Russisches Gas : Keine Gasengpässe: So sichert Österreich seine Energieversorgung für die nächsten zwei Winter

Download von www.picturedesk.com am 03.12.2024 (10:25). Gasanschluss mit gelben Rohren und einem Metallregler, eingebettet in einen kleinen Wandschrank mit Glast?r und beschriftet mit 'Gashaupthahn' auf einem roten Etikett. - 20240101_PD6725 - Rechteinfo: Rights Managed (RM)

Auch wenn die Ukraine ab dem 1. Jänner 2025 kein russisches Gas mehr nach Westen durchlassen sollte, wird es in den nächsten zwei Wintern keinen Gasmangel in Österreich geben

- © Werner Kerschbaummayr / fotokerschi / picturedesk.com

Trotz eines möglichen Endes des russischen Gastransits durch die Ukraine ab dem 1. Januar 2025 wird Österreich in den kommenden zwei Wintern keinen Gasmangel erleben, versichert E-Control-Vorstand Alfons Haber. "Importe von russischem Gas über die Ukraine und die Slowakei nach Baumgarten können durch Importe über Deutschland und Italien vollständig ersetzt werden", erklärte Haber vor Journalisten in Wien.

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Carola Millgramm, Leiterin der Gas-Abteilung bei der E-Control, betonte: "Dieses Szenario, dass jemand in Europa erfrieren muss, das gibt es nicht." Solche Annahmen seien "an den Haaren herbeigezogen". Der Gasmarkt sei liquide, die Gasspeicher gut gefüllt, und seit der ersten Gaskrise 2009 habe man europäische Sicherheitsmaßnahmen etabliert. Zudem existiert die europäische Versorgungssicherheitsverordnung mit Solidaritätsmechanismen für geschützte Kunden.

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- © Industriemagazin

Reduzierter Gasverbrauch

Haber wies darauf hin, dass die notwendige Transportkapazität für den Import nicht-russischen Gases inzwischen vorhanden sei. "Seit dem 1. Oktober hat sich die Importkapazität über Italien auf 95 Terawattstunden (TWh) pro Jahr erhöht. In Deutschland liegt die Importkapazität bei 90 TWh." Zum Vergleich: 2021 betrug Österreichs Gasverbrauch 96 TWh, 2023 waren es nur noch 75,64 TWh, was einer Reduktion von rund 21,4 Prozent entspricht. Auch für das laufende Jahr wird ein Verbrauch von etwa 75 TWh erwartet. Der gesamteuropäische Verbrauch liegt bei 3.600 TWh pro Jahr.

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Über Deutschland gelangen vor allem norwegisches Pipeline-Gas und US-amerikanisches Flüssigerdgas (LNG) nach Österreich. Der italienische Gasmarkt bezieht hauptsächlich algerisches Pipeline-Gas sowie LNG-Lieferungen. Wichtige LNG-Terminals für Österreich befinden sich in den Niederlanden, Belgien, Deutschland und Norditalien. In Belgien und Italien stammt ein signifikanter Anteil des Gases aus Katar. Laut E-Control liegt der Anteil von US-LNG in Belgien bei rund 20 Prozent und in Italien bei etwa 40 Prozent.

Dieses Szenario, dass jemand in Europa erfrieren muss, das gibt es nicht.
Carola Millgramm, Leiterin der Gas-Abteilung bei der E-Control

Aktueller Füllstand der Gasspeicher

Ab 2027 ist eine Verstärkung der Importroute über Deutschland durch den Ausbau der West-Austria-Gasleitung (WAG-Loop) geplant, wodurch die Importkapazität aus Deutschland auf 117 TWh pro Jahr steigen soll, so Haber. Österreich hat zudem eine strategische Gasreserve von 20 TWh aufgebaut und dafür 3,95 Milliarden Euro investiert. Die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung dieser staatlichen Reserve wurde vom Nationalrat vorerst bis zum 1. April 2026 verlängert.

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Derzeit sind die österreichischen Gasspeicher zu 90 Prozent gefüllt, mit rund 92 TWh eingelagertem Gas. Haber widersprach jüngsten Falschmeldungen, wonach nur ein geringer Anteil des gespeicherten Gases für den österreichischen Markt verfügbar sei. Tatsächlich sind von den 92 TWh etwa 33 TWh für österreichische Endkunden reserviert, weitere 16 TWh werden "mit hoher Wahrscheinlichkeit" auf dem österreichischen Gasmarkt verbleiben. Ein Teil der Speicherkapazitäten wird von ausländischen, meist deutschen, Kunden genutzt. Diese haben die Möglichkeit, ihre Mengen auf dem virtuellen Handelsplatz in Österreich zu handeln und somit österreichischen Gaskunden zur Verfügung zu stellen. Entscheidend hierfür ist der Preisunterschied auf den Großhandelsmärkten.

