Digital Natives : Millennials: Wie Sie Digital Natives finden, beflügeln und binden

Millennials
© Monika Saulich

Sie sind ein schwer fassbares, aber ziemlich oft beschriebenes Phänomen: Millennials, zwischen 1980 und 1995 geboren, die Jüngeren gerade am Jobeinstieg, die Älteren bereits in ersten Führungspositionen angelangt. Ein ganz anderes Verhältnis zur Arbeit sollen sie haben, sagen Soziologen – und auch jene Führungskräfte, die Tag für Tag mit ihnen zu tun haben. Work-Life-Balance sei ihnen heilig; Karriere nur, solange sie in ihrem Job wirklichen Sinn erkennen. Und sie sind, ganz anders als ihre Vorgänger-Generation, von ihrem persönlichen Wert am Arbeitsmarkt absolut überzeugt. An einem Ort hält es sie nicht lange, sobald ein besseres Jobangebot kommt, ziehen sie bar jeder Loyalität weiter.

Für Harald Katzmair, Sozialwissenschaftler und Netzwerkanalytiker, ist die Wahrnehmung der Jahrtausendergeneration als eine homogene Gruppe jedoch eine Verkennung der Tatsachen. Denn in Wirklichkeit können sich nur die wenigsten Vertreter der Generation Y leisten, bei der Jobsuche besonders wählerisch zu sein. „Weder die 30-jährige Billa-Verkäuferin noch der gleichaltrige Bauarbeiter können das“, sagt Katzmair. Jene Menschen, von denen wir sprechen, wenn wir das Aufkommen einer völlig neuen Einstellung zur Arbeit konstatieren, seien streng genommen bloß eine relativ kleine Gruppe von High Potentials aus den Bereichen IT, der Technik und des Managements: „Das sind in ganz Österreich vielleicht ein paar zehntausend Menschen.“ Nachsatz: „Es sind allerdings auch exakt die Leute, um die sich die Unternehmen wirklich raufen.“

FOMO: Angst, was zu verpassen?

Warum es schwer ist, Millennials auf Dauer zu halten

Die Jagd nach diesen paar zehntausend High Potentials ist nicht immer von dauerhaftem Erfolg gekrönt. Denn so schnell die Nachfolger der Generation X bei einem Unternehmen anheuern, so schnell sind sie auch wieder weg. Bernhard Niesner, Londoner Start-up-Star aus Wien (er wurde 2018 zum britischen „Entrepreneur des Jahres“ gewählt) und Gründer der Sprachlernplattform busuu, weiß das aus eigener, durchaus leidvoller Erfahrung. Die unstete Grundhaltung seiner Generation sieht Niesner, Geburtsjahrgang 1981, also selbst noch knapp ein Millennial, vor allem als eine Reaktion auf die Krise des Jahres 2008.

Viele hätten damals die Erfahrung gemacht, wie schnell man einen vermeintlich sicheren Job los sein kann: „Die Reaktion darauf war zu sagen: Gut, wenn das so ist, dann sehe ich meine Jobs auch nur noch als Zwischenstopps und fühle mich nicht zu Loyalität verpflichtet, sondern gehe, sobald ich ein besseres Angebot bekomme.“

Die Bereitschaft, einem Unternehmen recht schnell den Rücken zu kehren, sobald man nicht mehr zufrieden ist, kennt auch Georg Horacek. Sie sei längst nicht mehr auf die besonders gefragten Entwickler, Techniker oder Software-Spezialisten beschränkt, erzählt der Personalchef beim oberösterreichischen Flugzeugindustrie-Zulieferer FACC: „Auch Lehrlinge sind zunehmend wechselwillig. Heute ist es für viele junge Leute kein besonders erstrebenswertes Ziel, in ein Unternehmen einzusteigen und dort bis zur Pension zu bleiben.“ Bei FACC versucht man, mit der Situation offen umzugehen. „Wir machen die Tür niemals endgültig zu. Wenn jemand die FACC verlässt, bei dem es uns leid tut, dass er geht, sagen wir immer: Wenn du nach ein oder zwei Jahren draufkommst, dass der neue Job doch nicht so gut ist, kannst du jederzeit wiederkommen.“ Viele tun das auch.

Die Geburtenjahrgänge 1980-1999 neigen, so die landläufige Meinung, auch deshalb zu häufigen Wechseln, weil sie in einer Welt aufgewachsen sind, in der die Angst, eine noch bessere Option zu versäumen, allgegenwärtig ist. So war das Kürzel FOMO („Fear of missing out“ – die Angst, etwas zu verpassen) schon 2014 auf der Liste der Kandidaten für das Jugendwort des Jahres. „Da spielt schon ein wenig diese Tinder-Welt mit hinein“, sagt Harald Katzmair, „die Zwanzig- bis Fünfunddreißigjährigen suggeriert, dass der noch bessere Job vielleicht nur eine Wischbewegung am Smartphone entfernt ist.“

Andreas Perotti, bei FACC für die gesamte Konzernkommunikation verantwortlich, ist selber Teil der Jahrtausendergeneration. Dass seine Altersgenossen scheinbar unsteter sind als ihre Mütter und Väter, erklärt er sich auch damit, dass sie eine andere Haltung zu Besitz – und damit zu Status hätten: „Wir sind in einer Welt aufgewachsen, in der man Dinge, die man braucht, nicht zwingend besitzen muss. Musikstreaming hat die CD-Sammlung abgelöst, Car-Sharing das eigene Auto. Das verändert das Denken.“

Fluchtgrund: Hierarchie?

