Stahlindustrie Österreich : Voestalpine-Chef Eibensteiner: "Wir verlieren gegenüber unseren internationalen Peers an Wettbewerbsfähigkeit"

Voestalpine-CEO Herbert Eibensteiner wünscht sich die rasche Bildung einer neuen Bundesregierung, von der er sich Maßnahmen zur Reduktion der Arbeits- und Energiekosten erwartet.
- © ivVoestalpine-CEO Herbert Eibensteiner plädiert für eine zügige Bildung einer neuen Bundesregierung in Österreich. Er erwartet von dieser Maßnahmen zur Reduktion der Arbeits- und Energiekosten sowie eine "Eindämmung der Regulierungs- und Berichtsflut". Zudem fordert Eibensteiner ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union, insbesondere im Hinblick auf die Exportorientierung des Unternehmens. Eine Verschärfung der Klimaziele im Alleingang der EU hält er für kontraproduktiv, wie er am Dienstagabend in Wien betonte.
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"Wir verlieren gegenüber unseren internationalen Peers an Wettbewerbsfähigkeit", warnte Eibensteiner eindringlich. Für ihn steht fest: Neue Steuern für Unternehmen dürfen nicht eingeführt werden, stattdessen sollten Arbeitskosten und bürokratische Auflagen gesenkt werden. Die Arbeitskosten in Österreich seien seit Anfang 2019 um 30 % gestiegen – ein erheblicher Unterschied im Vergleich zu Deutschland (+19 %) und dem EU-Durchschnitt (+23 %). Ziel müsse es sein, die Kosten zumindest auf das europäische Niveau zu senken.
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Energiekosten als erhebliche Belastung
Eibensteiner sieht auch die Energiekosten als große Herausforderung. Hier sei die EU gegenüber den USA klar im Nachteil, was sich seit dem Ukraine-Krieg weiter verschärft habe. Laut Eibensteiner zahlten europäische Unternehmen 2020 für Erdgas bereits 60 % mehr als US-amerikanische Konkurrenten, während der Preis inzwischen viereinhalb Mal so hoch sei. Beim Strom ist die Lage noch dramatischer: Während die Stromkosten in Österreich früher nur geringfügig höher lagen, sind sie mittlerweile fünfmal so hoch wie in den USA. Der CEO fordert eine Verlängerung der Strompreiskompensation bis 2030.
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Eibensteiner kritisiert zudem den extremen Fokus der EU auf Klimaschutz, der die Wettbewerbsfähigkeit erheblich beeinträchtigt habe. Während Chinas Wirtschaft seit 2019 um 25 % und die der USA um 12 % gewachsen sei, habe die EU nur ein Plus von 5 % erzielt. Besonders Deutschlands Wirtschaft stagniere, während Österreich mit einem BIP-Wachstum von lediglich 2 % zu den Schlusslichtern gehöre.
"Deutschland ist unser schlechtester Markt", erklärte Eibensteiner und führte den rückläufigen Bedarf im Automobilsektor, hohe Energie- und Personalkosten sowie die schwache Konjunktur als Gründe an. Konsequenterweise hat sich Voestalpine von der defizitären Buderus Edelstahl getrennt. Zudem wird die voestalpine Automotive Components in Birkenfeld geschlossen, was 220 Arbeitsplätze betrifft. Insgesamt sollen die deutschen Standorte in den nächsten 18 Monaten von 2.700 auf 2.000 Mitarbeiter reduziert werden.
Deutschland ist unser schlechtester Markt.Herbert Eibensteiner
EU-Industriepolitik: Draghi-Bericht als Leitfaden
Im Kontext des "Clean Industrial Deal" fordert Eibensteiner, den Draghi-Bericht der EU-Kommission stärker zu berücksichtigen. Dieser schlägt vor, das Ende der kostenlosen EU-ETS-Zertifikate im Rahmen des neuen CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM) kritisch zu prüfen.
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Ein zentraler Punkt ist die kritische Überprüfung des geplanten Endes der kostenlosen EU-ETS-Zertifikate (Emission Trading System). Diese Zertifikate erlauben Unternehmen bisher, einen Teil ihrer CO₂-Emissionen ohne Zusatzkosten zu kompensieren. Ihr Auslaufen würde die Produktionskosten europäischer Unternehmen erheblich erhöhen. Das neue CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM – Carbon Border Adjustment Mechanism) soll zwar Importe belasten, die unter weniger strengen Klimaschutzvorgaben produziert wurden, könnte aber kurzfristig nicht alle Mehrkosten ausgleichen.
Eibensteiner warnt, dass eine unbedachte Umsetzung die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen auf dem Weltmarkt gefährden könnte. Er plädiert für eine schrittweise Anpassung und betont, dass Klimaschutz und wirtschaftliches Wachstum in Einklang gebracht werden müssen, um Arbeitsplätze und Investitionen in Europa zu sichern.
Gelassenheit gegenüber US-Zöllen
Herbert Eibensteiner, CEO der Voestalpine, zeigt sich angesichts der höheren Zölle, die die USA auf importierte Waren erheben, relativ gelassen. Der Grund für seine Zuversicht liegt in der Produktionsstrategie des Unternehmens: Mehr als die Hälfte der Produktion in den USA erfolgt durch lokale Wertschöpfung. Das bedeutet, dass ein Großteil der Produkte direkt vor Ort hergestellt wird, wodurch die Belastung durch Importzölle deutlich geringer ausfällt.
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Zudem betont Eibensteiner die besondere Marktstellung der Voestalpine. Viele Produkte, die aus Österreich in die USA exportiert werden, sind hochspezialisierte Anfertigungen, für die es auf dem amerikanischen Markt keine Alternativen gibt. Diese Nischenprodukte, beispielsweise bestimmte Stahllösungen für die Luftfahrt oder die Automobilindustrie, sind für die Kunden so essenziell, dass sie bereit sind, die anfallenden Zölle zu bezahlen. „Wenn die wer haben will, muss er den Zoll zahlen“, bringt es Eibensteiner auf den Punkt.
Die Voestalpine ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Österreich. Mit 23.600 Beschäftigten trägt das Unternehmen 7,7 Mrd. Euro zur Wertschöpfung bei. In den letzten zehn Jahren wurden 5,6 Mrd. Euro investiert. Besonders hervorzuheben ist das Klimaschutzprojekt "greentec steel", das mit 1,5 Mrd. Euro das größte seiner Art in Österreich ist. Bereits 310 Mio. Euro davon sind investiert, und das Projekt liegt im Zeit- und Kostenplan. Ab 2027 sollen Elektrolichtbogenöfen in Linz und Donawitz in Betrieb gehen, um die CO₂-Emissionen drastisch zu senken.