Produktion : So funktioniert die digitale Pilotfabrik

Es waren Monate des Rätselratens, wie schnell man das Projekt auf die Beine bekommt. Gefühlt war in Sachen Pilotfabrik Industrie 4.0 zuletzt ja wenig passiert. Jetzt herrscht Klarheit über Zeitplan und Umsetzungsziele von Österreichs erster Fabrik zur Erforschung von Lösungen der vollvernetzten Produktion: Vor wenigen Wochen wurde der offizielle Projektantrag für die "TU Wien Industrie-4.0 Pilot-Demonstrationsfabrik", wie die vollständige Bezeichnung lautet, bei der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) eingereicht. Nach einer formellen Prüfung wird dieser noch einer internationalen Begutachtung unterzogen. Mit einem Bescheid kann die TU Wien also voraussichtlich frühestens im August rechnen. Besser spät als nie, denkt sich manch einer nun.

Denn das Vorhaben, das mit einiger Signalkraft für Österereichs Wettbewerbsfähigkeit gesegnet ist, stockte. Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) hatte der TU bereits letztes Jahr die Finanzierung einer Industrie 4.0 Pilotfabrik zugesagt. Eine PPP-Finanzierung, bei der die Mittel jeweils zu einem Drittel vom Ministerium, von der Industrie und von der TU Wien kommen sollen. Doch die FFG konnte in puncto Pilotfabrik schlichtweg auf kein bestehendes Förderprogramm zurückgreifen, erfuhr man schon vor Monaten aus gut informierten Kreisen. Um eine Antragstellung für das fabrikneue Projekt überhaupt möglich zu machen, musste erst einmal ein passendes Förderinstrumentarium geschaffen werden. "Die Förderung von F&E-Infrastruktur, abseits von der reinen Universitäts-/FH-Finanzierung, ist eine Neuerung im österreichischen Innovationssystem. Der rechtliche Rahmen für das Instrument der Förderung von F&E-Infrastruktur musste erst geschaffen werden", bestätigt Andreas Reichhardt, Leiter der Sektion III, Innovation und Telekommunikation im BMVIT. Es war notwendig, dass das BMVIT gemeinsam mit der FFG eine "kohärente Gestaltung des Instruments und die Einbettung in die existierende Förderlandschaft", wie Reichhardt es beschreibt, erarbeitet.

Aller Anfang ist schwer

Nachdem fast ein Jahr lang über die Spielregeln dieser Ausschreibung (passenderweise mit der Nummer 13) verhandelt wurde, darf die erste österreichische Pilotfabrik nun endlich auf ein Jawort hoffen. Von Seiten der TU Wien hätte der Projektantrag sicherlich auch innerhalb von vier Wochen fertiggestellt werden können, heißt es innerhalb des beteiligten Forscherkreises.

Gewiss: Die antragstellenden Institute sind auch ohne endgültige Zusage in der Lage, ihre Vorhaben umzusetzen. Jedoch dürfen beispielsweise benötigte Forschungsstellen erst dann ausgeschrieben werden, wenn deren Finanzierung auch hundertprozentig sichergestellt ist. Bis zum tatsächlichen Aufbau der Pilot-Demonstrationsfabrik könnte daher noch mindestens ein halbes Jahr vergehen und mit der Bekanntgabe eines konkreten Eröffnungstermins sollte man sicherlich erst Anfang 2016 rechnen.

Immerhin: Der Standort der Pilot-Demonstrationsfabrik steht bereits mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest. In der Seestadt Aspern, in direkter Nachbarschaft zu dem dort bereits existierenden TU Labor "ReasearchTUb", bekommt das österreichische Pionierprojekt auf dem Gebiet Industrie 4.0 von der Stadt Wien eine Halle gestellt.

