Lenzing-CEO Sielaff : "Steigern Recycling auf bis zu 50 Prozent"

Fashion for good: Mit Textilrecycling und neuartigen Geschäftsmodellen führt Stephan Sielaff den Faserhersteller in die Zukunft.
- © Thomas TopfWer den diplomierten Chemieingenieur Stephan Sielaff in Mischfaserhemd und Polyesterkrawatte zum Interview trifft, dem ist nicht zu helfen. Munter beginnt der Lenzing-CEO die Recyclingfähigkeit der Kleidung seines Gegenübers zu analysieren. "Bei der Farbe, der Zusammensetzung der Materialien und den Hemdknöpfen könnten wir in punkto Recycling womöglich an Grenzen stoßen", schmunzelt er.
Jedoch: Haute Couture hat viele Gesichter. Und Sielaffs Bonmot soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass beim textilen Recycling - von der Baumwoll- bis zur Viskosefaser - zuletzt beachtliche Fortschritte erzielt wurden. So setzt der Faserhersteller auf eine Kooperation mit dem schwedischen Zellstoffproduzenten Södra.
Die Partnerschaft soll die Oberösterreicher in die Lage versetzen, bis 2025 25.000 Tonnen Textilabfälle pro Jahr wiederzuverwerten. Zum Jahreswechsel legte das 8000-Mitarbeiter-Unternehmen aus dem Hausruckviertel nach: In einer Partnerschaft mit Renewcell - die Stockholmer liefern dem Textilhändler H&M tonnenweise einer Circulosefaser - sichert sich Lenzing die Lieferung von bis zu 100.000 Tonnen des "vollrecycelten" Textilzellstoffs. Damit soll der Rezyklatanteil bei den Spezialtextilfasern Tencel und Ecovero auf bis zu 50 Prozent im Unternehmen steigen.
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Mittelfristig plane Lenzing sogar den Bau eigener Recyclinganlagen. Damit würde die Kreislaufführung von Produkten - Lyocellfasern (Tencel) sind biologisch abbaubar und kompostierbar - noch einmal verkürzt. Und energetisch um einiges attraktiver.
Lenzings große Pläne: Jeans und Sneaker ohne Co2
Bis 2024 will Lenzing - man fertigt in der thailändischen Provinz Prachin Buri Co2-neutrale Fasern wie in der oberösterreichischen Heimat - jedenfalls drei Viertel des Faserumsatzes mit Spezialfasern erwirtschaften. Mit der Adaption des indonesischen Werks in West Java ab Juni - eine 150 Millionen Euro schwere Investition, "die uns nicht eine einzige Tonne mehr Fasern bringt" (O-Ton Sielaff) -, soll der Ausstieg aus der Standardviskose gelingen. Zugleich schraubt man an neuen Geschäftsmodellen. Dass bei jenen, "die Co2-Neutralität feiern", meistens der Dresscode Jeans und Sneaker Fürsprache findet, hat bei uns natürlich "Ideenprozesse in Gang gesetzt", sagt Sielaff.
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So wolle man stärker in Kooperationen mit Verarbeitern und Textilunternehmen gehen, um sich die Lieblingsklamotten - eben auch Turnschuhe - in punkto Co2-Neutralität vorzunehmen. Noch heuer könnte es erste Partnerschaften mit Häusern geben, die zwar kollektionsstark sind, aber häufig noch auf alte Fasern setzen. Was Sielaff schon vor der Aufsichsratssitzung im März verraten kann: Für den Zeitraum 2023 bis 2025 würde Lenzing seine ESG-Ziele noch einmal verschärfen, und zwar "deutlich", so der CEO.