Warum Millennials Autoritätskonflikte oft mit Kündigung beantworten

Das vielleicht stärkste gemeinsame Merkmal der Generation Y ist der veränderte Umgang mit Hierarchien. Andreas Ludwig, CEO der Umdasch Group, kennt diese Zuschreibung. „Die Generation der Zwanzig- bis Fünfunddreißigjährigen hat tatsächlich ein hohes Selbstbewusstsein und den Glauben, dass alles möglich ist. Das mag irritieren. Aber eigentlich nur jene, die bequem führen wollen.“ Martin Stöckl von Infineon begegnet das veränderte Mindset ebenfalls: „Hierarchien werden von den Zwanzig- bis Mittdreißigjährigen sehr konstruktiv in Frage gestellt.“ Wenn es um Fachfragen geht, erklärt er, wollen Junge heute auch Hierarchiestufen überspringen dürfen und mit ihrer Meinung gehört werden.

Um eine grundsätzliche Auflösung von Hierarche-Strukturen geht es der Generation Y indessen nicht. Was sie aber wirklich vehement ablehnen, sind Blockaden im Unternehmen, die dazu führen, dass gute Ideen unverwirklicht bleiben, sagt busuu-Chef Niesner: „Frühere Generationen haben eher versucht, in solchen Situationen diplomatisch zu agieren, eventuell den Vorgesetzten des Chefs zu überzeugen. Die Millennials sagen tendenziell: Dazu ist mir meine Zeit zu schade. Ich suche mir einen anderen Job.“

Die große Herausforderung für Führungskräfte, die mit Millennials zusammenarbeiten, bleibt daher eine Haltung, die man am besten als permanenten Rollenwechsel bezeichnen kann. Die Vorgesetzten müssen erkennen, bei welchen Prozessen sie ihre Mitarbeiter als in jeder Hinsicht gleichberechtigte Experten behandeln müssen und wann sie die klassische Vorgesetzten-Position einnehmen sollen und klar den Weg vorgeben. „Das auseinanderzuhalten und dann auch zu leben ist heute wohl die größte Herausforderung für Führungskräfte“, kommentiert Harald Katzmair von FASresearch die Situation. „Denn sowohl Autoritarismus als auch Anarchie sind in einem Unternehmen dysfunktional.“

In diesem Umfeld wird die Führungskraft immer mehr zum Coach, der im Dialog mit Mitarbeitern Ziele entwickelt, anstatt sie von oben vorzugeben. „Wir versuchen die Leute an das Lenkrad ihrer Karriere zu setzen. Denn genau das wollen junge Talente: Sie wollen für ihr Fortkommen etwas tun können“, sagt Martin Stöckl von Infineon. Und er fügt hinzu: „Wenn die Karriere zu hundert Prozent vom Vorgesetzten abhängig ist, ist das für sie unbefriedigend.“

Kulturbruch: Einmal führen, dann mitarbeiten?

Was an den Karrierevorstellungen der Millennials anders ist. Und warum das eine Chance für Unternehmen sein kann.

Wobei das mit den traditionellen Karrierevorstellungen auch so eine Sache ist. Viele Millennials, berichten jedenfalls Personalmanager, seien auf ihren beruflichen Aufstieg gar nicht besonders fokussiert. Was eine gewisse innere Logik hat: Wer Hierarchien kritisch gegenübersteht, muss auch nicht unbedingt an deren Spitze stehen.

Daraus eine generelle Abneigung gegenüber Verantwortung zu konstruieren, wäre allerdings auch nicht gerecht, sagt Stöckl: „Was junge Führungskräfte heute wirklich weniger interessiert, ist der Statusfaktor, der sich daraus ergibt, dass man so und so viele Mitarbeiter unter sich hat.“ Ganz grundsätzlich denken Millennials auch hier eher projektorientiert. „In ihrer Welt ist es völlig normal, dass man einmal ein Team führt und dann wieder bei einem anderen Projekt dabei ist, wo man diese Führungsrolle nicht hat.“

