Entgeltliche Einschaltung

Industrie 4.0 : Die Zukunft hat begonnen

Es war keine alltägliche und auch nicht gerade eine zurückhaltende Ansage, die der Informatik-Vordenker Franz Josef Radermacher im Rahmen der industry.tech15-Fachtagung formulierte: Die großen Probleme der Welt, sagte der Ulmer Universitätsprofessor, wie Ernährung, Umwelt, Gerechtigkeit werden, wenn überhaupt, nur auf dem Umweg über Technologie lösbar sein. Denn, so Radermachers überaus nüchterner Blick auf die Spezies Homo Sapiens, Technologie beherrsche der Mensch nahezu perfekt; beim Umgang mit den großen gesellschaftlichen Herausforderungen müsse er seine Lösungskompetenz hingegen erst unter Beweis stellen. Und da könne ausgerechnet Industrie 4.0 eine Brücke schaffen. Für die fast 200 Besucher der von FESTO, Phoenix Contact, SAP und SICK organisierten Tagung war Radermachers These ein steiler Einstieg. Denn sollte es im herbstlichen Zell am See nicht um flexible Fertigung, Losgröße 1, Big Data, die digitale Arbeitswelt gehen? Und dann das: gleich die ganze Welt retten!

1:0 für die Maschine

Für Christoph Kränkl, Director Sales Industry bei SAP Österreich, war der etwas weiter ausholende Gedanke, mit dem der Ulmer Professor das Publikum in seiner Keynote überraschte, dennoch gut gewählt: "Letztlich ging es uns bei der industry.tech15 auch darum zu zeigen, dass Industrie 4.0 und die damit verbundenen Fragen keine Themen sind, die sich irgendwo in einer abgehobenen Welt abspielen, sondern Themen, die ganz viel mit dem Alltag eines jeden von uns haben." Nachsatz: "Und außerdem wollten wir die Tagungsteilnehmer auch zum Meinungsaustausch, zu Diskussionen anregen. Da schadet etwas Kontroverse nicht.“

Dass der Meinungsaustausch gelungen ist, das zeigten am Ende unter anderem auch jene 85 Prozent der Kongressbesucher, die nicht nur zur nächsten industry.tech wiederkommen wollen, sondern die dabei auch noch eine weitere Person aus ihrem Unternehmen mitbringen möchten. Eben weil man hier so gut diskutieren kann.

Nicht ganz unschuldig daran war auch der zweite Keynote-Speaker, der Zukunftsforscher Lars Thomsen, der ein oft verschämt umschifftes Thema ansprach: Wann wird die Maschine gescheiter sein als der Mensch? Wann wird die künstliche Intelligenz die menschliche überflügeln? Ziemlich bald, in drei bis vier Jahren, sagt Thomsen und bringt den Begriff "Singularität" ins Spiel. Was er damit meint: In wenigen Jahren wird das menschliche Nervensystem von seiner Verarbeitungskapazität her nicht mehr singulär sein, Roboter werden diese Kapazität auch erreichen. Beruhigenderweise erwähnte Thomson dann aber doch, dass Intuition, Kreativität und – allen lernenden Systemen zum Trotz – Erfahrung noch länger rein menschliche Domänen bleiben werden.

Roboter im Finanzamt

Mit der rasant steigenden Möglichkeit, immer schneller, immer mehr Muster miteinander abzugleichen und noch mehr Daten realtime zu verarbeiten, ergeben sich allerdings neue Anwendungen für Bereiche, die heute noch dem Menschen vorbehalten sind. Und damit ist jetzt nicht die längst stattfindende Ablöse des Logistikmitarbeiters durch einen autonomen Roboter gemeint.

