Übernahme : "Here" geht um 2,8 Milliarden an Autokonsortium

Here Kartendienst Nokia
© Screenshot: INDUSTRIEMAGAZIN

Audi, BMW und Daimler haben sich zusammengetan, um zu verhindern, dass die Schlüsseltechnologie für Navigation, Assistenzsysteme und autonomes Fahren in die Hand von Google oder einem anderen Internetkonzern gerät. Sie fürchteten eine zu große Abhängigkeit, denn Nokia Here wird in Europa in vier von fünf Autos genutzt. Autobauer und Netzkonzerne kommen sich zunehmend in die Quere, denn die Autoindustrie baut immer mehr Kommunikationstechnik ein, um Kunden zu gewinnen oder ihnen Zusatzdienste anzubieten. Google hat ein selbstfahrendes kleines Auto gebaut. Auch Apple soll an einem solchen Plan arbeiten und entwickelt dafür eigene, hochauflösende Straßenkarten. Nach ihrem Geschäftsmodell könnte der Passagier im Auto digitale Dienste in Anspruch nehmen, wenn er nicht mehr selbst steuern muss.

Here werde dabei eine "Schlüsselrolle bei der digitalen Revolution der Mobilität" spielen, erklärte BMW-Chef Harald Krüger. Daimler-Chef Dieter Zetsche bezeichnete hochpräzise digitale Karten als einen entscheidenden Baustein für die Mobilität der Zukunft. Here wurde stark auf Bedürfnisse der Autobranche ausgerichtet und soll vor allem mit detailreichen Karten für selbstfahrende Fahrzeuge punkten. Nokia tritt seinen Kartendienst ab, um sich auf das Kerngeschäft als Ausrüster von Telekom-Netzwerken zu konzentrieren und den Konkurrenten Alcatel-Lucent zu kaufen. Vorbehaltlich der Freigabe durch die zuständigen Kartellbehörden soll der Deal zum ersten Quartal 2016 über die Bühne gebracht werden.

Auch Finanzinvestor mit im Boot

Neben Audi, BMW und Daimler wird sich nach Aussagen eines Insiders auch der Finanzinvestor General Atlantic am Kartendienst Here beteiligen. Die Höhe der Beteiligung werde in den kommenden Wochen festgelegt, sagte die mit der Transaktion vertraute Person am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. Nach früheren Aussagen von Insidern habe General Atlantic den Kauf von bis zu 30 Prozent an Here erwogen. Es ist aber unklar, ob es zu einer Beteiligung in dieser Höhe kommt.

Yahoo, Amazon, Toyota und Co. sind Kunden

Nokia Here ging aus dem US-Navigationsanbieter Navteq hervor, den die Finnen 2008 für rund acht Milliarden Dollar übernahmen. Die Nokia-Tochter beschäftigt etwa 6.000 Mitarbeiter. Analysten erwarten für dieses Jahr einen Umsatz von 1,1 Milliarden Dollar. Zu Heres Kunden gehören neben den deutschen Autokonzernen auch Toyota, General Motors oder Fiat Chrysler. Aber auch die Internetfirmen Amazon, die Suchmaschinenbetreiber Yahoo und Baidu sowie die Paketdienste Fedex und UPS nutzen die Kartendaten, die mit großem Aufwand durch häufige Kontrollfahrten auf den Straßen aktualisiert werden.

Da die drei Autokonzerne nun einen wichtigen Zulieferer der gesamten Branche kontrollieren, ist fraglich, ob die anderen Fahrzeugbauer Nokia Here als Kunden treu bleiben. Hauptkonkurrent ist Tomtom aus den Niederlanden, der jüngst eine Kooperation mit Bosch besiegelt hat. Die Navigationsdienste sind zudem ein wichtiger Faktor im harten Wettbewerb unter den Autoschmieden. "Es besteht das Risiko, dass sich die drei nicht vertragen", sagte Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen.

Nokia ist nun abgespeckt

Als Nokia Here zur Auktion stellte, war das eine seltene Gelegenheit, einen gut ausgebauten weltweiten Kartendienst zu erwerben. Laut Medienberichten hatte sich Nokia einen höheren Preis erhofft. Zunächst soll es auch viele Interessenten gegeben haben, von chinesischen Online-Konzernen bis hin zum umstrittenen Fahrdienst-Vermittler Uber, der selbst an selbstfahrenden Fahrzeugen forscht. Am Ende blieben jedoch nur die deutschen Autobauer im Rennen. Nokia rechnet damit, bei dem Verkauf einen Buchgewinn von einer Milliarde Euro zu erzielen. Der Betrag von 2,8 Milliarden Euro soll noch um einige Verbindlichkeiten von Here reduziert werden, sodass dem finnischen Konzern am Ende gut 2,5 Milliarden Euro zufließen sollen. Über die Jahre hatte Nokia aber einige Milliarden mehr in den Ausbau des Dienstes investiert.

Here sitzt hauptsächlich in Berlin und hatte Ende Juni rund 6.450 Mitarbeiter. Im ersten Halbjahr stieg der Umsatz als Nokia-Sparte um ein Viertel auf 551 Mio. Dollar (502 Mio. Euro) und es gab einen operativen Gewinn von 28 Millionen Dollar. Im vergangenen Jahr hatte Nokia den Here-Wert um 1,2 Milliarden Euro berichtigt, was beim gesamten Konzern auf die Bilanz drückte. Nokia wird nach dem Verkauf nur noch aus dem Netzwerk-Geschäft und der "Technologies"-Sparte bestehen, die auch an einer Rückkehr ins Verbrauchergeschäft arbeitet. Der Konzern hatte seine einst weltgrößte Handy-Sparte im vergangenen Jahr an Microsoft verkauft und muss noch bis 2016 warten, bis er seinen Markennamen wieder auf Smartphones nutzen kann. (apa/dpa)