Deindustrialisierung, Abgaben, Infrastruktur : Österreich: Der wahre "kranke Mann Europas"?
Inhalt
- Österreich: Der neue "kranke Mann Europas"?
- Österreichs Industrie in Abwärtsspirale
- Insolvenzen auf Rekordhoch
- Strukturelle Probleme und Reformbedarf
- IV warnt vor fortschreitender Deindustrialisierung
- "SOS-Wohlstand"-Paket der IV
- Standort-Deklaration der Bundesländer soll Wohlstand sichern
- Der "kranke Mann Europas": Deutschland vs. Österreich

Hohe Kosten für Bürokratie belasten Österreichs Wirtschaft
- © stokkete - stock.adobe.comAktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt WEKA PRIME Mitglied werden!

Hohe Kosten für Bürokratie belasten Österreichs Wirtschaft
- © stokkete - stock.adobe.com
Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
Österreich: Der neue "kranke Mann Europas"?
In den vergangenen Jahren hat sich Österreichs Wirtschaft zunehmend verschlechtert, was dem Land den zweifelhaften Titel des "kranken Mannes Europas" eingebracht hat. Diese Bezeichnung, einst für Deutschland verwendet, spiegelt die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen Österreichs wider. Laut aktuellen Prognosen der Österreichischen Nationalbank (OeNB) wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Österreichs im Jahr 2024 um 0,9 % schrumpfen, was das Land zu einem der wirtschaftlichen Schlusslichter innerhalb der EU macht.
>>> KTM, Kika/Leiner, Signa: Die größten Insolvenzen des Jahres 2024
Ein wesentlicher Faktor für die schwache Wirtschaftsentwicklung sind die hohen Lohnkosten. Gunter Deuber, Leiter von Raiffeisen Research, bezeichnet Österreich aufgrund des geringen Wirtschaftswachstums als "kranken Mann Europas" und sieht in den hohen Lohnkosten einen bedeutenden Hemmschuh für die Wettbewerbsfähigkeit. Diese Belastung erschwert es österreichischen Unternehmen, auf internationalen Märkten konkurrenzfähig zu bleiben.
Nie mehr die wichtigsten News aus Österreichs Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!
Österreichs Industrie in Abwärtsspirale
Die österreichische Industrie befindet sich in einer anhaltenden Abwärtsspirale, die Experten zunehmend Sorge bereitet. Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich (RLB OÖ), beschreibt die Lage der heimischen Industrie als äußerst prekär und sieht Österreich als einen der "kranken Männer Europas". Diese Einschätzung beruht auf einer Vielzahl von Faktoren, die die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Industrie nachhaltig beeinträchtigen.
>>> Wie der Kult-Motorradhersteller seine Insolvenz heraufbeschwor
Ein zentraler Aspekt ist die schwache Konjunktur, die durch sinkende Nachfrage sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene gekennzeichnet ist. Dies führt nicht nur zu rückläufigen Produktionszahlen, sondern auch zu einer Verringerung der Investitionsbereitschaft in Schlüsselindustrien wie Maschinenbau, Automobilzulieferung und chemische Produktion. Die stagnierenden oder gar sinkenden Umsätze erschweren es den Unternehmen, notwendige Modernisierungen und Innovationen voranzutreiben, was sie in einem zunehmend globalisierten Wettbewerb ins Hintertreffen geraten lässt.

Entdecken Sie jetzt
- Lesen
- Videos
-
Podcasts
- US-Zölle auf Stahl und Alu: Voestalpine und AMAG mit einer Milliarde betroffen | INDUSTRIEMAGAZIN 19.02.2025
- Pierer-Pleite: Wer „saniert“ jetzt eigentlich den Feuerwehrausrüster Rosenbauer? | INDUSTRIEMAGAZIN 12.02.2025
- DeepSeek bricht Open AI & Gemini Dominanz: Eine gute Nachricht für SAP (und die Industrie) | IM 05.02.2025
Hinzu kommt die steigende Arbeitslosigkeit, die insbesondere im produzierenden Sektor alarmierende Ausmaße erreicht. Immer mehr Unternehmen sehen sich gezwungen, Personal abzubauen, um Kosten zu senken und ihre Existenz zu sichern. Dies hat nicht nur direkte Auswirkungen auf die betroffenen Arbeitnehmer, sondern schwächt auch die gesamte wirtschaftliche Dynamik, da Kaufkraft und Konsum weiter zurückgehen.
