ÖIAG : Lenzing-Vorstand Thomas Winkler neuer OMV-Chef?

Er ist das Phantom der Wirtschaftsmedien: Wenn in der heimischen Telekom- oder Energiebranche ein Top-Job zu besetzen ist, fällt der Name Thomas Winkler. Er wurde als Nachfolger des verabschiedeten TA-Finanzvorstandes Hans Tschuden ebenso ins Spiel gebracht wie derzeit als Finanzchef der OMV. Dazwischen gab es noch Gerüchte, er würde im Verbund-Vorstand auftauchen.

Wenn jetzt über die Nachfolge von ÖIAG-General Rudolf Kemler ab Herbst 2015 spekuliert wird, zünden wieder die Nebelkerzen rund um den 51-jährigen gebürtigen Salzburger. Hauptgründe für das mediale Rätselraten: Thomas Winkler, bis Ende des Vorjahres Finanzvorstand der Lenzing, sitzt seit Sommer 2012 im Aufsichtsrat der ÖIAG. Aktuell ist er zweiter Stellvertreter des Vorsitzenden Siegfried Wolf. Direkte Kommentare und Zitate von Winkler zu seinen Jobaussichten: Null. Thomas Winkler redet nicht mit Journalisten. Auch wenn sie ihm auf die Zehen steigen.

Einst in den Redaktionen zu Hause

Jeder Wirtschaftsjournalist kennt Thomas Winkler. Winkler war in der ersten Hälfte der neunziger Jahre Assistent und Pressesprecher von Alexander Maculan. Er agierte dort als durchaus sympathischer, strebsamer Yuppie, der ganz passabel Schifahren konnte. Die Maculan Holding war börsenotiert und zweitgrößter Baukonzern Österreichs.

10.000 Mitarbeiter standen insgesamt auf der Payroll, als der Konzern 1995 an schlecht kalkulierten Bauprojekten in der Ex-DDR und Russland zerschellte. Und der junge Thomas Winkler war als einer der engsten Mitarbeiter von „Big Mac“ mittendrin. Er erlebte, wie die Öffentlichkeit seinen Chef, den statusbewussten Ferrarifahrer und mehrfachen Golf-Staatsmeister, zum „Mann des Jahres“ hochjubelte und ihm dann später erklärte, warum das Ganze nie gut hatte gehen können.

Die Wandelfähigkeit der öffentlichen Meinung hinterließ bei Winkler ihre Spuren. Gegenüber Vertrauten deutete er später einmal an, dass dies das Schlüsselerlebnis war, aus dem PR-und Mediengeschäft auszusteigen und sich auf eine Finanzkarriere zu konzentrieren. Presseleuten geht er seither aus dem Weg. Und das konsequent: Archive, sonst die Rache der Journalisten, sind zur Person Thomas Winkler so gut wie leer.

Es gibt keine Interviews und keine Zitate aus seiner Zeit bei Telekom und T-Mobile in Deutschland und keine Statements in seiner Funktion als Lenzing-Vorstand. Und er äußerte sich auch zu keiner der Jobspekulationen, die seit seinem Abgang in Lenzing Ende 2013 ins Kraut schießen. Dem INDUSTRIEMAGAZIN ließ er lediglich ausrichten: „Ich bin weder bei Telekom noch bei OMV jemals direkt oder indirekt angefragt worden.“ Der ÖIAG-Vorsitz war zum Zeitpunkt des Nachrichtenaustausches noch nicht vakant.

Thomas Winkler war von 2001 bis 2007 Finanzvorstand der T-Mobile International, unter der alle Mobilfunkaktivitäten der Deutschen Telekom AG gebündelt waren. Allein sein Finanzbereich hatte 1500 Angestellte, T-Mobile machte damals 32 Milliarden Euro Umsatz (2006). Das war schon was.

