Logistik : Long way to Platooning

Es ist einfach kompliziert. Während anderswo, zuletzt in Deutschland, die ersten selbstfahrenden Lkw in teilautomatisierter Kolonne – kurz: Platooning – seit April ihre Runden ziehen, steckt man in Österreich immer noch in der Planungsphase fest. Die für Herbst dieses Jahres angekündigten ersten Testfahrten wurden auf 2019 verschoben. Erschwerend kommt hinzu, dass es das Land seit Anfang 2014, also in den letzten vier Jahren, auf sage und schreibe fünf Verkehrsminister gebracht hat, in deren Kompetenzbereich autonomes Fahren fällt: nämlich Doris Bures, Alois Stöger, Gerald Klug, Jörg Leichtfried und Norbert Hofer, derzeit amtierend. Letzterer wird dem Vernehmen nach „in den nächsten Wochen“ ein entsprechendes Konzept vorlegen, in dem dann auch die ersten Straßentests für Frühjahr/Sommer 2019 in Aussicht gestellt werden sollen.

Warum dauert das hierzulande so lang? „Wir gehen in Österreich den systematischeren Weg“, sagt Martin Russ, Geschäftsführer von Austria Tech, der Schnittstelle zwischen Verkehrsministerium und bestehenden Forschungsprojekten zum Thema. Allein die Tatsache, dass es bereits seit geraumer Zeit – als spätester Zeitpunkt gilt der Jänner 2015, als Audi sein erstes seriennahes autonomes Fahrzeug mehrere Hundert Kilometer durch die Wüste von Nevada dirigierte – selbstfahrende Fahrzeuge gibt, die sämtliche technischen Voraussetzungen erfüllen, reiche nicht aus, um sie auch gleich auf die Straße zu lassen, sagt Russ. Es müssten vielmehr auch infrastrukturelle und rechtliche Voraussetzungen einer umfassenden Überprüfung unterzogen werden. Baustellen gibt es genug.

Problemfeld Nummer eins: Kurze Autobahnabfahrten

In keinem anderen europäischen Land gibt es, in Relation zur Größe, dermaßen viele Autobahn-Zu- und -Abfahrten. Entsprechend kurz sind auch die Strecken dazwischen. Für einen Konvoi, bestehend aus mehreren Lkw, bedeutet das, dass sich der Platoon vor diesen potenziellen Gefahrenbereichen auflösen muss, die Fahrzeuge also einzeln diese Abschnitte passieren müssen. Die ursprüngliche Idee des Platoonings – im ersten Lkw sitzt ein Fahrer, der zusätzlich zur Elektronik das Geschehen und die nachfolgenden fahrerlosen Lkw kontrolliert – wird damit auf eine harte Probe gestellt. Auf diesen Teilstücken würden dann also tatsächlich autonome Fahrzeuge, noch dazu mit schwerer Fracht, ohne menschliche Endkontrolle auf der Autobahn unterwegs sein. Ein Albtraum für jeden, der dafür die politische Verantwortung trägt.

Es gibt dazu allerdings auch eine alternative Diskussion, nämlich die linke Fahrspur zur Lkw-Spur zu erklären. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang auch, diese Spur mit Oberleitungen auszustatten, an die sich sogenannte Oberleitungs-Hybrid-Lkw einklinken und so kraftstoffsparend und weitgehend emissionsfrei ihre Fracht bewegen könnten. Das Problem mit den „Abbiegern“ hätte sich damit jedenfalls erledigt, ungeklärt ist jedoch, wie eine derartige Maßnahme von der autofahrenden Bevölkerung aufgenommen werden würde. Schließlich kann man seit kurzer Zeit auf Österreichs Autobahnen bis zu 140 km/h fahren, die linke Spur bietet sich geradezu dafür an. Diese nunmehr für den ungeliebten Güterverkehr zu opfern, ist eine jener unpopulären Herausforderungen, denen sich ein Verkehrsminister erst einmal stellen muss. Ebenfalls diskutiert wird in diesem Zusammenhang eine Aufweichung bzw. Aufhebung des Nachfahrverbots. Geringes Verkehrsaufkommen würde zumindest etappenweise ein lückenloseres Platooning ermöglichen. Popularität: Null.

Problemfeld Nummer zwei: Einröhrige Tunnel

Österreich hat weit über 140 Straßentunnel – teilweise sogar immer noch einröhrig mit Gegenverkehr, der überwiegende Teil davon befindet sich entlang von Autobahn- und Schnellstraßenverbindungen. Was geschieht, wenn ein Truck innerhalb des Konvois aufgrund technscher Gebrechen plötzlich unvermutet im Tunnel zum Stehen kommt? Wie schnell bekommt man den von der Straße? Wie löst man das Fahrzeug aus dem Platoon? Diese Frage würde derzeit, so Russ, intensiv mit der österreichischen Infrastrukturgesellschaft Asfinag diskutiert werden. In den Gesprächen geht es vor allem um eine Bestandsaufnahme jener Tunnel, die überhaupt für Platooning von Relevanz sind, bzw. welche Präventivmaßnahmen sinnvollerweise ergriffen werden können, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Erschwerend kommt hinzu, dass die exponierten Teilbereiche zu einem Großteil die nationale Wertschöpfung nur peripher tangieren. So etwa am Brenner, wo lediglich fünf Prozent des Verkehrsaufkommens auf österreichische Frächter und Spediteure zurückzuführen ist. In diesem Kontext zusätzlich notwendige bauliche Maßnahmen, die aus Steuergeldern finanziert werden, argumentativ zu vertreten, stellt eine weitere Challenge für Österreichs traditionellerweise Kurzzeit-Verkehrsminister dar.