Die Krise wird durch strukturelle Probleme wie hohe Energiekosten, komplexe bürokratische Hürden und eine im internationalen Vergleich sehr hohe Abgabenlast zusätzlich verschärft. Ohne tiefgreifende Reformen, die den Standort attraktiver gestalten, droht die österreichische Industrie, langfristig an Bedeutung zu verlieren – mit weitreichenden Folgen für den Wohlstand des Landes.
Insolvenzen auf Rekordhoch
Die wirtschaftliche Schwäche Österreichs spiegelt sich deutlich in der rasant steigenden Zahl an Unternehmensinsolvenzen wider. Laut aktuellen Analysen des KSV1870 wurden in den ersten drei Quartalen 2024 insgesamt 4.855 Unternehmensinsolvenzen verzeichnet, was einem Anstieg von 23,5 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Dies bedeutet durchschnittlich 18 Firmenpleiten pro Tag.
>>> KTM Pleite: Nach Gläubigerversammlung: Kann KTM noch gerettet werden?
Experten prognostizieren, dass die Gesamtzahl der Insolvenzen im Jahr 2024 erstmals seit 16 Jahren wieder die Marke von 7.000 erreichen könnte, ein Niveau, das zuletzt während der Finanzkrise 2009 beobachtet wurde.

Bereits im Jahr 2023 war ein deutlicher Anstieg der Pleiten erkennbar, der auf eine Mischung aus schwachem Wirtschaftswachstum, gestiegenen Betriebskosten und sinkender Nachfrage zurückzuführen ist. Besonders betroffen sind kleine und mittelständische Unternehmen, die sich oft schwieriger an die verschärften wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen können.
Ein wesentlicher Faktor, der diese Entwicklung befeuert, sind die hohen Energiekosten und die steigenden Zinsen. Viele Unternehmen, die in den vergangenen Jahren von günstigen Finanzierungsbedingungen profitiert haben, geraten zunehmend unter Druck, ihre Verbindlichkeiten zu bedienen. Hinzu kommen strukturelle Herausforderungen, wie ein hoher bürokratischer Aufwand und eine vergleichsweise hohe Steuer- und Abgabenquote, die den Handlungsspielraum der Unternehmen einschränken.
Die steigenden Insolvenzen gefährden nicht nur Tausende von Arbeitsplätzen, sondern haben auch tiefgreifende Folgen für das Vertrauen in die österreichische Wirtschaft. Ein solcher Vertrauensverlust kann Investitionen hemmen und die wirtschaftliche Erholung weiter verzögern, wodurch ein Teufelskreis aus sinkender Produktion, steigender Arbeitslosigkeit und wachsender Unsicherheit entsteht.
Strukturelle Probleme und Reformbedarf
Österreichs wirtschaftliche Herausforderungen sind tief in strukturellen Problemen verwurzelt, die seit Jahren ungelöst bleiben und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes erheblich beeinträchtigen. Experten weisen darauf hin, dass ein zentraler Schwachpunkt in unzureichenden Investitionen in Schlüsselbereiche wie Bildung, Forschung und Infrastruktur liegt. Diese Bereiche gelten als Fundament für nachhaltiges Wirtschaftswachstum, werden jedoch seit Jahren vernachlässigt. Die unzureichende Ausstattung des Bildungssystems, insbesondere in den Bereichen Digitalisierung und MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), behindert die Entwicklung dringend benötigter Fachkräfte, die für eine innovative Wirtschaft unerlässlich sind.
Auch in der Forschung und Entwicklung zeigt sich ein Rückstand. Österreich investiert zwar nominal mehr als viele EU-Länder, jedoch fehlt es oft an einer zielgerichteten Strategie, die die Mittel effizient nutzt und Innovationen tatsächlich fördert. Dies hat zur Folge, dass Österreich im internationalen Innovationsranking zurückfällt und Unternehmen sich zunehmend schwerer tun, auf globaler Ebene wettbewerbsfähig zu bleiben.
Ein weiterer schwerwiegender Hemmschuh ist die hohe Steuer- und Abgabenquote, die in Österreich zu den höchsten in der OECD gehört. Mit einer Belastung von knapp 43 % wird nicht nur den Unternehmen die Luft zum Atmen genommen, sondern auch den Arbeitnehmern, deren Kaufkraft durch hohe Abgaben geschwächt wird. Diese Steuerlast hemmt Konsum und Investitionen gleichermaßen, was die wirtschaftliche Dynamik weiter ausbremst.