Knapp aber ausreichend

Von den 250 Millionen, die das BMVIT insgesamt in die Förderung von Industrie 4.0 investiert, werden zwei Millionen in die Pilot-Demonstrationsfabrik fließen. Mit dieser auf drei Jahre ausgelegten Förderung sollen Startinvestitionen getätigt werden, die für Infrastruktur und Inbetriebnahme der Pilot-Demonstrationsfabrik notwendig sind. Anschließend können dann eigenständig beziehungsweise gemeinsam mit Partnerunternehmen zusätzliche Mittel für Innovationsprojekte generiert werden. Im internationalen Vergleich liegt die Fördersumme für die österreichische Pilotfabrik im unteren Mittelbereich. In Deutschland gibt es mittlerweile 15 Demonstrationsfabriken – ein Zustand, der in Anbetracht des bisher so zähen und langsamen Verwaltungsprozesses, hierzulande in näherer Zukunft nicht erreicht werden wird.

Mit dem bislang zeitraubenden aber jetzt fertig geschaffenen Förderinstrument, sollen Sektionsleiter Andreas Reichhardt zufolge ab 2016 weitere Pilotfabriken (voraussichtlich drei bis fünf) in einer kompetitiven Ausschreibung vergeben werden. Das Pilot-Projekt betreffend, hat das Konglomerat aus den drei TU Wien Instituten – Managementwissenschaften, Fertigungs- und Hochleistungslasertechnik sowie Konstruktionswissenschaften und Technische Logistik – bereits mit der Ausarbeitung der Pläne begonnen und in den vergangenen Monaten erste Gespräche mit der Industrie geführt. Als Partner in der Startphase des Projektes werden sich 20 Firmen (u.a. Jungheinrich, Evolaris, Siemens, SAP, Atos) beteiligen; ihre Absichtserklärungen liegen schon unterzeichnet vor.

Startszenarien für die Zukunft

Die Pilot-Demonstrationsfabrik baut nicht auf Null auf, denn die drei Institute arbeiten bereits seit drei Jahren in der Lern- und Innovationsfabrik der TU Wien zusammen. Ein Projekt, das wie der Name bereits vermuten lässt, in erster Linie auf Lernen ausgerichtet ist. Demonstrationsfabriken dagegen befinden sich im Zentrum eines imaginären Dreiecks bestehend aus Industriekonzernen, Hochschulen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und generieren dadurch eine Forschungsinfrastruktur, die für einen enormen Wissens- und Innovationsschub sorgen kann. Insbesondere KMUs können von den Aktivitäten einer Demonstrationsfabrik profitieren, da diese zum Ziel hat, neue Technologien rasch in die serienreife Fertigung umzusetzen. Jede Demonstrationsfabrik hat naturgemäß einen anderen Fokus; die Ausprägung der Pilot-Demonstrationsfabrik der TU Wien wird die variantenreiche Serienfertigung sein. Eine Entscheidung, die auf Untersuchungen hinsichtlich der im Einzugsgebiet von Wien vorhandenen Unternehmen basiert. "Es soll ein 3D-Drucker gebaut und später auch verkauft werden“, sagt Wilfried Sihn, Geschäftsführer der Forschungseinrichtung Fraunhofer Austria und Professor am Institut für Managementwissenschaften der TU Wien. Gemeinsam mit seinen beiden Universitätskollegen Friedrich Bleicher (IFT-Vorstand und research-Tub-Geschäftsführer) und Detlef Gerhard (Dekan der Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften) trägt er die Verantwortung für das Projekt. Die Hauptaufgaben der Pilot-Demonstrationsfabrik sind bereits klar definiert: a) den aktuellen Stand der Technik an einem bestimmten Anwendungsfall aufzeigen, b) intelligente und automatische Maschinen gemeinsam mit Partnern aus Industrie, Technologie, Wirtschaft demonstrieren, und c) Wissen transferieren sowie neue Innovationsprogramme entwickeln. Die geplanten Startszenarien sollen Technologie-Insellösungen vor Augen führen und diese auch erlebbar machen. Zentrale Herausforderung wird dabei die Interoperabilität, sprich die Verknüpfung der Insellösungen und die Integration von Information und Kommunikation mit der Technologie sein. "Die Pilotdemonstration will jedoch keinen Standard adressieren", so ein Institutsmitarbeiter, "sondern unterschiedliche Insellösungen für eine heterogene Technologielandschaft bieten."

Organisation, Technologien und Menschen schaffen gemeinsam Produktionssysteme, die einer Maschine unzählig viele Möglichkeiten bietet, zu agieren.

Ann Kimminich

Fotostrecke: Industrie 4.0 im Praxiseinsatz