Zertifizierung : Baubook: Buch der Bücher

Oswald Kothgaßner hat sich mit der Umweltlobby angelegt – und gewonnen. Doch wie ein Sieger sieht der freundliche, traditionsbewusste Spezialglashersteller trotzdem nicht aus. Es war vor drei Jahren, als sich Kothgaßner vor einer kostspieligen Alternative sah. Entweder er platziert seine Produkte in einem Warenkatalog namens „Baubook“ – oder er verzichtet auf die lukrativen Aufträge seiner Vorarlberger Häuslbauer-Kundschaft. „Nur wessen Produkte im Baubook vertreten waren, konnte mit Landes-Umweltförderung rechnen“, sagt Kothgaßner.Das Argument der Phalanx aus Umweltschützern, Landesregierung und Baubook: Die hier aufgelisteten Produkte entsprächen den hohen Energiesparstandards, denen die Landesförderungen zugrunde liegen. Kunden sollten auf einen Blick alle Produkte vergleichbar präsentiert werden. Die Wohnbauförderung sah eine Einhaltung hoher Energieeffizienz-Richtwerte vor. Das hochoffiziös daherkommende Kompendium ist im besten Fall eine – für die Industrie teure – Informationsbroschüre. Für Kothgaßner war sie existenzbedrohlich. Weil er sich weigerte, seine längst geprüften Produkte zu inserieren, brach sein Umsatz weg – und der Spezialglasproduzent musste eine seiner Firmen, die OK Isolierglas GmbH, schließen. Die Produkte werden jetzt von einem deutschen Hersteller, welcher im Baubook gelistet ist, eingekauft.WiderstandDer Vorarlberger kündigte eine Klage an, woraufhin die Landesregierung das „Vorarlberger Baugesetz“ und das „Landeswohnbauförderungsgesetz“ abänderte. Eine Listung in „Baubook“ war jetzt nicht mehr Voraussetzung für eine Förderung. Doch noch immer bedeutet es einen Wettbewerbsnachteil, nicht im Baubook gelistet zu sein. In der Vorarlberger Industrie regt sich weiterer Widerstand gegen das Projekt Baubook. „Das Baubook ist eine Zwangsbeglückung Vorarlbergs”, sagt Paul Gächter, Hersteller von Holzbaustoffen und Sanierungsmitteln. „Es ist absurd und willkürlich“, empört sich Andreas Mages, Geschäftsführer der MBA Dämmstoff GmbH. Ihm wird die Sache dann doch zu heikel, und er bricht das Gespräch ab. Doch wer hat Interesse an einem so geschickt inszenierten Lobbying?Vereinsbedingte EigendynamikDas Thema Energie ist in Vorarlberg offensichtlich keine Landessache mehr. „Vorgeschoben wird ein gemeinnütziger Verein, das Energieinstitut Vorarlberg“, erklärt Markus Hagen, Präsident der Eigentümervereinigung Vorarlberg. Unter dem Deckmantel „Qualitätssicherung“ hat es sich der Verein zur Aufgabe gemacht, dem Land eine Vorreiterrolle in Sachen Energie zu verleihen. „Das Ganze hat eine Eigendynamik entwickelt, die keiner mehr durchschaut“, so Hagen.Ein Circulus vitiosusWill man heute einen gültigen Energieausweis in Vorarlberg erstellen, so geht das nur über die Energieausweiszentrale, ihreserachtens Teil des Energieinstituts. Die dafür verwendete Berechnungssoftware hat automatisch Schnittstellen zur Produktplattform Baubook. Und da verwundert es keinen mehr, dass das Baubook zu 50 Prozent dem Energieinstitut Vorarlberg gehört. Es ist nicht zwinglich, Produkte daraus zu verwenden, und doch ist es der wesentlich einfachere Weg. „Produktneutral zu arbeiten, wird uns sehr erschwert“, erklärt Daniel Gisinger, berechtigter Energieausweisersteller in Vorarlberg.Lesen Sie weiter: „Der Bock wird zum Gärtner gemacht“
„Die Werte, mit denen die Wohnbauförderung rechnet, haben mit dem Baubook nichts zu tun“, verteidigt Christoph Sutter, Geschäftsführer der Baubook GmbH, seine Plattform. Der Zweck heiligt also die Mittel. Nicht gelistete Produkte müssen entsprechende Prüfungszeugnisse der Abteilung Wohnbauförderung vorlegen, und das bedeutet einen zusätzlichen Aufwand, den kein Bauherr riskieren will, wenn er Gefahr läuft, eine Förderklasse niedriger eingestuft zu werden. Diese Aussage bestätigt Lothar Hinteregger, Abteilungsleiter der Wohnbauförderung: „Das Baubook soll den Verwaltungsaufwand erleichtern.“ „Ob also ein Fenster den U-Wert (Wärmedurchgangskoeffizienten) von X hat, ist Sache der Wohnbauförderung“, so Sutter. Es bilden sich Fronten zwischen Energieausweiserstellern und Herstellern. „Energieberater sollten an den Pranger gestellt werden“, sagt ein Hersteller gegenüber INDUSTRIEMAGAZIN. Dabei handeln diese nur auf Vorgaben des Energieinstituts. „Der Bock wird zum Gärtner gemacht“, so Paul Gächter. Sämtliche Vorgaben des Vereins scheinen wie das Amen im Gebet. „Wir haben in Vorarlberg eine wahre Öko-Religion, die nichts mehr mit Objektivität und einem modernen Rechtsstaat zu tun hat“, so der Präsident der Eigentümervereinigung.Keine reine Vorarlberger SacheDie Strategie, eine für Österreich einheitliche Produktplattform zu gründen, schaffte es auch fast. Bei der Berechnungssoftware für Energieausweise in Niederösterreich und Kärnten gibt es auch Schnittstellen zu Baubook. Der Unterschied dort ist, dass die Energieausweiserstellung nicht über eine vereinsgeführte Zentrale läuft. Der Baubook-freie Weg ist nicht mit Hürden gepflastert. Kärnten verwendet zum Beispiel für die qualitative Beurteilung von Energieausweisen die Plattform „Zeus“. Dort wird aber nur der fertig erstellte Energieausweis hochgeladen, um von der Wohnbauförderung oder der Gemeinde überprüft zu werden. In Vorarlberg wird der letzte Schritt bei der Energieausweiserstellung immer von der Zentrale selbst erledigt. Der Grund: Qualitätssicherung und das Reduzieren des Verwaltungsaufwandes. „Das Energieinstitut führt sich mittlerweile auf wie eine Behörde“, so Hagen. Unterstützung findet der Verein von der Politik. Zu den Befürwörtern zählen sowohl Landesrat Erich Schärzler, Obmann des Energieinstituts, in dessen Abteilung auch die Wohnbauförderung fällt, als auch Adolf Groß, ehemaliger Geschäftsführer der Baubook GmbH und des Energieinstituts und jetziger Energiekoordinator des Landes. Die Opferrolle im Stück Baubook spielen kleine Hersteller und die Endkunden. Es ist eine im Grunde gut gemeinte Zwangsbeglückung Vorarlbergs mit einem Verein dahinter, der für die Rolle der Qualitätssicherung gecastet wurde, aber mittlerweile eine ganz andere Rolle spielt. Und dass Hersteller wie Kothgaßner sich mit ihrem Schicksal abgefunden haben und das Handtuch werfen, verwundert bei diesem Konstrukt niemanden mehr.