Die Kombination aus diesen Faktoren führt zu einer gefährlichen Stagnation, die ohne umfassende Reformen kaum überwunden werden kann. Gefordert sind nicht nur steuerliche Entlastungen und Bürokratieabbau, sondern auch mutige Investitionen in Zukunftsbereiche. Ohne diese Maßnahmen droht Österreich, im internationalen Wettbewerb weiter zurückzufallen, was langfristig Wohlstand und soziale Sicherheit gefährden könnte.
IV warnt vor fortschreitender Deindustrialisierung
Die Industriellenvereinigung (IV) fordert eine rasche Regierungsbildung, um den Wirtschaftsstandort Österreich, der derzeit nur eingeschränkt wettbewerbsfähig ist, wieder zu stärken. IV-Präsident Georg Knill betont: "Wir nehmen am Weltwachstum nicht mehr teil. Wir haben uns aus dem Markt herausgepreist."
>>> Die Top-Manager in Oberösterreich
Knill verweist auf hohe Arbeits-, Energie- und Bürokratiekosten, die die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Er kritisiert das mangelnde politische Verständnis für diese Problematik und hebt hervor, dass die heimische Wirtschaft weiterhin innovativ ist, jedoch unter den aktuellen Preisbedingungen leidet: "Wir partizipieren nicht mehr am Weltwachstum." Zudem bemängelt er, dass viele Entscheidungsträger keine persönliche Erfahrung mit Marktwirtschaft haben und in geschützten oder protektionistischen Bereichen tätig waren.

Die IV warnt vor einer fortschreitenden Deindustrialisierung: Investitionen werden reduziert, Aufträge bleiben aus, und Mitarbeiter können nicht gehalten werden. Knill prognostiziert einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit im produzierenden Sektor für 2025. Bereits zuletzt gab es in diesem Bereich überdurchschnittlich hohe Steigerungen bei der Zahl der Arbeitslosen.
Die konjunkturellen und strukturellen Probleme gefährden laut Knill Wohlstand und Sozialstaat. Die Industrie trägt in Österreich zu einem Viertel der Wertschöpfung und Beschäftigung bei. Ohne strukturelle Veränderungen und industrielle Reformen werde Österreich nicht aus der Stagnation herauskommen. Knill fordert einen Befreiungsschlag von Verboten und Reglementierungen auf europäischer und nationaler Ebene sowie mehr unternehmerische und wirtschaftliche Freiheit in stabilen Rahmenbedingungen. Er kritisiert die mangelnde Verlässlichkeit der Politik, was Investoren dazu veranlasst, Kapital aus Österreich abzuziehen.
Als konkrete Maßnahme schlägt Knill vorzeitige Abschreibungsmöglichkeiten vor, um Investitionen attraktiver zu machen, ohne das Budget zu belasten. Er spricht sich für eine Absetzung für Abnutzung (AfA) von 100 bis 120 Prozent aus, um Unternehmen, die bereit sind, in Österreich zu investieren, zu unterstützen.
"SOS-Wohlstand"-Paket der IV
Knill kritisiert zudem, dass in der bisherigen Regierung ÖVP-Vorschläge zur Arbeitsmarktreform, wie ein degressives Arbeitslosengeldmodell, von den Grünen verhindert wurden. Er betont, dass das System nicht teurer werden dürfe, wie es die Gewerkschaft fordere. Zudem müsse der Teilzeit-Anteil sinken und mehr Vollzeit gearbeitet werden. Hierfür seien Anreize notwendig, ebenso wie für das Leisten von mehr Überstunden.
Die IV hat ein "SOS-Wohlstand"-Paket mit acht zentralen Maßnahmen vorgestellt, um den Standort Österreich zu reparieren und ihn wieder zu einem der führenden und wettbewerbsfähigsten Industriestandorte zu machen. Dazu zählt unter anderem die Senkung der Steuer- und Abgabenquote auf 40 Prozent bis 2030. Dieses Maßnahmenpaket umfasst acht zentrale Punkte:
- Senkung der Steuerquote auf 40 % bis 2030: Die derzeitige Steuer- und Abgabenquote von 43,2 % soll kontinuierlich reduziert werden, um Wachstum, Innovation und Leistung zu fördern.