Solch eine interhierarchische Agilität schafft allerdings auch eine kaum vermeidbare Bruchstelle: Den Punkt, an dem eine in agilen Gruppen entwickelte Idee auch umgesetzt werden muss. An dieser Stelle wechseln viele Unternehmen gern zu eher klassischen Organisationsformen zurück. Zwar findet Masmovil-Chef Meinrad Spenger: „Neue agile Arbeitsweisen sind in allen Branchen und Funktionen möglich“. Er fügt aber auch hinzu: „Allerdings benötigt ihre Umsetzung manchmal mutige Entscheidungen.“

Und es brauche neben allem Mut auch Vermittler, die eine Klammer zwischen den beiden Welten schaffen, eine klassische Führungsaufgabe, wie FASresearch-Chef Katzmair anmerkt: „In der Entwicklung ist Kreativität gefragt, in der Produktion und im Vertrieb Skalierbarkeit. Diese Welten kann man verbinden, indem man möglichst viel in crossfunktionalen Teams arbeitet. Sehr wichtig ist aber auch eine starke gemeinsame Story. Und diese Story muss die Führung erzählen.“

Viel Erfahrung damit, die Welt der Kreativität mit jener der Skalierbarkeit zu verbinden, hat Georg Kopetz, der CEO der Wiener TTTech, die Sicherheitssteuerungen für die Automobil- und die Luftfahrtindustrie entwickelt. Einst ein typisches Start-up ist TTTech heute ein Unternehmen, das weltweit rund 1.700 Leute beschäftigt. „Unsere Organisation besteht aus vielen Exzellenzinseln, die über Projekte, Produkte und Marktbearbeitungsstrategien miteinander verbunden sind. Wie diese Verbindungen sind, ändert sich ständig. Das ist wirklich fast wie ein autonomes neuronales Netzwerk zu sehen“, erzählt Kopetz. Ein Scharnier zwischen der schnellen und relativ lose strukturierten Welt der Entwicklung und der etwas langsameren Welt des Vertriebs brauche es aber dennoch. Das sei bei TTTech sehr oft der Produktmanager. Am Ende, sagt Kopetz, gehörten die beiden Welten aber untrennbar zusammen.

Eine Sichtweise, der auch Umdasch-CEO Andreas Ludwig zustimmt: „Agiles Arbeiten und Denken funktioniert nicht nur in Nestern wie Google, sondern auch in einem traditionellen Industrieunternehmen. Wir müssen das allerdings stärker kommunizieren. Wir müssen mehr Überzeugungsarbeit leisten und zeigen: Auch bei uns ist es cool, auch bei uns ist es sinnstiftend.“

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was unseren zehn Millennials wichtig ist und wie sie "ticken".

Zehn Millennials, zehn Persönlichkeiten - und doch viele Gemeinsamkeiten: Wir haben die durchaus selbstbewussten Vertreter der Geburtsjahrgänge 1980 bis 1999 in Szene gesetzt und sie gefragt, was für sie wichtig ist.

Lilo

Alter: 29

Geburtsort: Wien

Perfekte Work-Life-Balance bedeutet für mich ...

... arbeiten zu können, wann, wo und wie viel ich will.

Lukas

Alter: 30

Geburtsort: Linz

Eine gute Chefin/ein guter Chef ist jemand, der...

... Menschen mag und sich auch persönlich freut, wenn anderen etwas Großes gelingt.

Jana

Alter: 25

Geburtsort: Korneuburg

Ein Leben ohne Arbeit wäre ...

... wahrscheinlich sehr angenehm. Aber woran würde ich dann wachsen?

Ricarda

Alter: 24

Geburtsort: Wien

Eine gute Chefin/ein guter Chef ist jemand, der ...

... mich auf Augenhöhe anspricht und mich ich selbst sein lässt.

Jakub

Alter: 30

Geburtsort: Malacky, Slowakei

Ich würde meinen derzeitigen Job sofort kündigen, wenn...

... sich mir die Gelegenheit böte, mit einem anderen Projekt tatsächlich die Welt zu verändern.

Drilon

Alter: 24

Geburtsort: Wien

Eine gute Chefin/ein guter Chef ist jemand ...

... von dem man lernen kann und der seinen Kollegen Flügel wachsen lässt.

Edeltraut

Alter: 33

Geburtsort: Melk

Work-Life-Balance bedeutet für mich ...

... dass ich in meiner Freizeit den Kopf frei habe, auch wenn mich meine berufliche Aufgabe fordert.

Stefanie

Alter: 25

Geburtsort: Wien

Karriere ist mir wichtig, weil ...

... ich als Frau selbständig durchs Leben gehen, meine Zukunft selbst gestalten und auf absolut niemanden angewiesen sein möchte.

Katharina

Alter: 28

Geburtsort: Wien

Ein guter Job bedeutet für mich ...

... Prozesse mitentwickeln zu können, auch wenn ich nicht die Verantwortung für das große Ganze trage.

Simon

Alter: 29

Geburtsort: Hall/Tirol

Sinnvolle Arbeit bedeutet für mich ...

... täglich das Gefühl zu haben, Mehrwert zu schaffen und den Fortschritt im großen Ganzen mitverfolgen zu können.