Als sein Vorstandsvorsitzender Rene Obermann 2007 zum Chef des gesamten Telekom-Konzerns aufrückte (65 Mrd.Umsatz), machte sich der in Köln ansässige Winkler Hoffnungen, die Reise mitzumachen. Er wollte im Mutterkonzern Finanzvorstand werden. Als er dann doch nicht zum Zug kam, schmiss er den Job. Ein deutscher Finanzjournalist nannte die Aktion „beleidigte Attitüde“. Unter dem neuen CEO Hamid Akhavan wollte Winkler nicht arbeiten.

Bei Lenzing lief es ähnlich: Winkler und der Vorstandsvorsitzende des oberösterreichischen Faserkonzerns, Peter Untersperger, pflegten nicht unbedingt ein enges Verhältnis. Als ehemaliger CFO hatte Untersperger genaue Vorstellungen, was sein Nachfolger machen sollte – und was nicht. Als Lenzing Ende 2012/2013 wieder einmal ein Wellental des Faserzyklus auf sich zurollen sah, wurde vom Vorstand ein Sparprogramm ausgerufen. Winkler wollte dem Konzern eine Holdingstruktur verpassen und sperrte sich aus Spargründen vehement gegen die Bestellung eines zusätzlichen vierten Vertriebsvorstandes.

Untersperger und sein Aufsichtsratsvorsitzender Michael Junghans hielten diesen vierten Vorstandsjob aber für die Absatzstärkung der neuen Faser Tencel als unverzichtbar – und setzten sich über Winklers Bedenken hinweg. Der Eigentümer hat immer recht.

Dies war aber nicht der einzige Knackpunkt: Es gab zusätzliche Reibereien über die neue Organisation im Konzern, die tief in die künftige Unternehmensstrategie hineinreichten. Lenzing-Mitarbeiter sprechen von einem zuletzt sehr unterkühlten Verhältnis zwischen Untersperger und dessen Finanz- vorstand. Im September 2013 zog Winkler den Schlussstrich.

Obwohl sein Vertrag erst im Frühjahr 2013 auf drei Jahre bis 2016 verlängert worden war, bot er seinen Abgang an, der ohne großen Widerstand akzeptiert wurde. Offizieller Grund für die Trennung waren „unterschiedliche Auffassungen über die zukünftige Ausrichtung und Organisation der Lenzing Gruppe“, was ja auch irgendwie stimmte. Der Geschäftsbericht zeigt, dass die Trennung nicht zum völligen Schnitt führte. Winkler steht bis Ende dieses Jahres noch auf der Payroll mit dem bei Lenzing üblichen Vorstandsgehalt von 1,5 Mio. Euro brutto.

Der Russlandstempel

Thomas Winkler hat sich den Ruf eingefangen, im ÖIAG-Aufsichtsrat als Delegierter der russischen Öl- und Gaskonzerne zu sitzen – quasi als Flankendeckung für den Putin-Versteher Siegfried Wolf. Russische und deutsche Medienberichte relativieren allerdings diese Allianz. Thomas Winklers Russlandbeziehungen basieren auf seinem Kontakt zu Ron Sommer, dem einst allmächtigen Chef der Deutschen Telekom.

Winkler, der als Leiter der Investor Relations eigentlich für den Finanzvorstand der Deutschen Telekom arbeitete, tourte bei den Kapitalerhöhungen 1999 und 2000 mit dem Oberboss Sommer von Roadshow zu Roadshow. Mit der Volte Ron Sommers aus dem Telekom-Vorstand 2002 brach der Kontakt – bis der Ex-Chef seinen ehemaligen Tourguide und nunmehrigen Ex-T- Mobile-Finanzvorstand im Frühjahr 2009 kontaktierte.

Sommer bot Winkler einen Job in der Finanzholding Sistema von Wladimir Jewtuschenkow an. Eines der Kernassets der Sistema ist der größte russische Mobilfunkbetreiber Mobile TeleSystems MTS, an dem die Deutsche Telekom bis 2005 Minderheitsanteile gehalten hatte. Winkler sollte dem an der New York Stock Exchange gelisteten Provider mehr Finanztransparenz nach westlichen Kapitalmarktstandards verpassen.