- Pensionsreformen: Das aktuelle Pensionssystem wird als belastend für zukünftige Generationen angesehen. Bis 2050 könnten kumulierte Kosten von einer Billion Euro entstehen. Daher fordert die IV eine Reform, um das faktische Pensionsantrittsalter an das OECD-Niveau anzupassen.
- Förderung von Unternehmertum: Es wird ein gesellschaftlicher Wandel hin zu mehr Leistung und Eigenverantwortung angestrebt, weg vom "Vollkasko-Staat". Unternehmertum soll positiv verankert und gestärkt werden.
- Wirtschaftsbildung in Schulen: Die IV plädiert für eine stärkere Integration von Wirtschaftsbildung in der Grundbildung, um das Bewusstsein für wirtschaftliche Zusammenhänge zu schärfen und Eigeninitiative zu fördern.
- Senkung der Lohnnebenkosten: Mit einer Abgabenlast von rund 46,8 % auf Arbeit zählt Österreich zu den Spitzenreitern in der OECD. Eine Reduktion der Lohnnebenkosten soll dazu beitragen, dass den Menschen mehr Netto vom Brutto bleibt.
- Steigerung der Exporte: Als exportorientierte Nation setzt sich die IV für eine aktive EU-Handelspolitik und die Umsetzung fairer Freihandelsabkommen ein, um Arbeitsplätze zu sichern und die Wirtschaft zu stärken.
- Neuausrichtung des Green Deals: Nachhaltiges Handeln soll wirtschaftlich rentabel bleiben. Der Green Deal der EU sollte als technologieoffener, wettbewerbsfähiger "Industrial Deal" verstanden und umgesetzt werden.
- Abbau von Bürokratie: Ein "Befreiungsschlag" aus dem Bürokratiedschungel wird gefordert, um Unternehmen zu entlasten und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Dabei soll insbesondere "Gold Plating" bei der nationalen Umsetzung von EU-Richtlinien vermieden werden.
Mit diesem Maßnahmenpaket zielt die IV darauf ab, Österreich wieder in die erste Reihe der wettbewerbsfähigsten Industriestandorte zu bringen und den Wohlstand für kommende Generationen zu sichern.
Österreichs Industrie hat aktuell mit multiplen Herausforderungen zu kämpfen und steht dadurch massiv unter Druck.Georg Knill, IV-Präsident
Standort-Deklaration der Bundesländer soll Wohlstand sichern
Zudem wurde eine Standort-Deklaration der Bundesländer präsentiert, in der sich die Wirtschaftsreferentinnen und -referenten der Bundesländer zu einer standortfreundlichen Ausrichtung der Politik bekennen, um den Wirtschaftsstandort insgesamt zu stärken.
Die Standort-Deklaration der Bundesländer ist ein gemeinsames Bekenntnis der Wirtschaftsreferentinnen und -referenten aller österreichischen Bundesländer, das in Zusammenarbeit mit der Industriellenvereinigung (IV) und der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) erarbeitet wurde. Diese Deklaration zielt darauf ab, die internationale Wettbewerbsfähigkeit Österreichs zu stärken, Wohlstand zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten. Die Deklaration umfasst mehrere zentrale Punkte:
- Abbau von Überregulierung und bürokratischen Belastungen: Es wird angestrebt, bestehende bürokratische Hürden zu reduzieren, um Unternehmen zu entlasten und effizienteres Wirtschaften zu ermöglichen.
- Verstärkte Leistungsanreize am Arbeitsmarkt: Durch geeignete Maßnahmen soll der Arbeitsmarkt attraktiver gestaltet werden, um sowohl Arbeits- als auch Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.
- Beschleunigung der Energiewende: Die Deklaration betont die Notwendigkeit, den Übergang zu nachhaltigen Energiequellen zu fördern und gleichzeitig wettbewerbsfähige Energiekosten sicherzustellen.
- Unterstützung der Wasserstoffwirtschaft: Es wird die Förderung von Technologien und Infrastrukturen im Bereich Wasserstoff angestrebt, um innovative Industriezweige zu stärken.
- Nachhaltige Reduktion der Steuer- und Abgabenquote: Ziel ist es, die finanzielle Belastung für Unternehmen und Arbeitnehmer zu senken, um wirtschaftliches Wachstum zu fördern.
