Studie : Margenlecks im Vertrieb

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© olly - Fotolia

Viel besser hätte es für die Paschinger im Vorjahr nicht laufen können. Zweistellige Wachstumsraten, ein Jahresumsatz von rund 200 Millionen Euro – beim Biegemaschinenbauer Trumpf Maschinen Austria lief 2013 alles wie am Schnürchen. Und trotzdem hat sich das Geschäft der Oberösterreicher die letzten Jahre über grundlegend verändert. Als Folge der Überkapazitäten im Markt schmolzen in der Wirtschaftskrise 2008 vielen Maschinenbauern und Metallverarbeitern die Margen wie Kerzen in der Sonne weg.

Eine Entwicklung, die bis heute nachwirkt – wirklich entspannt hat sich die Margensituation bei vielen Betrieben nämlich nicht. „Wir verspüren nach wie vor immensen Margendruck“, gibt Gerhard Karner, Vertriebsleiter bei Trumpf Maschinen Austria, zu Protokoll. Grundsätzlich arbeite man sehr preissensibel, würde Maschinen „nicht um jeden Preis verschleudern, sondern versuchen, Kunden das optimale Produkt zu einem guten Preis zu verkaufen“, sagt Karner.

Seine Erfahrung der letzten Monate aber lehrt: Man müsse heute mehr Maschinen zu geringeren Margen absetzen – was aber, so Karner, durchaus gut funktionieren kann. Für die Vertriebsstrategie, sich nur die Rosinen, also die Topangebote mit schöner Marge, herauszupicken, sieht er hingegen schwarz: „Davon wird man langfristig nicht leben können.“

Margendruck hoch

Überkapazitäten am Markt, ruinöse Preiskämpfe: Die aktuelle Situation im Maschinenbau und der Metallverarbeitung bietet Anlass zur Sorge. Über 80 Prozent der von der Unternehmensberatung in ihrer aktuellen Studie befragten heimischen Betriebe geben an, unter einer angespannten Margensituation zu leiden. Fast jeder zweite Betrieb geht von einer anhaltend unveränderten Situation aus, rund ein Viertel befürchtet sogar, dass die Margen weiter sinken.

Das ist starker Tobak – für Matthias Lentsch, Senior Consultant bei Simon-Kucher & Partners, kommt der Befund aber nicht wirklich überraschend. „Wir haben in Vertriebsaudits immer wieder mit Unternehmen zu tun, die wissen oder vermuten, Marge zu verlieren“, schildert Lentsch. Wo aber genau die Margenlecks liegen, ist bei vielen Unternehmen häufig ungewiss. In der aktuellen Studie „Margenlecks im Vertrieb“ identifizierte Simon-Kucher & Partners die wichtigsten Margenlecks. Wo die heimische Maschinen- und Metallwarenindustrie Geld liegen lässt – und durch welche Maßnahmen sie gegensteuern kann.

Die gute Nachricht vorweg: Die Autoren der Studie konnten eindeutig nachweisen, dass Unternehmen sehr konsistent unterschiedliche Kriterien zur Marktsegmentierung verwenden – also im Vertrieb durchaus nach Region, Kunde und Produkt segmentieren.

Allerdings hapert es deutlich bei der Qualität dieser Maßnahmen – denn knapp 40 Prozent der befragten Betriebe arbeiten ohne fundierte Marktsegmentierung und verbauen sich so die Möglichkeit einer effizienten Margendifferenzierung. Nicht immer ist solch ein Handeln vorsätzlich. Oft ist es durch historisch gewachsene, neu zusammengefasste Strukturen, Abteilungen oder Produktgruppen begründbar. Alarmierend auch die Ergebnisse bei der Kundensegmentierung.

Rund ein Drittel der Betriebe nimmt es hier nicht so genau – die Bedeutung der Größe oder der strategischen Wichtigkeit des Kunden wird vielfach unterschätzt. Oder aber der gegenteilige Fall tritt ein – nämlich dann, wenn Vertriebsmitarbeiter jeden Kunden als „Spezialfall“ betrachten und sich als „Anwalt des Kunden“ positionieren. Eine gewisse Bandbreite bei den Rabatten sei zwar „wichtig, um die Flexibilität zu gewährleisten“, kommentiert Matthias Lentsch von Simon-Kucher & Partners. Zugleich dürfe aber die Steuerungsfunktion „nicht leichtfertig aus der Hand gegeben werden“.

