KI bei Boehringer Ingelheim : So setzt Boehringer Ingelheim auf Künstliche Intelligenz

Bild von Molekülen auf einem Quantencomputer: Quantencomputing zur Berechnung von Molekülenergien bei Boehringer Ingelheim.
- © Boehringer IngelheimKI und Quantencomputing revolutionieren die Pharmaforschung
In der pharmazeutischen und chemischen Forschung nimmt die Identifizierung von Zielmolekülen (Target Discovery, Lead Identification) eine zentrale Rolle ein. Clemens Utschig-Utschig, CTO Boehringer Ingelheim, beschreibt den Prozess als eine Suche nach dem Protein oder Enzym, das eine Krankheit im menschlichen Körper verursacht oder beeinflusst.
Der Ansatz folgt der sogenannten "Schloss-und-Schlüssel"-Metapher, bei der das Zielprotein das Schloss darstellt, während der passende Wirkstoff als Schlüssel dient, der die Krankheit blockieren oder hemmen kann. Dieser Prozess startet nicht auf einem weißen Blatt Papier.
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Der Einsatz des Moleküldesign-Assistenten ADAM
Vielmehr baut er auf über 60 Jahren an Wissen und umfangreichen Daten zu Hunderttausenden bereits getesteten Verbindungen auf. Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen spielen hierbei eine zunehmend wichtige Rolle, insbesondere wenn es darum geht, diese Datenmengen zu analysieren und potenzielle Verbindungen zu identifizieren, die auf das Zielprotein passen könnten.
Lead-Identifikation
In der Lead-Identifikation und -Optimierung, also der Suche und Verfeinerung von Verbindungen, die das Zielprotein beeinflussen, kommen KI-gestützte Systeme wie ADAM (Advanced Design Assistant for Molecules) zum Einsatz.
ADAM ist ein Design-Assistent, der Moleküle in Echtzeit analysiert und die Bindungsfähigkeit an das Zielprotein sowie mögliche toxische Effekte und andere Eigenschaften vorab bewertet. So können erste Einschätzungen getroffen werden, noch bevor Tests im Labor durchgeführt werden müssen.
Machine Learning in der chemischen Synthese
Ein weiteres Anwendungsbeispiel von KI liegt in der Vorhersage von Verunreinigungen bei chemischen Reaktionen. Mithilfe von Machine Learning lassen sich unerwünschte Nebenprodukte bereits in kleinen Laborversuchen vorhersagen und somit in der späteren Synthese in großem Maßstab vermeiden. Auch bei der Produktion von biologischen Wirkstoffen, wie Antikörpern, unterstützt KI den Prozess, indem sie das Zellverhalten bei unterschiedlichen Bedingungen analysiert und die Produktionsbedingungen optimiert. Auf diese Weise kann die Qualität der erzeugten Antikörper sichergestellt werden.
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Boehringer Ingelheim setzt in vielen Bereichen des Unternehmens auf Datenanalyse und KI, um schneller und effizienter forschen zu können. Dabei betont Utschig-Utschig, dass der Übergang von rein menschlicher Forschung zu KI-unterstützter Forschung nicht nur technologische Herausforderungen mit sich bringt, sondern auch ein Umdenken in der Arbeitsweise der Mitarbeiter erfordert. Um die Akzeptanz von KI-gestützten Prozessen zu fördern, wurde im Unternehmen ein Programm zur Data Literacy gemacht und eine eigene „Data X Academy“ eingeführt, das die Datenkompetenz der Belegschaft stärkt.
Potenzial von Quantencomputern in der Pharmaindustrie
Neben KI sieht Utschig-Utschig auch großes Potenzial im Quantencomputing, insbesondere bei der Berechnung von Molekülenergien und Bindungsaffinitäten. Obwohl sich die Technologie noch in einem frühen Stadium befindet, erwartet man bei Boehringer Ingelheim, dass Quantencomputer in Zukunft komplexe chemische Probleme erheblich schneller lösen können als herkömmliche Computer. Das Unternehmen arbeitet aktiv an der Entwicklung von Algorithmen, die diese Berechnungen weiter beschleunigen sollen.
Der Durchbruch wird jedoch erst in einigen Jahren erwartet, wenn Quantencomputer mit 1.000 bis 3.000 logischen Qubits für industrielle Anwendungen zur Verfügung stehen.