KNDS Börsengang : Milliardenschwerer Plan: So will KNDS Rheinmetall an der Börse überholen
Inhalt
- Börsengang bei KNDS: Konzern setzt auf Tempo – und politische Weichenstellungen
- KNDS-Fusion ohne echte Integration: Zwei Unternehmen, zwei Systeme, ein Dach
- MGCS als Bewährungsprobe: Kann KNDS beim neuen Kampfpanzer europäisch denken?
- Zwischen Rheinmetall und General Dynamics: Wie weit kann KNDS international wachsen?

Zwei Standorte, zwei Panzer: In Kassel baut KNDS Deutschland den Leopard, in Versailles-Satory fertigt KNDS Frankreich den Leclerc.
- © KNDSHinter der Glasfassade an der Gustav-Mahlerlaan im Bankenviertel von Amsterdam residiert die Holding, die sich anschickt, Europas "Rüstungschampion" zu werden. Doch die eigentliche Macht liegt weit entfernt: in München, wo die Konzernspitze von KNDS Deutschland – ehemals Krauss-Maffei Wegmann – sitzt, in Kassel, wo Leopard-Panzer montiert werden, und in Versailles-Satory, wo KNDS Frankreich – die Nachfolgerin des staatlichen Nexter – den Leclerc baut.
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Diese Zweigleisigkeit prägt die gesamte Geschichte von KNDS. 2015 entstand das Unternehmen als deutsch-französische Fusion, gefeiert als „Airbus des Heeres“. Doch wie beim Luftfahrtvorbild prallen auch hier zwei Welten aufeinander – eine Familienholding auf deutscher Seite, der französische Staat auf der anderen. Der Sitz in Amsterdam ist nicht nur geografisch, sondern vor allem politisch ein Kompromiss.
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Börsengang bei KNDS: Konzern setzt auf Tempo – und politische Weichenstellungen
Kaum zehn Jahre nach der Gründung, bereitet sich der Konzern auf die nächste Etappe vor: den Börsengang. „Ein solcher Schritt ist für 2026 realistisch“, sagt dazu der neue Konzernchef Jean-Paul Alary. „Richtig ist: Unsere Eigentümer und der Verwaltungsrat haben mich gebeten, einen Börsengang als Option vorzubereiten. Und dabei ist Schnelligkeit entscheidend. Bis 2026 muss KNDS bereit sein für einen möglichen IPO.“
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Der Moment scheint günstig: Während Konkurrent Rheinmetall an der Börse Rekorde jagt, kann auch KNDS mit vollen Auftragsbüchern und wachsender Produktion punkten. Das Unternehmen erwirtschaftete 2024 rund 3,8 Milliarden Euro Umsatz, der Auftragsbestand liegt bei 23,5 Milliarden Euro. Über 11.500 Menschen arbeiten für den Konzern – rund 40 Prozent mehr als noch vor drei Jahren. In den deutschen Werken soll die Produktion bis 2028 um 60 Prozent steigen, etwa durch das neue Werk in Görlitz, ein früheres Alstom-Eisenbahnwerk.
Offen bleibt die Frage, wer beim Börsengang einsteigen könnte. Rheinmetall schließt Alary kategorisch aus: „Rheinmetall wird nicht die strategische Ausrichtung bieten, die für KNDS erforderlich ist.“ Auch Airbus oder Thales kommen nicht infrage, Private-Equity-Investoren hingegen schon. Und über allem steht die politische Dimension: In Berlin wird über eine Sperrminorität von 25 Prozent diskutiert.
Alary selbst bleibt vage: „Fest steht, dass es zum jetzigen Zeitpunkt noch keine endgültige Entscheidung gibt, was einen Börsengang angeht.“ Doch selbst wenn die Eigentümer sich einigen, steht KNDS vor einer viel grundsätzlichere Bewährungsprobe: Nationale Interessen müssen überwunden werden – nicht nur zwischen deutscher Familienholding und französischem Staat, sondern auch in der täglichen Zusammenarbeit. Bislang gibt es kaum echte Integration, Leopard und Leclerc laufen weitgehend getrennt, gemeinsame Projekte wie das Main Ground Combat System (MGCS) liegen in der Zukunft. Wer über einen „europäischen Champion“ spricht, muss deshalb zurückschauen: auf die Gründung 2015 und die Widersprüche, die das Unternehmen bis heute prägen.
KNDS-Fusion ohne echte Integration: Zwei Unternehmen, zwei Systeme, ein Dach
2015 schlossen sich Krauss-Maffei Wegmann und Nexter zusammen. Ziel war es, die Kräfte der beiden größten europäischen Hersteller schwerer Landsysteme zu bündeln und so international wettbewerbsfähiger zu werden. Die KNDS Holding fungiert bis heute als Dachkonstruktion, darunter arbeiten die beiden Unternehmen weitgehend eigenständig weiter – mit eigenen Produkten, Prozessen und Unternehmenskulturen. Erst 2024 wurden zumindest die Markennamen angeglichen: Aus KMW und Nexter wurden KNDS Deutschland und KNDS Frankreich.
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Obwohl die Holding nach außen als Einheit auftritt, zeigt der Blick auf die großen Programme, dass Integration bislang eher Anspruch als Realität ist. Der Leopard 2 etwa wird nach wie vor mit zentralen Komponenten von Rheinmetall gebaut – Kanone, Feuerleittechnik und Munition stammen aus Düsseldorf. Damit liegt das Herzstück eines Kernprodukts nicht bei KNDS selbst, sondern beim Rivalen, mit dem man zugleich kooperieren und konkurrieren muss. Auch beim milliardenschweren Auftrag zur Digitalisierung von 10.000 Bundeswehr-Fahrzeugen trat KNDS 2024 nicht allein auf, sondern in einer Arbeitsgemeinschaft mit Rheinmetall – ein Gemeinschaftsprojekt, keine Konzernlösung.