Dass die Vertriebsleitung die Aktivitäten in der Marktbearbeitung in diesem Kontext deutlich positiver wahrnimmt als andere Mitarbeiter des Vertriebs, ist eine handfeste Überraschung. Ein Befund, der sich nicht nur bei der Markt- und Kundensegmentierung nachweisen lässt, sondern „auch bei der Frage der Ressourcenverteilung“, sagt Lentsch.

Gehen erfolgreiche Unternehmen margenorientiert oder umsatzorientiert vor? Und was wollen Betriebe in einzelnen Märkten wirklich erreichen? Oft erhält man hierzu selbst von langjährigen Mitarbeitern Schulterzucken.

„In vielen Betrieben sind die Preisstrategien unklar formuliert“, beobachtet Thomas Haller, der Leiter des Wiener Büros von Simon-Kucher & Partners. Häufig gebe es keine klare Strategie – „oder überhaupt keine Strategie“, konstatiert er. Zudem erfolge die Vertriebssteuerung oftmals nicht nach ausreichend klar definierten Kennzahlen.

Die Studienautoren fragten so etwa nach den Top-3-Kennzahlen im Unternehmen. Das Ergebnis: Nach dem Umsatz, der am deutlich wichtigsten angesehenen Unternehmenskennzahl, wird die Marge zwar auch von vielen berücksichtigt. „Ihr fällt in vielen Betrieben aber eine deutlich geringere Bedeutung zu als sie eigentlich sollte“, mahnt Haller. Zudem falle auf, dass der Vertrieb mit Hinblick auf die wesentlichen Kennzahlen „nicht immer optimal stimuliert“ werde.

Der Biegemaschinenbauer Trumpf Maschinen Austria geht offenbar mit gutem Beispiel voran: „Wir kommunizieren alle Zahlen – egal ob Umsatz oder Marge“, sagt Vertriebsleiter Gerhard Karner.

So sehr auf Herstellerseite Gewissheit darüber vorherrscht, verstanden zu werden: Häufig kommt beim Kunden ein falsches Bild vom Unternehmen und dessen Produkt an. Ist der Hersteller Preisführer oder Qualitätsführer? Und worin bestehen die Tugenden seiner Erzeugnisse? Das zu kommunizieren – beziehungsweise das Bild zu schärfen – ist unweigerlich Aufgabe des Vertriebs.

„Natürlich ist das Thema auch beim Marketing angesiedelt. Aber der Direktvertrieb kann erfahrungsgemäß deutlich mehr Einfluss nehmen“, weiß Matthias Lentsch, Senior Consultant bei Simon-Kucher & Partners. Das Ergebnis der Studie: Bei vielen Betrieben gibt es hinsichtlich der Positionierung der Marke oder des Produkts Handlungsbedarf.

Vertriebsmitarbeiter würden gezielte Schulungsangebote vermissen. Manch einer fühlt sich „allein gelassen“, andere Vertriebsmitarbeiter würden „seit Jahren nur mehr intuitiv und nach Erfahrung handeln“. Ein Problem, dem sich das auf die Herstellung emaillierter Warmwasserbereiter spezialisierte Unternehmen Austria Email stellte. „Es ist Aufgabe des Unternehmens, dem Vertrieb all das zur Verfügung zu stellen, was er braucht“, sagt Vorstand Martin Hagleitner. Dabei denkt er nicht nur etwa an einwandfreie Verkaufsunterlagen, sondern auch an Hilfestellung durch die Vertriebsspitze, wenn es einmal nicht so gut läuft. Das könnte etwa ein Einfall sein, wie der Kunde durch zusätzliche Cross-Selling-Aktivitäten „doch noch abzuholen“ sei, sagt Hagleitner.

