Hauptversammlung : KTM-Mutter wird zur Bajaj Industrie AG: Hauptversammlung bringt Bruch mit der Ära Pierer

Pierer Mobility AG Zentrale

Pierer Mobility-Zentrale in Wels 

- © Pierer Mobility AG

Am Mittwoch, dem 19. November 2025, steht bei der PIERER Mobility AG ein bedeutender Einschnitt bevor. Die außerordentliche Hauptversammlung, die ab 10 Uhr im „House of Brands“ in Munderfing stattfindet, soll den Weg für eine weitreichende Neuausrichtung des oberösterreichischen Konzerns ebnen – mit unmittelbaren Folgen auch für die Motorradmarke KTM.

Bereits zum vierten Mal in diesem Jahr sind die Aktionäre zur Abstimmung geladen. Diesmal stehen jedoch keine Routinepunkte auf der Agenda, sondern gleich mehrere grundlegende Änderungen: Die wohl folgenreichste ist der Vorschlag, die Gesellschaft künftig unter dem Namen „Bajaj Mobility AG“ zu führen. Damit würde der indische Mehrheitsaktionär Bajaj auch namentlich zum neuen Markenträger. Gleichzeitig ist geplant, den Firmensitz von Wels nach Mattighofen zu verlegen – also dorthin, wo KTM seit Jahrzehnten beheimatet ist.

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Diese Änderungen haben nicht nur symbolischen Charakter. Sie markieren den Übergang von einem unternehmerisch geprägten Familienunternehmen hin zu einer international strukturierten Holding unter Kontrolle eines börsennotierten Großkonzerns. Stefan Pierer, der KTM Anfang der 1990er-Jahre rettete und das Unternehmen seither maßgeblich prägte, tritt damit auch formell in den Hintergrund: Sein Name verschwindet aus der Unternehmensidentität und aus der Satzung.

Die neuen Eigentümerverhältnisse schlagen sich auch in der Besetzung des Aufsichtsrats nieder. Zur Wahl stehen zwei neue Mitglieder: Pradeep Shrivastava, ein Vertreter der indischen Bajaj-Gruppe, sowie Dr. Wulf Gordian Hauser, ein Vertrauensanwalt mit Nähe zum neuen Haupteigentümer. Parallel dazu soll das Gremium von bislang sechs auf künftig vier gewählte Mitglieder verkleinert werden – ein klares Signal für eine gestraffte Führungsstruktur unter neuer Ägide.

Formale Weichenstellung für den Machtwechsel

Die Beschlussvorschläge des Aufsichtsrats sehen vor, dass alle wesentlichen Maßnahmen – von der Umfirmierung über die Sitzverlegung bis zur Änderung des Unternehmensgegenstands – nur aufgeschoben gültig werden. Konkret bedeutet das: Sie treten erst dann in Kraft, wenn die EU die geplante Anteilsübernahme durch Bajaj Auto International Holdings B.V. nicht untersagt. Hintergrund ist eine im Mai 2025 geschlossene Call-Optionsvereinbarung mit der Pierer Industrie AG, die es Bajaj erlaubt, bis Ende Mai 2026 die Kontrolle über die Gesellschaft zu übernehmen. Die regulatorische Freigabe durch die EU-Kommission gemäß Verordnung (EU) 2022/2560 steht derzeit noch aus – wird aber offenbar als Formsache behandelt.

Vorstand und Aufsichtsrat ziehen an einem Strang

Auch der Vorstand der Pierer Mobility AG unterstützt die weitreichenden Umstrukturierungen. In seinen eigenen Beschlussvorschlägen folgt er dem Aufsichtsrat inhaltlich – einschließlich der neuen Firmierung, des geänderten Firmensitzes sowie der strategischen Neupositionierung als reine Holdinggesellschaft. Die neue Satzung sieht künftig als Unternehmensgegenstand die „Erbringung von Konzern- und Beratungsdienstleistungen“ vor – ein deutliches Signal, dass sich die operative Verantwortung künftig stärker auf Tochtergesellschaften wie KTM verlagert.

Satzungsänderung bringt neues Selbstverständnis

Mit der neuen Satzung wird nicht nur ein formeller Namenswechsel vollzogen – sie definiert auch das Selbstverständnis und die künftige Rolle der Gesellschaft neu. Unter dem Namen Bajaj Mobility AG und mit dem neuen Unternehmenssitz in Mattighofen soll die Gesellschaft nicht länger selbst operativ tätig sein, sondern als reine Holdinggesellschaft agieren. Ihr Zweck ist künftig klar auf die Verwaltung von Beteiligungen und die Erbringung von Konzerndienstleistungen fokussiert – insbesondere im Rahmen der Mobilitätsaktivitäten der Pierer Industrie AG. Der operative Schwerpunkt, etwa die Motorradfertigung unter KTM, bleibt somit auf Tochterebene. Zusätzlich wurden in der Satzung flexible Kapitalmaßnahmen verankert, etwa ein genehmigtes Kapital bis knapp 17 Millionen Euro, das dem Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats ermöglicht, das Grundkapital deutlich zu erhöhen – auch unter Ausschluss des Bezugsrechts. Solche Regelungen deuten auf mögliche Expansionen oder strategische Beteiligungen hin. Klar ausgeschlossen wurde hingegen die Zulassung zum Bankgeschäft. Auch strukturell passt sich das Unternehmen der neuen Konzernlogik an: Sitzungen des Aufsichtsrats können künftig digital per Videokonferenz abgehalten werden, um internationale Entscheidungswege zu erleichtern – ein weiteres Signal für die globale Ausrichtung des Unternehmens.

Was bedeutet das für KTM?

Für KTM selbst bedeutet die Umstrukturierung vorerst keine unmittelbaren Einschnitte im Tagesgeschäft. Die Marke bleibt bestehen, ebenso wie der Produktionsstandort Mattighofen. Doch strategisch dürfte sich der Einfluss aus Indien verstärken. Bereits heute werden viele Einstiegsmodelle in Kooperation mit Bajaj in Pune produziert. Künftig könnten technologische Entscheidungen, Investitionen oder Modellstrategien zunehmend von der neuen Holdingstruktur gesteuert werden. Auch die bisherige Autonomie in Forschung und Entwicklung könnte mittelfristig zur Disposition stehen.

Die Hauptversammlung ist bei dieser Vielzahl an Veränderungen mehr als eine formale Pflichtübung. Sie ist ein Wendepunkt. Aktionäre, die zum Stichtag 9. November 2025 Anteile hielten, sind stimmberechtigt und können persönlich oder über bevollmächtigte Vertreter teilnehmen. Eine Zustimmung zu den geplanten Maßnahmen dürfte als Bestätigung eines neuen Kapitels in der Unternehmensgeschichte gewertet werden – eines Kapitels, das deutlich globaler ausgerichtet ist als je zuvor.

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