Auf französischer Seite wiederum bleibt KNDS France stark in nationale Programme eingebunden. Der Kampfpanzer Leclerc und die Modernisierung im Rahmen des Programms SCORPION laufen vor allem mit Partnern wie Thales, Arquus oder Safran. Die Aufrüstung zum Leclerc XLR etwa setzt auf französische Technologiepartner für Ziel- und Sensorsysteme – auch hier kaum ein Schulterschluss über den Rhein hinweg.
Zwar gab es Versuche, die Kluft zu überbrücken: Der EMBT, ein Technologiedemonstrator mit Leopard-Fahrwerk und Leclerc-Turm, sollte als „Leo-Clerc“ zeigen, dass Integration möglich ist. Doch ein Messe-Exponat ist noch keine Serie – die Fertigungslinien in Kassel und Versailles-Satory laufen bis heute weitgehend unabhängig.
So bleibt das Bild widersprüchlich: Auf der einen Seite der Anspruch, ein europäischer Champion zu sein. Auf der anderen Seite Produkte, Programme und Allianzen, die zeigen, wie tief nationale Logiken und externe Partner das Unternehmen prägen. Die Synergien, die ein Zusammenschluss klassischerweise freisetzt – Skaleneffekte, Effizienzsteigerungen, gebündelte Entwicklung – sind bei KNDS bislang kaum sichtbar.
MGCS als Bewährungsprobe: Kann KNDS beim neuen Kampfpanzer europäisch denken?
Ausgerechnet beim künftigen Kampfpanzer will KNDS zeigen, dass die beiden Seiten mehr verbindet als trennt. Das Main Ground Combat System (MGCS) soll Leopard und Leclerc ablösen, ein völlig neues System aus bemannten und unbemannten Fahrzeugen hervorbringen – und damit auch beweisen, dass der Konzern mehr ist als die Summe seiner Teile.
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Im April 2025 wurde dazu die MGCS Project Company GmbH gegründet, ein Gemeinschaftsvehikel von KNDS Deutschland, KNDS Frankreich, Rheinmetall und Thales. Hinter dieser Konstruktion verbirgt sich eine komplexe Arbeitsteilung: KNDS Frankreich drängt mit seiner 140-Millimeter-Kanone Ascalon ins Zentrum des neuen Waffensystems, KNDS Deutschland liefert Fahrgestell, Mobilität und Schutzkonzepte, Rheinmetall und Thales übernehmen Feuerleittechnik und Sensorik.
Die Konstruktion steht exemplarisch für die Probleme der europäischen Rüstungsindustrie – und für die Integrationsschwierigkeiten von KNDS im Besonderen. Partner verteidigen ihre Kompetenzfelder, nationale Interessen prägen die Gewichtung; Effizienz und Wirtschaftlichkeit rücken in den Hintergrund.
Der Zeitplan spiegelt diese Spannungen. Was einst 2035 eingeführt werden sollte, rückt inzwischen jenseits von 2040. Während die Technik – vernetzte Sensorik, hybride Antriebe, Drohnenanbindung – enorme Fortschritte verlangt, lähmen Zuständigkeitsfragen und politische Rücksichtnahmen die Geschwindigkeit – in einer Zeit, in der Tempo im Rüstungswettlauf zunehmend zum entscheidenden Erfolgsfaktor wird.
Zwischen Rheinmetall und General Dynamics: Wie weit kann KNDS international wachsen?
Ob KNDS tatsächlich zum europäischen Rüstungschampion aufsteigen kann, entscheidet sich weniger an Aufträgen oder Technologie – beides ist reichlich vorhanden – als an der Fähigkeit, nationale Interessen zu überwinden und die Integration voranzutreiben. Noch marschieren Leopard und Leclerc weitgehend getrennt, noch prägen Familienholding und Staatsbesitz das Tempo. Offen ist auch die Frage, wer künftig den Verwaltungsrat führt: Nach dem Rücktritt von Wolfgang Büchele wird über Tom Enders, den früheren Airbus-Chef, spekuliert. Wer den Vorsitz übernimmt, wird mitbestimmen, wie weit sich KNDS öffnet. Gelingt es, Kapitalmarkt, politische Rückendeckung und industrielle Synergien in Einklang zu bringen, könnte der Konzern nicht nur Rheinmetall einholen, sondern auch zum Beweis werden, dass europäische Industriepolitik im Verteidigungssektor funktioniert.
Gelingt es, Kapitalmarkt, politische Rückendeckung und industrielle Synergien in Einklang zu bringen, könnte der Konzern nicht nur Rheinmetall einholen, das an der Börse längst europäische Maßstäbe setzt, sondern sich auch international in eine Liga mit den Schwergewichten General Dynamics (USA) oder Hyundai Rotem (Südkorea) vorarbeiten. Noch ist KNDS weit davon entfernt, deren Größe und globale Präsenz zu erreichen. Doch die Ausgangslage ist günstig – volle Auftragsbücher, wachsende Kapazitäten und ein Markt, der durch die Aufrüstung in Europa enorm wächst.
Ob KNDS wirklich Europas „Airbus des Heeres“ wird – oder ein halbfertiger Torso bleibt – entscheidet sich nicht in Amsterdam, sondern in München und Versailles.