Konjunktur : Österreichs Konjunktur: Abkühlung auf hohem Niveau

Österreichs Wirtschaftswachstum wird sich 2019 auf zwei Prozent oder knapp darunter abbremsen - und im Jahr 2020 dann nochmals leicht nachgeben. "Es ziehen Wolken auf, aber keine schwarzen", meinte Wifo-Chef Christoph Badelt dazu. Man sei "keinesfalls in der Mausefalle", allenfalls auf der Terrasse unterm Hausberg, spielte IHS-Leiter Martin Kocher auf die Kitzbüheler Streif an.

"Nicht in der Mausefalle, sondern auf der Terrasse unter dem Hausberg"

Die heimische Konjunktur kühlt sich auf hohem Niveau ab, erklärten die Experten vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Sie erwarten für 2019 eine Abschwächung des realen BIP-Wachstums von heuer 2,7 auf 2,0 Prozent und dann 1,8 Prozent im Jahr 2020. Das Institut für Höhere Studien (IHS) sieht eine Dämpfung vor allem durch die schwächere Weltwirtschaft und mehrere Unsicherheitsfaktoren und geht von 1,7 und 1,6 Prozent Wachstum für 2019/20 aus.

Stellenangebote und Beschäftigung würden weiter zügig expandieren, das Wifo sieht die Arbeitslosenquote nach heimischer Berechnung von heuer 7,7 auf danach 7,3 und 7,2 Prozent sinken. Beim IHS erwartet man ein Verharren bei 7 1/2 Prozent. Das Wifo rechnet für 2019/20 mit noch je rund 300.000 Arbeitslosen im Jahresschnitt, nach heuer gut 312.000. Der Sockel an Arbeitslosen sei vor der Wirtschaftskrise niedriger gewesen, "das ist ein großes ökonomisches und soziales Problem", betonte der Wifo-Chef.

"Qualifizierung" sei das Wichtigste, betonte Badelt vor Journalisten, daher sollte die aktive Arbeitsmarktpolitik ausgebaut werden. Es kämen zu viele reine Pflichtschulabsolventen auf den Arbeitsmarkt, das sei auch eine Aufgabe für die Bildungspolitik: "Das beginnt schon im Vorschulalter." Kocher ortet bei den Fachkräften ein "strukturelles Problem", das sich 2022/23/24 verschärfen werde, wenn die Babyboomer-Generation in Pension geht. Österreich sollte deshalb "etwas Ähnliches auf den Weg bringen" wie soeben Deutschland mit dem Zuwanderungsgesetz, meinte der IHS-Chef.

Stabile Fundamente

In Österreich steht die Konjunktur laut Wifo derzeit auf fester Basis. Die Nachfrage übertrifft in immer mehr Bereichen die Produktionskapazität, sodass ein Nachfrageausfall auf bestimmten Märkten durch die Nachfrage auf anderen Märkten ausgeglichen werden kann, so das Wifo. Getragen wird die aktuelle Hochkonjunktur von der Industrie, aber auch vom Bausektor und den Dienstleistungen. In der Industrie habe die Wirtschaftsdynamik 2018 ihren Höhepunkt erreicht. Die Investitionstätigkeit habe heuer an Dynamik verloren. Es sorge aber die äußerst geringe Importnachfrage für ein wertschöpfungsintensives Wachstum. Die Auslandsnachfrage wiederum stütze die Produktion im Inland.

Die Einkommen der Privathaushalte und ihre Konsumnachfrage werden laut Wifo durch "solide Lohnerhöhungen" und eine Verringerung der Abgabenbelastung gestärkt werden. Der Anstieg der Löhne und Gehälter werde sich 2019 neuerlich beschleunigen - da die heurigen KV-Herbstabschlüsse etwas über den Erwartungen von Anfang Oktober gelegen seien: "Nach Abzug von Steuern und Inflation ergeben sich Zugewinne pro Kopf und Arbeitsstunde", hält das Institut fest.

Kalte Progression drückt auf die Nettolöhne

2019 und 2020 werde die Abgabenbelastung durch den neuen Familienbonus gedämpft, 2019 zudem durch die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Das Nettoreallohnplus daher 2019 am höchsten sein. 2020 seien dann geringere KV-Abschlüsse zu erwarten, zugleich dämpfe die kalte Progression dann wieder zunehmend die Nettolohnentwicklung.