- Beschleunigte Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte: Die Deklaration fordert schnellere Verfahren bei der Genehmigung neuer Infrastruktur, um Investitionen zu erleichtern und den Standort zu stärken.
Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, betonte anlässlich der Präsentation der Deklaration: "Österreichs Industrie hat aktuell mit multiplen Herausforderungen zu kämpfen und steht dadurch massiv unter Druck. Die heute unterzeichnete Standort-Deklaration der Bundesländer ist ein klares Zeichen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit wieder zu festigen und den gewohnten Wohlstand im Land zu erhalten."
Die Standort-Deklaration wird als starkes Signal für den Wirtschaftsstandort Österreich gesehen, mit dem Ziel, durch eine standortfreundliche Ausrichtung der Politik die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und somit Wohlstand und Arbeitsplätze langfristig zu sichern.
Der "kranke Mann Europas": Deutschland vs. Österreich
In den letzten Jahren wurden sowohl Deutschland als auch Österreich mit dem Titel des "kranken Mannes Europas" konfrontiert – einer Bezeichnung, die auf stagnierende Wirtschaft, hohe strukturelle Belastungen und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit hinweist. Doch welches Land ist tatsächlich in der schlechteren wirtschaftlichen Lage? Ein direkter Vergleich zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Wirtschaftswachstum und Konjunktur
Deutschland, die größte Volkswirtschaft Europas, kämpft seit Jahren mit einem stagnierenden Wirtschaftswachstum, das zunehmend Sorgen bereitet. Im Jahr 2023 schrumpfte das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,4 %, ein klares Zeichen für die anhaltenden Herausforderungen, mit denen das Land konfrontiert ist. Im Vergleich dazu konnte Österreich ein geringes Wachstum von 0,3 % erzielen, doch auch hier trüben die Aussichten: Für 2024 prognostizieren Experten einen Rückgang des österreichischen BIP um 0,2 %, was die negative wirtschaftliche Dynamik beider Länder verdeutlicht.
Zu den gemeinsamen Herausforderungen zählen hohe Energiekosten, die nicht nur Unternehmen, sondern auch Privathaushalte belasten. In Deutschland machten die Energiekosten im Jahr 2023 etwa 7,5 % des BIP aus, während Österreich durch seine geringere Diversifizierung der Energiequellen ähnliche Belastungen zu tragen hatte. Beide Länder verzeichnen zudem eine schwächelnde Industrieproduktion. In Deutschland sank der industrielle Output 2023 um 1,7 %, insbesondere getrieben durch Schwierigkeiten im Automobilsektor, während Österreich in Schlüsselbranchen wie Maschinenbau und Chemie ähnliche Rückgänge verzeichnete.
Ein weiterer belastender Faktor ist die geringe Konsumnachfrage, die sowohl in Deutschland als auch in Österreich durch die hohe Inflation und stagnierende Reallöhne gedämpft wird. Deutschland leidet zusätzlich unter seiner starken Exportabhängigkeit, die durch globale Unsicherheiten beeinträchtigt wird. Österreich hingegen kämpft stärker mit internen strukturellen Problemen, wie etwa einer hohen Steuer- und Abgabenquote von 43 %, die Unternehmen und Konsumenten gleichermaßen belastet.
Industrie und Arbeitsmarkt
Die Industriekrise hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte in Deutschland und Österreich. In Deutschland, wo die Industrie traditionell das Rückgrat der Wirtschaft bildet, gehen die Arbeitsplatzverluste vor allem im Automobilsektor auf den Übergang zur Elektromobilität und den zunehmenden internationalen Wettbewerb zurück. 2023 schrumpfte die Beschäftigung in der Automobilbranche um 3,5 %, was den Verlust von rund 50.000 Arbeitsplätzen bedeutete. Besonders betroffen sind auch mittelständische Zulieferer, die Schwierigkeiten haben, sich an die veränderten technologischen und ökologischen Anforderungen anzupassen.
In Österreich zeigt sich die Deindustrialisierung ebenfalls deutlich, wenn auch in breiter gestreuten Sektoren wie der Metallverarbeitung und der Textilindustrie. Der Anteil offener Stellen im industriellen Sektor erreichte 2023 einen Höchststand von 8,1 %, was den Fachkräftemangel eindrucksvoll unterstreicht. Gleichzeitig ist der hohe Anteil an Teilzeitarbeit ein strukturelles Problem: 28 % der Arbeitskräfte in Österreich arbeiten in Teilzeit, was die produktiven Kapazitäten der Wirtschaft begrenzt und die Löhne unter Druck setzt.
