Thyssenkrupp Marinesparte : TKMS vor Börsengang – bleibt der Bund doch im Spiel?

U-Boote als Hoffnungsträger: Während andere Sparten schrumpfen, erlebt Thyssenkrupp Marine Systems im Rüstungsboom einen historischen Aufschwung.
- © thyssenkruppU-Boot-Aufträge, volle Werften, Milliardenumsätze – und nun der geplante Börsengang: Die Marinesparte von Thyssenkrupp, TKMS, wächst rasant. Doch wer künftig Kontrolle über den strategisch wichtigen Schiffbauer hat, bleibt umstritten. Ein Medienbericht, wonach sich der Bund endgültig aus Überlegungen zu einem Einstieg zurückziehe, sorgt für Verwirrung. Das Verteidigungsministerium widerspricht: Man sei weiter im Gespräch mit dem Konzern – und wolle die Interessen des Bundes berücksichtigt wissen.
Die Marine-Sparte gilt als sicherheitsrelevantes Schlüsselunternehmen. In Zeiten des Rüstungsbooms rund um die NATO und gestiegener geopolitischer Spannungen wird TKMS zunehmend systemrelevant – und politisch sensibel.
Börsengang statt US-Deal – und die Frage nach dem Staatseinfluss
Der geplante Minority-Spin-Off soll TKMS an die Börse bringen, ohne dass Thyssenkrupp die Mehrheit abgibt. Aktionäre würden zusätzliche TKMS-Aktien erhalten, um diese frei handeln zu können. Der entscheidende Beschluss steht für den 8. August auf der Agenda – dann findet eine außerordentliche Hauptversammlung statt.
Ursprünglich war eine andere Lösung vorgesehen: Die US-Investmentfirma Carlyle wollte bei TKMS einsteigen, begleitet von einer Sperrminorität des Bundes. Doch dieser Deal platzte – offenbar am Widerstand des damaligen Wirtschaftsministeriums unter Robert Habeck. Stattdessen verfolgt Thyssenkrupp nun den Weg an die Börse – unter Beibehaltung der Kontrolle.
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Regierung widerspricht Rückzugs-Bericht
Das Handelsblatt hatte berichtet, der Bund nehme Abstand von einem Einstieg und verhandle aktuell nicht mehr über einen Anteilserwerb. Doch ein Sprecher des Verteidigungsministeriums dementierte das: Man befinde sich weiterhin in Gesprächen mit Thyssenkrupp über die künftige Struktur von TKMS – ohne jedoch Details zu nennen.
Auch eine „Sicherheitsvereinbarung“ sei im Gespräch: Damit will die Bundesregierung sicherstellen, dass zentrale Interessen – etwa Landesverteidigung und Beschäftigung – auch nach der Abspaltung geschützt bleiben. Ein Einstieg sei zwar aktuell nicht vorgesehen, aber offenbar nicht vom Tisch.
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Gewerkschaft drängt – Stiftung prüft Einstieg
Die IG Metall macht weiter Druck: „Die Frage eines Staatseinstiegs muss in den nächsten Wochen geklärt werden“, fordert Küste-Bezirkschef Daniel Friedrich. Auch Jürgen Kerner, IG-Metall-Vize und Aufsichtsrat bei Thyssenkrupp, betonte zuletzt: Das Ziel bleibe ein Einstieg des Staates.
Gleichzeitig prüft auch die RAG-Stiftung einen Einstieg bei einem möglichen Börsengang. Man schließe Investitionen in Rüstungsunternehmen nicht aus, hieß es am Mittwoch – die Stiftung wolle sich „mit dem Thema auseinandersetzen“, sobald es konkret werde.
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Boom in der Werft – Wismar wird Schlüsselstandort
Parallel zum Börsenprozess schreibt TKMS weiter Wachstumszahlen: Der Umsatz der Marinesparte lag 2023/24 bei 2,2 Milliarden Euro, ein Plus von über 30 Prozent. Der Gewinn stieg auf 125 Millionen Euro, das Auftragsvolumen beträgt rund 18 Milliarden Euro. Produziert werden U-Boote, Fregatten und Spezialtechnik zur Munitionsräumung.
In Wismar, wo Thyssenkrupp 2022 die insolvente Werft von Genting übernommen hatte, beginnt bald der Bau des neuen Forschungsschiffs Polarstern II. Zudem laufen die Vorbereitungen für die Fregatte F127 – in Kooperation mit der NVL-Gruppe. Bis 2030 sollen in Wismar rund 1.500 neue Arbeitsplätze entstehen.
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Fazit: Sicherheitspolitik trifft Kapitalmarkt
Die Zukunft von TKMS entscheidet sich nicht nur auf den Werften – sondern auch zwischen Verteidigungsministerium, Aktionären und Aufsichtsräten. Der geplante Börsengang bringt Kapital und Eigenständigkeit. Doch ohne staatliches Sicherheitsnetz ist er politisch nicht ohne Risiko.
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Video: Die Krise und der Umbau bei Thyssenkrupp
Die Debatte um TKMS ist nur ein Ausschnitt eines viel größeren Wandels: Thyssenkrupp steht vor dem wohl radikalsten Umbau seiner Konzerngeschichte. Nach Jahren strategischer Fehlentscheidungen könnte der einstige Industriegigant zerschlagen werden – eine Zäsur für die deutsche Industrie.
INDUSTRIEMAGAZIN-News wirft einen Blick auf das verbliebene Firmengeflecht – und zeigt, wie sich Thyssenkrupp künftig aufstellen wird.