Gleichspannung : DC in der Industrie: Die Fabrik als Prosumer

Arbeitet ein Drehstrommotor im Bremsbetrieb, zum Beispiel bei einem Kran im Senkbetrieb, dann ändert sich der Energiefluss. Diese Energie kann ein Frequenzumrichter nicht in das Netz zurückspeisen, da der Eingangsgleichrichter den Energiefluss nur in eine Richtung ermöglicht.
- © romaset - stock.adobe.comDie Wechselspannung AC dominiert die Energiewirtschaft der Welt. Die Kraftwerke speisen die Energie direkt ins Netz ein, diese kann über lange Strecken ziemlich verlustfrei transportiert werden. Doch die Energiewirtschaft verändert sich, und auch die Industrie ist betroffen.
Erneuerbare Energien gewinnen an Bedeutung und erfordern Flexibilität in den Netzen. Gleichzeitig forcieren die Industrieanwender Anstrengungen für die CO2-neutrale Produktion. Wissenschaftler und Unternehmen entdecken die Gleichspannung für sich – als internes Fabriknetz der Zukunft.
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Die Initiative DC Industrie forscht schon seit einigen Jahren zu dem Thema. Über 40 Unternehmen sind Teil der Initiative, die vom deutschen Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird. Erste Demonstratoren stehen unter anderem bei Daimler. Doch was kann ein internes DC-Firmen-Netz leisten?
AC DC in der Anwendung
Motoren, die nur eine konstante Drehzahl erfordern, können direkt an das Wechselspannungsnetz angeschlossen werden. Elektromotoren mit einem vorgeschalteten Frequenzumrichter können die Drehzahl der Antriebe elektronisch verändern. Der Vorteil bei Einsatz eines Frequenzumrichters ist die kontinuierliche Anpassungsmöglichkeit der Motordrehzahl an den aktuellen Bedarf, was sehr oft auch zu Energieeinsparungen führt.
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Ein Frequenzumrichter wird von der Wechselspannung versorgt. Diese wird zunächst über einen Gleichrichter in eine Gleichspannung umgewandelt, die dann über einen nachgeschalteten Wechselrichter in eine Wechselspannung mit variabler Frequenz und Spannung umgewandelt wird, um so die Drehzahl eines Drehstrommotors elektronisch zu verändern.
Arbeitet jedoch der Drehstrommotor im Bremsbetrieb, zum Beispiel bei einem Kran im Senkbetrieb, dann ändert sich der Energiefluss. Diese Energie könne jedoch der Frequenzumrichter nicht in das Netz zurückspeisen, da der Eingangsgleichrichter den Energiefluss nur in eine Richtung ermögliche, heißt es in einem Papier der Industrieinitiative DC.
Das Ziel: Ein Motor verzögert und die dabei entstehende Energie könnte direkt im DC-Netz genutzt werden, um einen anderen Motor zu beschleunigen. Dazu kommt: Wenn der Wechselrichter im Frequenzumrichter nicht mehr gebraucht wird, sparen die Konstrukteure Platz und die Leistungselektronik kommt näher an den Motor. Auch Netzstörungen durch Umrichter und zusätzliche Filter könnten der Vergangenheit angehören. Manch ein Experte scherzt schon: „Die Netzschweine haben keine Zukunft mehr.“
Gleichstrom: interessant für die Robotik?
Auch in der Robotik finden die Ingenieure Szenarien. Gegenwärtig kann die Bremsenergie der Roboter nicht in das Wechselstromnetz eingespeist werden, sie verpufft und Klimageräte müssen die Temperatur in den Produktionshallen regulieren. Mit einem DC-Netz wäre eine Rückspeisung in einen Speicher möglich und die Klimageräte könnten abgeschaltet werden.
Dazu kommt: Viele Unternehmen produzieren selber Energie – durch Photovoltaikanlagen auf ihren Fabrikdächern. Mit einem internen DC-Netz könnte die Energie direkt genutzt, gespeichert oder sogar dem Netz zur Verfügung gestellt werden.
„Die DC-Technologie hat viele Vorteile, mit denen die Anforderungen an ein modernes, intelligentes industrielles Stromversorgungsnetz erfüllt werden können“, erklärt Holger Borcherding von der TH OWL, der wissenschaftliche Leiter von DC Industrie 2, dem Folgeprojekt.
Beispielsweise können neue Energieerzeugungssysteme wie Photovoltaik oder Energiespeicher sehr einfach eingebunden werden, da diese ohnehin eine Gleichspannung erzeugen. Weiterhin steigt die Anlagenverfügbarkeit, da ein DC-Netz flexibel auf Störungen im vorgelagerten AC-Versorgungsnetz reagieren kann. „Ein DC-Netz kann sogar das AC-Netz aktiv stützen; diese Netzdienlichkeit ist besonders bei schwachen Netzen oder bei einem hohen Anteil an dezentralen Energieerzeugern wie Photovoltaik wichtig“, so Borcherding.
Einsparpotenzial von zehn Prozent
Das Ziel: Die Fabrik bezieht aus dem externen Wechselstromnetz Energie, die einmal gewandelt wird. Intern nutzen die Maschinen, Motoren und Speicher ein DC-Netz. Das führt zu weniger Netzausfällen und spart Energie. Die Fabrik wird zum Prosumer.
Beim Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie e.V (ZVEI) würden die Experten mit einem energetischen Einsparpotenzial von etwa zehn Prozent kalkulieren, schreibt ein Fachmagazin. Der Kosteneffekt wird mit etwa 20 Prozent veranschlagt. Dies ist vor allem durch die Einsparung von AC-DC-Wandlern an den Motoren bedingt. Die durchschnittliche Anlagenverfügbarkeit lasse sich zudem auf rund 98 Prozent steigern.
Dieser Beitrag erschien erstmals im April 2020. Aufgrund seines nach wie vor interessanten und relevanten Inhalts haben wir ihn gerne für Sie aus dem Archiv geholt.