Das Vertrauen der Investoren in das russische Zahlenwerk des Unternehmens war bis dahin überschaubar. Winkler folgte dem Ruf des Sistema-Vorsitzenden Sommer und machte sich für ein knappes Jahr zum gut bezahlten Pendler zwischen Köln und Moskau. Von Magna, Wolf oder der Ölbranche war zu diesem Zeitpunkt weit und breit nichts zu sehen.

Winkler hatte 2012 sein Russlandabenteuer aus privaten Gründen längst wieder abgebrochen und war bereits über einen Headhunter in Lenzing gelandet, als er 2012 in den ÖIAG-Aufsichtsrat berufen wurde. Wer den damaligen Lenzing-Vorstand auf die Vorschlagsliste für die Finanzministerin Maria Fekter gesetzt hatte, konnte in der Recherche nicht mit Sicherheit eruiert werden.

Es ist nicht notwendigerweise Siegfried Wolf: Thomas Winkler arbeitete während seiner eineinhalb Jahre bei Magna für den Finanzvorstand Robert Gruber, der sich damals in einem heftigen Grabenkampf mit Siegfried Wolf befunden hat.

Es ging um die Gunst Frank Stronachs und den Einzug in den Vorstand von Magna International. Wolf obsiegte durch seine erfolgreiche Integration der Steyr Antriebstechnik und zündete dadurch seinen Karriereboost. Winkler spielte damit faktisch im falschen Team, was dem äußerst karrierebewussten Juris- ten im Mai 98 den Abgang zur Deutschen Telekom erleichterte. Es dauerte bis 2012, bis sich die Fährten von Wolf und Winkler wieder kreuzten.

Bashneft

Ufa ist die Hauptstadt der Republik Baschkortostan und mit einer knappen Million Einwohner die letzte russische Großstadt vor dem Ural. Das Flair der typisch russischen Provinzstadt ist in der Hauptsache geprägt von Plattenbauten und Einkaufszentren. Ufa ist auch Sitz des russischen Ölkonglomerats Bashneft, seit 2009 Teil des Sistema-Konzerns von Wladimir Jewtuschenkow. Thomas Winkler ist dort seit dem späten Frühjahr des Jahres Mitglied des Aufsichtsrates (und nicht wie im IM 9/14 berichtet Finanzvorstand), um hier das Gleiche wie bei seinem ersten Sistema- Engagement zu machen: Laut Itar-Tass soll er wieder den Aufbau eines modernen Berichtssystems begleiten, um später Börsenotierungen in London oder New York zu ermöglichen.

Heute sind diese Pläne nach dem Hausarrest von Jewtuschenkow und der unabsehbaren Wiederverstaatlichung von Bashneft nichts mehr als Schall und Rauch. Lange wird das Aufsichtsratsmandat von Winkler unter diesen Bedingungen nicht halten. Aber dieser wird dies gelassen hinnehmen: Seine Lenzing-Bezüge laufen noch bis Ende dieses Jahres. Und so wie es aussieht, muss er sich um neue Jobangebote wenig Sorgen machen. Aber gefragt hat ihn noch niemand.

06/2014

Mitglied des Aufsichtsrates Bashneft JSOC

06/2012–06/2020

2. Stellverteter des AR-Präsidenten im ÖIAG-Aufsichtsrat (Ablauf der Funktions- periode 2019)

04/2010–12/2013

Finanzvorstand Lenzing AG, Lenzing

06/2009–03/2010

Executive Vice President, JSFC Sistema, Stellvertreter von Ron Sommer, Moskau

05/2007–05/2009

selbständiger Finanzmarktberater, London

09/2001–01/2007

Vorstand Finanzen, T-Mobile Intern., Bonn

05/1998–08/2001

Leiter Investor Relations Deutsche Telekom AG, Bonn

11/1996–04/1998

Vice President für Kapitalmarktfragen Magna (Europe) Holding AG, Wien