In beiden Ländern sind es jedoch nicht nur die fehlenden Fachkräfte, sondern auch steigende Arbeitskosten, die Unternehmen zwingen, ihre Belegschaften zu verkleinern. 2023 stiegen die Lohnstückkosten in Deutschland um 4,3 % und in Österreich um 3,8 %, was die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zusätzlich belastet.
Steuern, Abgaben und Bürokratie
Beide Länder, Deutschland und Österreich, zählen zu den Spitzenreitern bei der Steuer- und Abgabenquote innerhalb der OECD, was Unternehmen und Arbeitnehmer erheblich belastet und die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. In Österreich liegt die Quote bei etwa 43 %, während Deutschland mit rund 39 % geringfügig niedriger, jedoch immer noch deutlich über dem OECD-Durchschnitt liegt. Diese hohe Belastung wirkt sich direkt auf die wirtschaftliche Dynamik aus, da Unternehmen weniger Mittel für Investitionen zur Verfügung haben und die Kaufkraft der Arbeitnehmer durch hohe Abgaben eingeschränkt wird.
In Deutschland hat die Regierung in den letzten Jahren Maßnahmen zur Verbesserung der Verwaltungsprozesse und Digitalisierung ergriffen. Initiativen wie das Onlinezugangsgesetz (OZG) haben das Ziel, Bürgern und Unternehmen Behördengänge durch digitale Lösungen zu erleichtern. Dennoch bleiben viele Prozesse fragmentiert, und die Umsetzung in den Bundesländern erfolgt unterschiedlich schnell.
Österreich hingegen kämpft weiterhin mit einer schwerfälligen Bürokratie, die Unternehmen vor zusätzliche Herausforderungen stellt. Studien zeigen, dass österreichische Unternehmen im Durchschnitt 25 % mehr Zeit für administrative Anforderungen aufwenden müssen als ihre deutschen Wettbewerber. Besonders im Bereich Genehmigungen und Dokumentation besteht dringender Reformbedarf, da Verzögerungen Investitionen hemmen und Projekte in Schlüsselbereichen wie Energie und Infrastruktur verzögern.
Ohne signifikante Entlastungen und eine Reform der bürokratischen Strukturen drohen beide Länder, weiter an Attraktivität für Unternehmen zu verlieren – mit potenziell langfristigen Folgen für Wachstum und Arbeitsmarkt.
Inflation und Kaufkraft
Die Inflation stellt sowohl in Deutschland als auch in Österreich eine der größten wirtschaftlichen Herausforderungen dar und belastet Haushalte wie Unternehmen erheblich. Während Deutschland im Jahr 2023 eine durchschnittliche Inflationsrate von 6,4 % verzeichnete, lag diese in Österreich mit 7,8 % deutlich höher. Besonders in Österreich sind die Auswirkungen spürbar, da die weniger diversifizierten Energiequellen des Landes dazu führen, dass Energiekosten stark an die Endverbraucher weitergegeben werden.
Energie ist ein zentraler Treiber der Inflation in beiden Ländern. In Österreich stiegen die Preise für Strom und Gas 2023 um 15 %, während in Deutschland ähnliche Preisanstiege von rund 12 % verzeichnet wurden. Diese Unterschiede sind auf strukturelle Faktoren zurückzuführen. Deutschland hat in den letzten Jahren stark in erneuerbare Energien und alternative Lieferanten investiert, während Österreich stärker von Importen und fossilen Energieträgern abhängig geblieben ist.
Die steigenden Energiekosten wirken sich in beiden Ländern auf die Kaufkraft der Bevölkerung aus. In Deutschland sank der reale Konsum 2023 um 0,9 %, während er in Österreich um 1,2 % zurückging. Die höheren Lebenshaltungskosten, insbesondere bei Lebensmitteln, Wohnen und Mobilität, treffen Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen besonders hart. In Österreich verteuerten sich beispielsweise Lebensmittel um durchschnittlich 11 %, in Deutschland um 9 %, was Haushalte vor zusätzliche finanzielle Belastungen stellt.