ABD0092_20220701 - HAIDACH - ?STERREICH: ++ THEMENBILD ++ ZU APA0091 VOM 1.7.2022 - Ein Teil der Gasspeicherstation Haidach bei Stra?walchen in Salzburg am Freitag, 01. Juli 2022. Russlands Staatskonzern Gazprom steht kurz davor, seine Nutzungsrechte f?r den Gasspeicher in Haidach (Salzburg) zu verlieren. - FOTO: APA/BARBARA GINDL
Gas-Speicher in Haidach - © APA/BARBARA GINDL

Unabhängigkeit von russischem Gas bis 2027

Die Gasspeicher werden von der OMV und der RAG Austria betrieben. Gas aus dem RAG-Speicher Haidach ist mittlerweile sowohl an das österreichische Fernleitungsnetz als auch an das Gasverteilernetz angeschlossen. Die Bundesländer Tirol und Vorarlberg werden über Deutschland mit Erdgas versorgt.

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Mit dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 stand Österreichs Energiepolitik vor neuen Herausforderungen. Zu diesem Zeitpunkt stammten etwa 80 Prozent der österreichischen Gasimporte aus Russland. In den folgenden Monaten unternahm die österreichische Regierung Anstrengungen, die Abhängigkeit zu reduzieren. Im September 2022 sank der Anteil russischen Gases an den Importen auf rund 21 Prozent.

Allerdings zeigte sich in den darauffolgenden Monaten eine gegenläufige Tendenz. Im Dezember 2022 stieg der Anteil russischen Gases an den österreichischen Importen wieder auf geschätzte 71 Prozent. Im Januar 2023 erreichte dieser Anteil sogar 97 Prozent. Finanziell bedeutete dies, dass Österreich im Jahr 2023 rund 3,7 Milliarden Euro für russisches Gas ausgab.

Die österreichische Regierung hat das Ziel formuliert, bis 2027 vollständig von russischem Gas unabhängig zu werden. Dafür sind jedoch erhebliche Investitionen in alternative Energiequellen und Infrastrukturprojekte erforderlich. Die jüngsten Entwicklungen, einschließlich der Ankündigung Russlands, die Gaslieferungen an Österreich ab November 2024 einzustellen, unterstreichen die Dringlichkeit dieser Bemühungen.

Anteile bei ?sterreichs Gasimporten, Anteil aus Russland, Anteil anderer Importl?nder; Quelle: energie.gv.at/ENTSO-G/E-Control; Die Auslieferung der APA-Grafiken als Embed-Code ist ausschlie?lich Kunden mit einer g?ltigen Vereinbarung f?r Grafik-Pauschalierung vorbehalten. Dabei inkludiert sind automatisierte Schrift- und Farbanpassungen an die jeweilige CI. F?r weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unser Grafik-Team unter grafik@apa.at. GRAFIK 1551-24, 88 x 104 mm
Russische Gasimporte in Österreich - © APA

Europas Dilemma mit russischem Gas

Der aktuelle Vertrag zwischen Gazprom und Naftogaz, der seit 2020 als einer der letzten Energieverbindungen zwischen Russland und Europa gilt, läuft am 31. Dezember 2024 aus. Kiew hat bereits angekündigt, den Gastransit nicht mehr fortsetzen zu wollen – eine klare Reaktion auf den anhaltenden russischen Angriffskrieg. Dennoch scheint Europa, insbesondere in Osteuropa, wenig vorbereitet, alternative Bezugsquellen kurzfristig vollständig zu erschließen. Länder wie Ungarn und die Slowakei könnten besonders stark betroffen sein.

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Die EU hat zwar nach dem russischen Überfall auf die Ukraine intensiv daran gearbeitet, ihre Energieabhängigkeit zu reduzieren, doch Kritiker bemängeln, dass die Diversifizierungsstrategie nicht ausreichend vorangekommen ist. Während der Ausbau von LNG-Terminals und neue Pipelinekapazitäten, etwa aus Algerien und Norwegen, Fortschritte machen, bleibt unklar, ob diese Alternativen die wegfallenden russischen Lieferungen tatsächlich ersetzen können – insbesondere in extrem kalten Wintern.

Auch die langfristigen Kosten der Umstellung sind umstritten. Flüssiggas (LNG), vor allem aus den USA, ist nicht nur erheblich teurer, sondern birgt auch ökologische Herausforderungen. Zudem gibt es Zweifel an der Stabilität der neuen Lieferketten, da viele Gasexporteure selbst unter geopolitischen Spannungen und internen Krisen leiden.

Für Russland bedeutet das Ende des Transits nicht nur den Verlust eines bedeutenden Einnahmepostens, sondern auch das Ende eines wichtigen geopolitischen Druckmittels. Gleichzeitig verliert die Ukraine eine Einnahmequelle, die in den vergangenen Jahren etwa eine Milliarde US-Dollar jährlich einbrachte. Angesichts des immensen finanziellen Drucks durch den Krieg könnte der Verlust für Kiew schwer wiegen.

Russland zeigt sich zumindest offiziell verhandlungsbereit: Präsident Wladimir Putin erklärte, man sei bereit, weiterhin Gas durch die Ukraine zu liefern – ein Angebot, das angesichts der politischen Realität kaum glaubwürdig erscheint.

Gazprom Österreich
Gazprom Austria meldete im April 2023 Insolvenz an - © Gazprom