KTM unter neuer Führung : KTM-Mutter in indischer Hand: EU genehmigt Übernahme nach Milliarden-Sanierung
Die börsennotierte Muttergesellschaft des oberösterreichischen Motorradherstellers KTM, die Pierer Mobility AG, soll ihren Sitz von Wels nach Mattighofen, wo auch KTM zu Hause ist, verlegen.
- © Pierer Mobility AGNach der Zustimmung der österreichischen Übernahmekommission hat nun auch die EU-Kommission der geplanten Kontrollübernahme durch den indischen Großaktionär Bajaj bei der Pierer Mobility AG grünes Licht erteilt. Damit sind sämtliche regulatorischen Hürden für den Einstieg von Bajaj als kontrollierender Eigentümer des oberösterreichischen Motorradkonzerns genommen. Das formelle Closing des Kontrollwechsels wird in den kommenden Wochen erwartet.
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Wie Pierer Mobility am Montag mitteilte, werde „kein eingehendes Prüfungsverfahren nach der Drittstaatssubventionsverordnung eingeleitet“. Nach Abschluss der Transaktion wird die Bajaj Auto International Holdings B.V. alleinige Eigentümerin der gemeinsamen Holdinggesellschaft Pierer Bajaj AG, die wiederum weiterhin 74,9 Prozent an der Pierer Mobility AG hält. Damit erhält Bajaj die Kontrollmehrheit an der KTM-Mutter, ohne ein Pflichtangebot an die übrigen Aktionäre abgeben zu müssen.
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Pierer Mobility wird zu Bajaj Mobility: Konzernzentrale zieht nach Mattighofen
Die börsennotierte Pierer Mobility AG, Muttergesellschaft des oberösterreichischen Motorradherstellers KTM, steht somit vor tiefgreifenden Veränderungen: Der Sitz des Unternehmens soll von Wels nach Mattighofen, dem Stammsitz von KTM, verlegt werden. Gleichzeitig wird das Unternehmen in „Bajaj Mobility AG“ umbenannt. Diese Entscheidungen gehen aus den Beschlussvorschlägen für eine außerordentliche Hauptversammlung am 19. November hervor.
Hintergrund der Neuausrichtung ist der wachsende Einfluss des indischen Motorradbauers Bajaj, der bereits seit 2007 strategischer Partner von KTM ist. Im Frühjahr hatte Bajaj mit einer Finanzspritze das Überleben der in finanzielle Schwierigkeiten geratenen KTM gesichert. Als Teil des Sanierungsabkommens übernimmt Bajaj nun vollständig das bisherige Joint Venture „Pierer Bajaj“ und damit die Kontrollmehrheit an der Pierer Mobility AG. Die österreichische Übernahmekommission hat dieser Übernahme jüngst unter Verweis auf eine Ausnahmebestimmung im Rahmen des Sanierungsverfahrens zugestimmt – ohne Pflichtangebot an die übrigen Aktionäre.
Führungswechsel bei KTM: Aufsichtsrat wird verkleinert und neu besetzt
Mit der neuen Eigentümerstruktur geht auch eine Neubesetzung des Aufsichtsrats einher: Alle von Ex-CEO Stefan Pierer nominierten Aufsichtsratsmitglieder – darunter der derzeitige Vorsitzende Ewald Oberhammer, Ernst Chalupsky, Michaela Friepeß und Iris Filzwieser – werden ihre Mandate niederlegen. Das Gremium wird von sechs auf vier Mitglieder verkleinert. Neu aufgenommen werden sollen Pradeep Shrivastava und Wulf Gordian Hauser. Ziel dieser Umstrukturierung sei es, KTM „strukturell für die Zukunft konkurrenzfähiger“ zu machen. Dabei stehe weniger die Produktionskostenfrage im Vordergrund, sondern die Optimierung der Stückkosten – unter anderem durch effizienteres Marketing und schlankere Verwaltungsstrukturen.
KTM-Zentrale zieht um: Pierer verliert auch operativ an Einfluss
Auch auf operativer Ebene plant das Unternehmen Veränderungen: Der aktuelle Firmensitz in der Edisonstraße in Wels – in einem Gebäude, das einer Immobiliengesellschaft von Stefan Pierer zugeordnet ist – soll aufgegeben und vollständig nach Mattighofen verlegt werden. Damit soll eine stärkere Integration mit dem operativen KTM-Kerngeschäft ermöglicht werden.
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Grundlage für die Übernahme durch Bajaj ist eine bemerkenswerte Entscheidung der österreichischen Übernahmekommission vom 23. Oktober 2025: Die Übernahme wurde als sogenannter „Sanierungs- oder Umstrukturierungsvorgang“ im Sinne des § 25 Abs. 1 Nr. 2 Übernahmegesetz (ÜbG) eingestuft – und genießt damit eine rechtlich abgesicherte Ausnahmeregelung.
Was auf den ersten Blick wie ein rein technischer Verwaltungsakt erscheint, hat in Wahrheit große Tragweite. Die Kommission erkennt damit an, dass sich Pierer Mobility in einer Phase fundamentaler Umstrukturierung befindet – ausgelöst durch die wirtschaftliche Schieflage von KTM im Frühjahr. Damals war Bajaj als finanzkräftiger Partner eingesprungen, um das Überleben des Traditionsunternehmens zu sichern. Nun geht der indische Konzern den nächsten logischen Schritt: die vollständige Kontrolle über das Unternehmen.
KTM-Neuausrichtung: Übernahmekommission macht Weg für Bajaj frei
Konkret geht es um eine Kaufvereinbarung über 100 Anteile an der gemeinsamen Holding „Pierer Bajaj AG“ sowie eine Call-Option auf bis zu 50.000 weitere Anteile. Beide Verträge stammen aus April/Mai 2025 und stehen noch unter Vorbehalt behördlicher Genehmigungen – etwa im Bereich Fusionskontrolle, Subventionsrecht und Investitionsaufsicht. Doch die Richtung ist klar: Bajaj positioniert sich strategisch als Alleinlenker der KTM-Muttergesellschaft.
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Die Entscheidung der Übernahmekommission bringt für Bajaj nicht nur rechtliche Klarheit, sondern auch erhebliche Vorteile. Ein Pflichtangebot an die Streubesitz-Aktionäre – wie es bei Kontrollerwerb normalerweise vorgeschrieben wäre – bleibt aus. Damit spart sich der Konzern eine kostspielige, womöglich langwierige Prozedur an den Börsenmärkten. Im Gegenzug wurden jedoch Bedingungen auferlegt: Bajaj muss unter anderem sämtliche Transaktionen offenlegen, die wirtschaftlich oder rechtlich mit dem bisherigen Großaktionär Stefan Pierer und dessen Unternehmensnetzwerk zusammenhängen – und das bis Ende 2026.
Diese Transparenzforderung zeigt, dass die Behörden sehr genau auf eine faire und nachvollziehbare Neuausrichtung achten. Gleichzeitig unterstreicht sie die Dimension dieses Eigentümerwechsels: Es geht nicht nur um Anteile, sondern um den Bruch mit einer Ära. Die unternehmerische Handschrift von Stefan Pierer – über Jahrzehnte prägend für KTM – soll sukzessive aus dem Unternehmen verschwinden. Der neue Mehrheitsaktionär Rajiv Bajaj plant, das Unternehmen künftig straffer, internationaler und noch stärker wachstumsorientiert auszurichten.