Problemfeld Nummer drei: Die Brücken

Die gute Nachricht lautet: Verglichen mit unserem deutschen Nachbarn stehen wir diesbezüglich besser da. Die schlechte Nachricht lautet: Das wird nicht reichen. „Was geschieht, wenn da mitten auf einer Brücke weit über 80 Tonnen Gesamtgewicht, und von diesen Größenordnungen gehen wir bei Platooning aus, eine Vollbremsung hinlegen müssen? Was, wenn sich da gleichzeitig noch zig andere Verkehrsteilnehmer auf der Brücke befinden?“, skizziert Russ die Problematik. Nicht zuletzt das verheerende Unglück in Genua, wo durch den Einsturz der Morandi-Brücke 42 Menschen ums Leben gekommen sind, dokumentiert anschaulich, dass auch diese Bauwerke ein Ablaufdatum haben. Brückenneubauten sind derzeit eher die Ausnahme als die Regel, Brückensanierungen werden, wenn überhaupt, nur zögerlich in Angriff genommen. Eher ist es so, dass Tonnenbeschränkungen nach unten reglementiert werden würden, ist aus Branchenkreisen zu hören. Für Russ ist entscheidend, dass man sich „bei jeder einzelnen Brücke die Frage stellen muss, ob die dem gestiegenen Verkehrsaufkommen gewachsen ist“. Auch hier fänden konstruktive Gespräche mit der Asfinag statt. Der Arbeit der Asfinag streute zuletzt Brückenbauer Hermann Thal in einem Interview mit den Oberösterreichischen Nachrichten Rosen: „Die Asfinag leistet bei der Kontrolle (der Brücken, Anm. d. Red.) hervorragende Arbeit, alle zwei Jahre werden etwa die Tragwerke auf Risse und die Lager überprüft, alle fünf Jahre gibt es Kontrollen mit Vermessung und alles wird penibel protokolliert. Früher gab es schlechtere Brücken.“ Problem: Diese schlechteren Brücken sind teilweise immer noch da. Fraglich ist auch, ob Reparaturarbeiten, wie sie derzeit etwa im Bereich der Tiroler Europabrücke (neuer Belag für die zweite Fahrspur, Kostenpunkt 2,7 Millionen Euro) erfolgen, tatsächlich ausreichen, um den gegenwärtigen Transitansprüchen gerecht zu werden. Nicht zuletzt ließ selbst die Asfinag in puncto Europabrücke zuletzt durchklingen, dass Österreichs höchste Brückenkonstruktion demnächst besser einem Neubau weichen sollte.

Problemfeld Nummer vier: Die Rechtslage

Immerhin: In dieser Frage steht Österreich nicht allein auf weiter Flur, auch andere Länder, in denen autonomes Fahren ganz oben auf der Agenda steht, sind in diesem Punkt noch nicht wirklich weitergekommen. Neben ethischen Fragen, die ebenfalls in diesen Bereich hereinspielen, geht es primär um staubtrockene Materien wie Haftungsrecht (der Fahrer haftet bereits jetzt schon für Schäden, die durch fehlerhafte Assistenzsysteme zustanden gekommen sind) und Datenschutz (autonome Fahrzeuge kommunizieren mit anderen Fahrzeugen und der Infrastruktur, und generieren bzw. sammeln dabei Daten (Stichwort: Big Data). Aber auch an der aktuellen Straßenverkehrsordnung führt kein Weg vorbei. „Derzeit beträgt der Abstand, den zwei Fahrzeuge voneinander halten sollen, mindestens 50 Meter. Bei Platooning reden wir von maximal zehn bis 15 Metern“, sagt Russ. Rechtliche Rahmenbedingungen würden derzeit sämtliche Versuche, die längst schon vorhandenen technischen Möglichkeiten in Bezug auf autonomes Fahren entsprechend umzusetzen, untergraben, ja sogar aktiv verhindern. Einmal mehr stelle sich in diesem Kontext die Frage nach der Bereitschaft, politische Verantwortung für derlei Innovationen zu übernehmen.

Forschung in Österreich

Darauf warten auch die Forscher jener zwei Projekte in Österreich, in deren Fokus autonomes Fahren steht: Das bereits im März des Vorjahres gestartete Projekt „DigiTrans“ und das Anfang 2018 neu dazugekommene „Connecting Austria“. Die millionenschweren Projekte – DigiTrans rund 7,5 Millionen Euro, Connecting Austria rund 4,3 Millionen Euro Forschungsbudget – haben ihren Ursprung in der bereits 2016 veröffentlichten C-ITS- Strategie Österreichs. Verknappt formuliert ist darunter eine kooperative Vernetzung intelligenter Verkehrssysteme zu verstehen, erste konkrete Ergebnisse sind frühestens 2020 zu erwarten. Bei ITS, „Intelligent Transportation Systems“, geht es im Wesentlichen um Verkehrstelematik, also dem Erfassen, Übermitteln, Verarbeiten und Nutzen verkehrsbezogener Daten. Deklariertes Ziel ist „die Organisation, Information und Lenkung von Verkehrsflüssen mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien“ wie etwa 5G, weshalb in der Causa auch die Mobilfunkbranche als wesentlicher Teamplayer gilt. Geschaffen werden sollen demnach IT-Standards, die in weiterer Folge entlang von Verkehrskorridoren innerhalb der Europäischen Union eine entsprechend auf- und ausbaufähige Infrastruktur bereitstellen.