Industriegase : Fusion von Linde und Praxair könnte doch nicht klappen

Mit dem Hinweis auf ein mögliches Scheitern seiner Fusionspläne hat der deutsche Gasekonzern Linde seine Anleger kalt erwischt. Weil der Zusammenschluss mit dem US-Konkurrenten Praxair zum weltgrößten Hersteller von Industriegasen wie Sauerstoff und Helium nicht mehr so sicher erscheint wie bisher, warfen Investoren die Linde-Aktien am Montag in hohem Bogen aus ihren Depots. Die Titel stürzten um mehr als 10 Prozent ab und waren mit Abstand größter Verlierer im Frankfurter Leitindex DAX.

Aktienabsturz

Linde hatte am Wochenende überraschend mitgeteilt, dass die US-Wettbewerbsbehörde FTC (Federal Trade Commission) höhere Hürden für den geplanten Zusammenschluss stellt. So hätten die Kartellwächter den Verkauf weiterer Unternehmensteile gefordert. Weil auch in anderen Regionen die Abgabe von Konzernteilen an Konkurrenten verlangt werde, werde die Schmerzgrenze der Fusionspartner wahrscheinlich überschritten. Linde und Praxair wollen nach früheren Angaben Firmenteile mit maximal 3,7 Mrd. Euro Umsatz oder 1,1 Mrd. Euro Betriebsgewinn (Ebitda) abgeben, um Kartellbedenken auszuräumen.

US-Behörde fordert Verkauf großer Konzernteile

Branchenexperte Markus Mayer von Baader Helvea Equity Research erklärte, durch die neuen Forderungen verringerten sich die Einspareffekte, die Linde und Praxair mit ihrer Fusion erzielen wollen. Außerdem sinke die Wahrscheinlichkeit, dass das Vorhaben rechtzeitig gelinge.

Der Zusammenschluss muss bis spätestens 24. Oktober über die Bühne gehen, weil die Aktionäre nach deutschem Recht innerhalb von zwölf Monaten Klarheit über das Gelingen einer Fusion haben müssen. Linde warf in seiner Pflichtmitteilung selbst die Frage auf, inwieweit sich zusätzliche Firmenverkäufe überhaupt schnell genug umsetzen ließen. "Der Zeitdruck steigt", hieß es in einem Marktkommentar der Equinet-Bank.

Zahlreiche Behörden müssen noch zustimmen

Außer der FTC müssen auch Behörden in Europa, China, Indien und Südkorea dem Deal noch zustimmen. Baader-Analyst Mayer äußerte die Befürchtung, dass höhere Hürden in den USA zu einer Kettenreaktion schärferer Auflagen in weiteren Ländern führen könnten. Branchenexperte Laurence Alexander vom Handelshaus Jefferies gab zu Bedenken, dass Linde und Praxair unter dem steigenden Zeitdruck nur noch vergleichsweise niedrige Preise für zu verkaufende Firmenteile erzielen könnten.

Reuters hatte Mitte Juli berichtet, dass die EU grünes Licht für die Fusion geben wolle. Kartellrechtliche Bedenken der EU-Kommission seien ausgeräumt worden durch die Praxair-Zusage, sich für den geplanten Zusammenschluss von einem Großteil seines Europageschäfts zu trennen, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen. Der japanische Konzern Taiyo Nippon Sanso übernimmt einen Großteil des europäischen Praxair-Geschäfts für insgesamt fünf Mrd. Euro.

Verkauf einer Sparte von Linde in den USA

Linde verkauft in Amerika einen Großteil seines Geschäfts an den deutschen Rivalen Messer. Das hessische Familienunternehmen und der Finanzinvestor CVC übernehmen gemeinsam für umgerechnet 2,8 Mrd. Euro Firmenteile in den USA, Kanada, Brasilien und Kolumbien. (reuters/apa/red)