an die an die EU-Behörde ECHA in Helsinki schicken. “Wir sind fast ausschließlich von der ersten Frist betroffen, weil wir bis auf wenige Ausnahmen hochtonnnagige Stoffe verwenden“, sagt Gfatter, die als leitendes Mitglied im Reach-Team der Borealis-Gruppe tätig ist. Die EU-Verordnung, die aus einem Rechtstext mit 17 Anhängen besteht, sieht vor, dass Hersteller und Importeure ihre chemischen Stoffe registrieren lassen müssen. Wie viel Zeit sie dafür haben, hängt von Menge der produzierten Stoffe und von deren Gefährlichkeit ab. Die erste Frist für Stoffmengen über 1000 Tonnen läuft am ersten Dezember dieses Jahres ab. Die Zeit drängt somit, denn die Reach-Registrierung ist ein aufwendiges Unterfangen. „Große Verwirrung“. Wer einen Stoff bei der europäischen Registrierungsbehörde melden will, muss sich vorher mit den Unternehmen abstimmen, die diesen ebenfalls verwenden. Innerhalb dieser Gruppe wird dann ein federführender Registrant ernannt, der ein Dossier bei der ECHA einreicht. Die anderen Unternehmen sind damit aber noch nicht von ihrer Pflicht entbunden. Sie müssen eigene Mappen anlegen, die Informationen zu Standorten, Volumina und Stoffidentitäten enthalten. Über den Austausch zwischen den Unternehmen aus ganz Europa zu erleichtern, schuf die ECHA ein webbasiertes Informationsportal. So positiv der Gedanke dahinter war, so mangelhaft war die Umsetzung. Denn eigentlich sollten sich in das Portal nur diejenigen Unternehmen eintragen, die die Registrierungen eines Stoffes beabsichtigten. Tatsächlich meldeten sich aber auch zahlreiche Berater und Dienstleister an, weil sie hofften, auf diese Weise an potenzielle Kunden zu kommen. „Das hat am Anfang zu großen Verwirrungen geführt“, erinnert sich die Reach-Expertin Gfatter. „Nur zehn bis zwanzig Prozent der Teilnehmer, so ihre Erfahrung, hatten ernsthafte Registrierungsabsichten. Missverständnisse.Doch auch die Unternehmen selbst trugen zum Unmut bei. Sie trugen alles in das Register ein, was aus ihrer Sicht unter Reach fallen könnte. Das blähte die Datenbank dermaßen auf, dass diese schließlich 150.000 verschiedene Stoffe umfasste. Experten halten höchstens die Hälfte der Stoffe für Reach-fähig. Viele Unternehmen wollten dadurch sicherlich auf Nummer sicher gehen. Möglicherweise haben aber einige auch die Anweisungen auf der Online-Plattform nicht verstehen können. Sie sind nämlich – wie die Reach-Verordnung mit 800 Seiten samt 4000 Seiten Leitlinien – auf Englisch verfasst. „Die Sprachkenntnisse reichen in vielen KMU nicht aus, um alle notwendigen technischen und rechtlichen Erfordernisse aus der Verordnung zu erfüllen“, sagt Marko Susnik, Reach-Referent der Wirtschaftskammer Österreich. Mittlerweile gibt es für eine wichtige Teile bereits Übersetzungen ins Deutsche. Hürden. Ein Großteil der Startschwierigkeiten ist mittlerweile überwunden. Da nur noch sieben Monate bis zur ersten Frist bleiben, sind viele Unternehmen mittlerweile mit Detailfragen befasst. Ein Thema sind etwa die Stoffidentitäten, ob also das österreichische Unternehmen genau den gleichen Stoff verwendet wie der Hersteller in Spanien. Denn nur dann können sie sich auf die gleichen Unterlagen beziehen. Zudem stellt Reach hohe Anforderungen an die Verwendung toxikologischer Studien. Jedes Unternehmen muss eine Bestätigung des Autors vorweisen können, dass es die Ergebnisse tatsächlich verwenden darf. Das ist relativ einfach, wenn das Unternehmen, das die Studie erstellt hat, auch unter Reach fällt. Dann hat es ein Interesse die Ergebnisse zu teilen, weil es nach der Verordnung dafür auch entlohnt werden muss. „Schwerer ist es, Zugang zu Studien zu bekommen, die in Russland, China oder den USA erstellt wurden. Dort gibt es kein Reach, somit kennt sich auch keiner aus“, sagt Gfatter von Borealis. Hausaufgaben.Unternehmen, die sich erfolgreich registriert haben, sind aber noch nicht aus der Pflicht entlassen. Zum einen behält sich die ECHA vor, rund fünf Prozent der eingereichten Dossiers genauer zu prüfen. Zudem kann die Behörde Unternehmen in den nächsten zwei Jahren auffordern, die Studien, die sie in den Dossiers vorgeschlagen haben, auch durchzuführen. Für ein Aufatmen ist es somit noch zu früh. Reach: Welche Stoffe bis wann zu erfassen sind:1. Dezember 2010: Stoffe über 1000 Tonnen sowie krebserregende und sehr stark umweltschädigende Stoffe, die über einer Tonne liegen.1.Juni 2013: Stoffe zwischen 100 und 1000 Tonnen 1. Juni 2018: Stoffe bis 100 Tonnen