Mirko Kovats : A-Tec-Konkurs: Das System des Herrn K.
Mirko Kovats wird auch aus dieser Pleite als Gewinner hervorgehen. Wer dieser Tage die lange Liste von Kurzzeit-Vorständen der A-Tec Industries durchtelefoniert, bekommt diese Einschätzung immer wieder zu hören. Und: Keiner der ehemaligen Führungskräfte ist von der Insolvenz der A-Tec Industries wirklich überrascht. „Er wird pokern und seine Anleihegläubiger letztlich davon überzeugen, dass eine Konkursquote von 30 Prozent immer noch besser ist als der Untergang der AE&E. Er wird das Unternehmen entschulden ohne als Haupteigentümer selbst Kapital zuzuschiessen" sagt ein Ex-Manager. Und es schwingt fast so etwas wie Bewunderung mit. Er hat Mirko Kovats einige Monate hautnah erlebt. Und ist, wie viele seiner Kollegen überzeugt: „Wenn Kovats etwas kann, dann ist es, den besten Deal für sich auszuhandeln.“ Sinnfrage. Bis 20. Januar 2011 hat der 62jährige Selfmademillionär und Zweidritteleigner der A-Tec Industries dazu Zeit. Bis dahin läuft die drittgrösste Insolvenz der heimischen Wirtschaftsgeschichte (Passiva inklusive Haftungen in Höhe von 677 Millionen Euro) als "Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung". Das ist eine Insolvenz ohne wirklichen Aufpasser, bei dem der Konkursverwalter nur im Falle beträchtlicher Vermögensverschiebungen Vetorecht hat. Ein Konstrukt, wie geschaffen für den Mann, der niemanden neben sich duldet. Doch selbst wenn Kovats das Kunststück schafft, eine Entschuldung der Holding über einen Aderlass seiner Anleihegläubiger (sie stellen den Löwenanteil der Gläubiger der Holding) herbeizuführen, selbst wenn die vier Unternehmenstöchter AE&E (Anlagenbau), ATB (Motorenbau), Maschinenbau (EMCO) und Montanwerke Brixlegg (Minerals) unangetastet bleiben und Kovats Chef und CEO bleibt: Das existenzielle Strukturproblem der A-Tec Industries ist damit noch nicht gelöst: Welchen Sinn hat der Zusammenschluss derart unterschiedlicher, voneinander völlig unabhängiger Unternehmen? Verpflichtet. Der Krach war riesig, als sich Walter Durchschlag, Geschäftsführer der Montanwerke Brixlegg Ende 2008 weigerte, die Pläne von Mirko Kovats, eine Kupfermine in Uganda zu kaufen, abzunicken. Klar, die Mine war preiswert. Der Kupfergehalt – im Vergleich zu europäischen Standards – enorm. Doch die Logistik aus dem Bürgerkriegsland war völlig undarstellbar. Und Brixlegg – ein Kupferrecyclingbetrieb – hatte ein völlig anderes Geschäftmodell. Zudem wusste der gestandene Metallurg, wie solche Akquisitionen ablaufen: Der Investor Kovats identifiziert ein Schnäppchen und kauft. An schmerzhafte Restrukturierungsschritte ist – aufgrund zahlreicher Verpflichtungserklärungen gegenüber lokalen Politikern, Banken und Gewerkschaften – zumindest in den ersten Jahren nicht zu denken. Und Investitionskapital ist von der mit notorischen Liquiditätsproblemen kämpfenden Holding nicht zu bekommen. „Selbst innerhalb der Divisionen sammeln sich so Unternehmen an, die miteinander keinerlei Sinn ergeben“ sagt ein ehemaliger Holdingmitarbeiter. „Und die vier Divisionen ergeben ebenfalls keinerlei Synergien“ . Eine Einschätzung, die sich seit wenigen Tagen auch in der Bilanz der A-Tec Holding niederschlägt: Laut den Gläubigerschützern vom AKV wurden die Werte der Anteile an verbundenen Unternehmen, die zu Jahresbeginn noch 684 Millionen Euro betragen haben zum Insolvenzbeginn am 20. Oktober nur noch mit 119 Millionen Euro taxiert. „Diese Differenz wird zu erklären sein“ sagt ein Gläubigerschützer. Wofür? Eigentlich, so das vernichtende Urteil von ehemaligen Mitarbeitern und Analysten, die die Aktie des Unternehmens (26 Prozent der Anteile sind im Streubesitz) bewerten, wären alle vier Divisionen ohne das Holdingkonstrukt A-Tec besser dran. Glaubt man ehemaligen Divisionsführungskräften, so wurden in den letzten Jahren die Gewinne der Tochterunternehmen fast völlig abgeschöpft – und zur Rückführung von Holdingschulden für Firmenkäufe verwendet. Die Abflüsse hätten etwa der Motorbausparte ATB die Möglichkeit geraubt, in Innovationen zu investieren. Gleiches gilt für den Maschinenbau – und die Töchter EMCO sowie den deutschen Großmaschinenbauer Dörries Scharmann Technologie GmbH. Ein ehemaliger Mitarbeiter im Motorenbau: „Die Holding sorgt weder für Struktur, noch für Liquidität. Niemand weiß, weshalb es sie überhaupt gibt.“ Liquiditätsfalle. Der Auslöser für die Insolvenz ist dann auch unter diesem Licht zu sehen: Die AE&E tappte in die Liquiditätsfalle, weil sie ohnehin knapp finanziert war. Denn im Kraftwerksbau ist aufgrund der langen Projektlaufzeiten erst jetzt das Konjunkturtal der Wirtschaftskrise erreicht. Die traditionell hohen Anzahlungen vor Projektbeginn, bislang Fixbestandteil der Finanzierung fehlten in den vergangenen Monaten schmerzlich. Mehr noch: Als die Anzahl der Projekte zu sinken begann, erhöhte sich auch der Kapitalbedarf für die laufende Produktion – der bereits vor Jahren überwiesen worden war. „Da braucht es gar keine dramatischen Kostenüberschreitungen wie jene bei einem Kraftwerksprojekt in Australien, das offiziell als Grund für die Gewinnwarnung der A-Tec Industries herhalten musste“ sagt ein ehemaliger A-Tec Manager. Zumal das Projekt, nach Angaben aus Australien, bereits zu 90 Prozent abbezahlt war. „Ein anderes Spielzeug“. Gläubigerschützer bringen derweil verschiedene Sanierungsvarianten auf den Tisch: Von einer Überprüfung der Unternehmenswerte – und einem Verkauf einzelner Sparten zur Befriedigung der Gläubiger bis hin zu einem Kapitalschnitt, bei dem Anleihebesitzer Anteile statt Geld erhalten würden reicht die Palette der Vorschläge. Die meisten ehemaligen Mitarbeiter Kovats’ glauben nicht daran. Ein ehemaliger Vorstand: „Ich gehe davon aus, dass er einen Plan hat, die Tochterunternehmen zu behalten ohne die in seiner Stiftung geparkten Gelder angreifen zu müssen. Aber ich glaube auch, dass er in diesem Prozess das letzte Vertrauen der Banken verspielen wird. Dann wird er verkaufen. Und sich ein neues Spielzeug suchen." Autor: Rudolf Loidl