Ein elementares Problem: Der Schulungsbedarf wird von der Vertriebsleitung „häufig nicht in vollem Ausmaß erkannt“, sagt Matthias Lentsch. Und auch hier zeigt sich ein massives Kommunikationsproblem. Die eigenen Wettbewerbsvorteile seien häufig im Vertrieb nicht ausreichend bekannt. Dieses Problem werde jedoch seitens der Vertriebsleitung weniger stark wahrgenommen „als von den Verkäufern selbst“, so der Studienleiter.

Wie systematisch erfolgt die Preissetzung heimischer Maschinenbauer und metallverarbeitender Betriebe? Leben die Betriebe stringent Pricing-Strategien und setzen sie auf Analysetools? Oder wird hier improvisiert? „80 Prozent der Unternehmen gehen schon nach einer klar definierten Systematik vor“, gibt Thomas Haller, der Leiter des Wiener Büros von Simon-Kucher & Partners, Entwarnung.

Ein Standardkniff: Bei wenig verkauften Produkten wird versucht, die Marge anzuheben. Doch dann trennt sich rasch die Spreu vom Weizen. Von einer qualitativen Produktbewertung in einem heterogenen Produktportfolio etwa sind viele Betriebe weit entfernt, schlussfolgert Haller.

Auf den ersten Blick mag das unproblematisch sein. Es gibt viele, die setzen Preise nach Erfahrung, „und das mag nicht grundfalsch sein“, sagt der Experte. Für neu ins Unternehmen eingetretene Mitarbeiter – aber auch jene mit einer schwächeren Verkaufsperformance – sei es in dem Szenario aber sehr schwer, „gute Preise und Margen zu erzielen“, meint Haller.

70 Prozent der Mitarbeiter im Vertrieb differenzieren ihre Margen zudem nach Produkten, knapp über 60 Prozent nach Kunden und nur rund 40 Prozent nach Aufträgen – auch bei der Auftragsdifferenzierung – Stichwort Express- oder Großlieferungen – lassen Unternehmen also ordentlich Marge liegen.

Weniger dafür im internationalen Geschäft: Eine „unsystematische internationale Preissetzung“ attestieren die Studienautoren der Branche nämlich nicht. „Die Unternehmen beider Branchen sind hier sehr gut aufgestellt, die globalen Preise werden zentral koordiniert“, gibt es Lob vonseiten Simon-Kucher & Partners.

Eine hohe Mitarbeiterfluktuation ist einer der Gründe, warum die Preistransparenz auch im Maschinenbau und der metallverarbeitenden Industrie recht hoch ist. Zumindest bei Standardmaschinen hat das wohl ausnahmslos Gültigkeit.

Aber mit dem Wissen um die Preise des jeweils anderen ist es noch nicht getan: Knapp 80 Prozent aller Befragten befinden sich laut Studie in einem Preiskrieg. Auffällig: Preisschlachten werden scheinbar immer vom Mitbewerber begonnen. Denn auf die Frage, wer den Preiskrieg ausgelöst habe, antworteten 98 Prozent mit „die anderen“.

Bei seiner globalen Pricing-Studie kam der Unternehmensberater auf ganz ähnliche Ergebnisse. Wer den Preiskampf begonnen hat, sei „letztlich irrelevant“, will Matthias Lentsch, Senior Consultant bei Simon-Kucher & Partners, keine Schuldigen suchen. Trotzdem ist er überzeugt: Aus Margensicht müssten Betriebe versuchen, „solchen Entwicklungen entgegenzuhalten“.

Margenlecks stopfen

Bleibt die Frage, wie schnell Unternehmen ihre Margenlecks stopfen können. „Die Entwicklung einer neuen wertorientierten Preis- und Rabattlogik oder eines neuen Marktbearbeitungsansatzes braucht natürlich eine gewisse Zeit“, sagt Matthias Lentsch. „Man muss permanent an den Schrauben drehen“, meint ein Vertriebsleiter eines heimischen Maschinenbauers. Einzelne Punkte wie etwa neue Rabattgrenzen oder durchgängige Vertriebsschulungen könnten Unternehmen „sofort umsetzen“, meint auch Lentsch. Auch wenn Letztere im Maschinenbau sicher „etwas komplexer“ seien als anderswo.