Für die 5-Mrd.-Euro-Steuerreform-Entlastung muss die Regierung den nötigen Budgetspielraum erst schaffen, erklärten die Leiter von Wifo und IHS. 1,5 Mrd. Euro könnten aus den Budgetüberschüssen kommen, in ebenso hohem Volumen sei der Familienbonus schon eingerechnet, doch 2 Mrd. Euro würden noch fehlen.

"Da hat die Regierung noch eine große Herausforderung vor sich", meinte Badelt. Die vom Wifo für 2019 erwarteten 0,4 Prozent des BIP an Budgetüberschuss sind 1,5 Mrd. Euro. Die fehlenden 2 Mrd. Euro müssten "noch gefunden werden", durch Einsparungen oder Gegenfinanzierungen.

Auch Kocher hält den Budgetüberschuss nicht für völlig ausreichend, um eine große Steuerreform zu finanzieren - vor allem wo sein Institut für 2019 von nur 0,2 Prozent Maastricht-Überschuss ausgeht und erst für 2020 von 0,4 Prozent. Er meinte, man könne zur Finanzierung "sogar kurz ins Defizit gehen", um "ein paar Zehntel Prozentpunkte" des BIP. Dann käme man schon nahe an 3 1/2 bis 4 Mrd. Euro - eine gute Konjunktur vorausgesetzt. "Daher muss auch strukturell etwas getan werden." Auch Vereinfachungen seien nötig, etwa durch Abschaffung von Bagatellsteuern. Als "Priorität Eins" für die Steuerreform bezeichnete der IHS-Chef eine Entlastung des Faktors Arbeit, als "Priorität Zwei" Unternehmenssteuern; auch da gebe es Argumente für eine Entlastung, vielleicht aber nicht so gewichtige wie zum Faktor Arbeit, so Kocher.

Unseren wichtigsten Außenhandelspartner Deutschland sehen die Institute weiter - noch - etwas schwächer wachsen als Österreich, wenngleich sich der Vorsprung Österreichs 2019 verkleinert und 2020 ganz verschwinden dürfte. Bei Deutschland, wo wie im dritten auch im vierten Quartal ein Abschwung möglich sei, müsse abgewartet werden, ob diese Schwäche nur temporär sei so Kocher. Denn eine anhaltende Schwäche des Nachbarn "könnte auch einmal auf Österreich durchschlagen".

Die Zahlen für die Eurozone

Für die Eurozone rechnet das Wifo für 2019/20 mit 1,7 und 1,8 Prozent Realwachstum, das IHS mit 1,7 und 1,6 Prozent. Die EU-28 soll demzufolge laut Wifo um je 1,8 Prozent zulegen (die EU-27, ohne Großbritannien, um je 1,9 Prozent), beim IHS erwartet man 1,7 und 1,6 Prozent Expansion für die EU-28. In Sachen "Staatsverschuldungstragfähigkeit" macht sich Kocher außer zu Italien auch zu Frankreich Sorgen, denn das Land nähere sich einer Schuldenquote von 100 Prozent und schaffe es nicht, den Anstieg zu reduzieren - "das könnte mittelfristig zu einem Risiko werden", so der IHS-Chef. In den USA dürfte sich das Wachstum 2019 auf 2 1/2 Prozent abschwächen, 2020 dann auf unter 2 Prozent, da gehen beide Institute ziemlich konform.

Wesentlicher Prognose-Unsicherheitsfaktor ist der Brexit, insbesondere wenn es zu einem ungeregelten Austritt des Königreichs aus der EU käme. Das IHS sieht in den wirtschaftlichen Folgen, die vom Brexit ausgehen könnten, sogar "weiterhin das größte Konjunkturrisiko für Europa" - insbesondere weil die Möglichkeiten der Europäischen Zentralbank (EZB) derzeit gering seien, einem Konjunkturabschwung entgegenzusteuern. Und das Wifo hält das Thema Brexit für Österreich für bedeutsamer im Vergleich etwa zum Handelskonflikt zwischen den USA und China. (apa/red)