Unternehmen stehen ebenfalls unter Druck. Die gestiegenen Energiekosten wirken sich direkt auf die Produktionskosten aus, was insbesondere energieintensive Branchen wie Chemie, Metallverarbeitung und Glasherstellung in Schwierigkeiten bringt. In beiden Ländern stiegen die Lohnstückkosten 2023 deutlich an: In Deutschland um 4,3 %, in Österreich um 3,8 %. Diese Entwicklung macht es schwieriger, auf internationalen Märkten wettbewerbsfähig zu bleiben.
Um die Inflation zu bekämpfen, setzen beide Länder auf unterschiedliche Strategien. Deutschland versucht, mit gezielten Entlastungspaketen die Belastungen abzufedern, während Österreich verstärkt auf Preisdeckel bei Energieträgern und direkte Subventionen setzt. Langfristig wird jedoch klar: Ohne strukturelle Reformen und eine stärkere Diversifizierung der Energiequellen werden beide Länder weiterhin unter den inflationären Druck geraten.
Strukturelle Probleme
Deutschland und Österreich stehen vor erheblichen strukturellen Herausforderungen, die ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Deutschland leidet besonders unter einem Investitionsstau in zentralen Bereichen wie Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) fehlen jährlich etwa 45 Milliarden Euro, um die Infrastruktur auf ein modernes Niveau zu bringen. Marode Straßen, veraltete Bahnnetze und ein schleppender Ausbau von Breitbandinternet wirken als Wachstumsbremsen. Ein Beispiel ist der schleppende Ausbau der Schiene: Nur rund 60 % der geplanten Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030 befinden sich in der Umsetzung, was die Logistikkapazitäten erheblich einschränkt.
Die Digitalisierung in Deutschland hinkt ebenfalls hinterher. Im europäischen Vergleich rangiert Deutschland bei der Digitalisierungsrate nur auf Platz 14 von 27 EU-Staaten, was nicht nur Unternehmen, sondern auch Schulen und Behörden betrifft. Diese Rückstände führen dazu, dass Unternehmen weniger wettbewerbsfähig sind und Investitionen in moderne Technologien oft verzögert werden.
Österreich hingegen steht vor der Herausforderung eines unausgeglichenen Rentensystems, das langfristig nicht tragfähig ist. Derzeit entfallen etwa 14 % des Bruttoinlandsprodukts auf Pensionsausgaben, ein Wert, der laut OECD-Prognosen bis 2050 auf über 16 % steigen könnte. Dies stellt eine enorme Belastung für den Staatshaushalt dar und schränkt den finanziellen Spielraum für Investitionen in Zukunftsbereiche wie Klimaschutz, Bildung und Innovation ein.
Zudem erschwert die demografische Entwicklung in beiden Ländern die Situation. In Deutschland wird bis 2035 ein Rückgang der Erwerbsbevölkerung um 5 Millionen Personen erwartet, während Österreich mit ähnlichen Problemen kämpft. Der Fachkräftemangel verschärft diese Entwicklung: In beiden Ländern fehlen in technischen und sozialen Berufen bereits heute zehntausende Arbeitskräfte.
Politische Unsicherheit, insbesondere bei der Energiewende, schwächt zusätzlich das Vertrauen der Unternehmen in Deutschland. In Österreich hingegen sind es hohe bürokratische Hürden und eine im internationalen Vergleich außergewöhnlich hohe Steuer- und Abgabenquote, die Investitionen erschweren. Beide Länder benötigen dringend tiefgreifende Reformen, um die strukturellen Defizite zu überwinden und ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Fazit: Wer ist der "kranke Mann Europas"?
Beide Länder kämpfen mit erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen, jedoch sind die Probleme unterschiedlich gelagert. Deutschland leidet stärker unter einer strukturellen Industriekrise und einem langsameren Anpassungsprozess an globale Veränderungen, während Österreich durch hohe Abgaben, Bürokratie und ein unausgeglichenes Pensionssystem belastet wird.
Während Deutschland aufgrund seiner Größe und Rolle als Motor der EU größere internationale Aufmerksamkeit erhält, sind Österreichs Probleme aufgrund der kleineren Wirtschaftsstruktur potenziell gravierender. Letztlich könnte man sagen, dass beide Länder in ihrer jeweiligen Dimension den Titel "kranker Mann Europas" tragen könnten – ein Weckruf für tiefgreifende Reformen und Investitionen in die Zukunft.