Die Beispiele, die Thomson brachte, reichen deutlich weiter. Etwa: Finanzprüfer könnten von Robotern ersetzt werden, weil Roboter mit entsprechenden Algorithmen auffällige Abweichungen in Steuererklärungen viel schneller und zuverlässiger erkennen als Menschen. Oder: Pflegeroboter könnten den Mangel an Arbeitskräften in der Altenpflege entschärfen. Ein Altersheim, in dem die Pflegekräfte aus Zeitnot kaum individuelle Betreuung leisten können oder ein Roboter, der für seinen Nutzer einkaufen geht, ihn zuhause unterstützt, im Notfall Alarm schlägt und obendrein auch noch ein Glas Wasser (oder Rotwein) reichen kann – die Entscheidung zwischen diesen beiden Welten muss allen Vorbehalten zum Trotz nicht unbedingt gegen den künstlichen Helfer ausfallen.

Vorausgesetzt freilich, das eine oder andere noch offene Problem aus dem Bereich der Sensorik wird gelöst. Auf der Datenverarbeitungsseite existieren die nötigen Werkzeuge hingegen bereits. In ihrer Präsentation zeigte Anja Schneider von der SAP, dass mit der S/4HANA-Plattform schon heute eine Grundlage vorhanden ist, auf der Daten für fast jede noch so komplizierte Anwendung in Realtime verarbeitet werden können. "Das passiert heute vor allem im Produktionsumfeld", sagt Christoph Kränkl von SAP. Weil SAP HANA aber gewissermaßen eine Core-Technologie ist, auf der individuelle Module aufgesetzt werden können, ist sie auch als Plattform für automatisiert ablaufende Aufgaben im Dienstleistungssektor einsetzbar, etwa im Pflege- oder Gesundheitswesen.

Datenhack live

Was freilich fast automatisch zur Frage der Datensicherheit führt. Denn personenbezogene Daten, an denen man im Gesundheitssektor naturgemäß nicht vorbeikommt, sind zumindest genauso heikel wie Produktionsdaten, die gestohlen werden können.

Dass Hacken gar nicht so schwer ist, bewies in Zell Thomas Grechenig von der TU Wien, indem er vor dem Publikum einen Live-Hack einer https-Verbindung vollbrachte. Für die schockierten Zuseher hatte Grechenig allerdings am Ende doch eine überaus gute Nachricht übrig: Weit über 99 Prozent aller Hackfälle können mit Abwehrmaßnahmen auf sehr einfachem Niveau bekämpft werden. Einen Doktortitel in Informatik braucht es dazu nicht, Grundlagenwissen und etwas Hausverstand reichen auch. Das wirkliche Problem, sagt Grechenig daher, ist nicht, dass viele Unternehmen eine falsche Strategie zur IT-Sicherheit haben, sondern gar keine.

Und weil im Rahmen einer Fachtagung wie industry.tech15 neben den großen Entwicklungslinien natürlich auch ganz konkrete Spezialfälle diskutiert wurden, soll zumindest eine wichtige Entwicklung aus dem Inneren von Industrie 4.0 erwähnt werden. Ausgerechnet in jenem Bereich, der letztlich über das großflächige Gelingen oder Misslingen einer neuen Produktionswelt entscheiden wird, scheint sich eine Lösung abzuzeichnen. Einiges lässt nun doch erwarten, so die einhellige Meinung der Experten, dass es bei der Frage der Schnittstellen zwischen der physischen Welt der Maschinen und der virtuellen Welt von Industrie 4.0 zu einer Vereinheitlichung kommt. Einen wichtigen Schritt auf diesem Weg könnte die sogenannte Referenzarchitektur Industrie 4.0 sein, auch bekannt als RAMI 4.0. Sie soll gewährleisten, dass alle Objekte einer Industrie-4.0-Umgebung, egal ob physische Maschine, Software oder Hardware, über dieselben standardisierten Konfigurationen verfügen und daher problemlos miteinander kommunizieren können.

Miteinander kommunizierende Systeme und Roboter geben übrigens aber auch ein gutes Sinnbild für die industry. tech15-Tagung ab. Die Partner SAP, FESTO, SICK und Phoenix können nämlich in Analogie auch wie Teile einer Maschine verstanden werden: FESTO steht für die Struktur in der Fertigung, SICK für die Sensorik wie Augen und Ohren, Phoenix für die Nervenbahnen und Schalter und bei SAP laufen alle Informationen in Big Data zusammen. Genau das wurde im Rahmen der Veranstaltung auch gezeigt.