Kreislaufwirtschaft Stahlindustrie : Stahlrecycling am Limit: Warum Kreislaufwirtschaft in der Stahlindustrie nicht reicht – und wie Österreich an grünen Lösungen arbeitet

Stahl Recycling Altmetall

Der Anteil von recyceltem Material in der globalen Stahlproduktion stagniert seit Jahren.

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Der Anteil von recyceltem Material in der weltweiten Stahlproduktion bleibt seit Jahren nahezu unverändert. Eine internationale Studie mit Beteiligung der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) belegt: Seit rund 20 Jahren stagniert der Recyclinganteil in der Stahlherstellung bei etwa 30 Prozent. Obwohl global rund 85 Prozent des Altstahls gesammelt und wiederverwertet werden, reicht das Aufkommen an recyceltem Stahl bei Weitem nicht aus, um die stark wachsende Nachfrage zu decken.

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„Stahl wird politisch oft als Musterbeispiel für funktionierende Kreislaufwirtschaft dargestellt“, erklärt Dominik Wiedenhofer vom BOKU-Institut für Soziale Ökologie, der das Projekt auf österreichischer Seite leitet. Die Realität sehe jedoch anders aus: „Die massiv steigende Nachfrage hat eigentlich jeden Fortschritt im Recycling konterkariert.“ Laut Wiedenhofer hat sich der weltweite Bergbau für Stahl seit dem Jahr 2000 verdreifacht – ein alarmierender Befund im Hinblick auf Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit.

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Internationale Analyse zeigt Defizite in der Stahl-Kreislaufwirtschaft

Die Studie basiert auf umfassenden Daten aus den Jahren 2000 bis 2019 und bezieht die 30 größten Produzenten von Rohstahl weltweit ein. Neben der BOKU wirkten auch das National Institute for Environmental Studies in Japan, die Universität Leiden in den Niederlanden sowie das Institute for Sustainable Futures der University of Technology Sydney in Australien mit.

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Die Recyclingquoten variieren stark zwischen den Ländern – sie reichen von lediglich 10 bis hin zu 90 Prozent. Länder mit hohen Recyclinganteilen profitieren häufig davon, dass andere Staaten weiterhin stark auf primäre Stahlproduktion setzen. Diese globale Verflechtung erschwert eine objektive Bewertung nationaler Fortschritte in Sachen Kreislaufwirtschaft.

Zur besseren Visualisierung dieser internationalen Zusammenhänge wurde im Zuge des Projekts eine interaktive Online-Plattform entwickelt. Die Anwendung stellt weltweite Stahlflüsse und Recyclingpfade dar und ist öffentlich zugänglich. 

Dominik Wiedenhofer, BOKU
Dominik Wiedenhofer, BOKU - © BOKU

"Grüner Stahl" oft auf Kosten anderer Länder produziert

„Ein Teil der ressourcenintensiven Industrie ist ausgelagert“, so Wiedenhofer. „Manche Länder können sich dann relativ einfach als besonders zirkulär oder fortschrittlich darstellen – auf Kosten anderer.“ Der vermeintlich nachhaltige „grüne Stahl“ in Europa basiere daher häufig auf importiertem Schrott oder auf ausgelagerter Hochofenproduktion in Ländern mit weniger strengen Umweltauflagen.

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Das Forschungsteam warnt daher vor einem zu engen Fokus auf nationale Recyclingquoten. „Die Stahlindustrie ist hochgradig international verflochten. Wenn wir ernsthaft über Kreislaufwirtschaft reden, müssen wir auch global denken“, betont Wiedenhofer. Neben der Stärkung des Recyclings sei es entscheidend, die ressourcen- und CO2-intensive Neuproduktion von Stahl zu reduzieren und bestehende Stahlressourcen effizienter zu nutzen.

Die Stahlindustrie ist hochgradig international verflochten. Wenn wir ernsthaft über Kreislaufwirtschaft reden, müssen wir auch global denken.
Dominik Wiedenhofer, BOKU-Institut für Soziale Ökologie

Stahlrecycling in Österreich

In Österreich spielt das Stahlrecycling eine zentrale Rolle in der industriellen Kreislaufwirtschaft. Im Jahr 2017 wurden etwa 1,5 Millionen Tonnen Stahlschrott für die Stahlherstellung eingesetzt, wobei 58 % importiert und 42 % aus inländischen Quellen stammten. Der Bedarf an Schrott wird in den kommenden Jahren voraussichtlich steigen, insbesondere durch den geplanten Umstieg von der Hochofenroute auf Elektrolichtbogenöfen, was eine Steigerung des Schrottbedarfs um 70 bis 100 % zur Folge haben könnte. Obwohl Österreich eine ausgeglichene Import-Export-Bilanz beim Schrotthandel aufweist, bestehen Herausforderungen hinsichtlich der Qualität und Sortierung des verfügbaren Schrotts. Insbesondere Altschrott weist oft Verunreinigungen auf, die seine Nutzung für die Herstellung von Hochleistungsstählen einschränken. Um das volle Potenzial des Stahlrecyclings auszuschöpfen, sind Investitionen in die Schrottaufbereitung und -sortierung erforderlich, um die Qualität des verfügbaren Materials zu verbessern und den steigenden Bedarf zu decken. 

Innovative Metallrückgewinnung: Österreichisches Projekt setzt neue Maßstäbe im Stahlrecycling

Die Metallindustrie zählt zu den energieintensivsten Wirtschaftsbereichen weltweit. Vor dem Hintergrund zunehmender Rohstoffknappheit, wachsender Entsorgungskosten und sinkender Deponiekapazitäten wächst das Interesse an effizienten Methoden zur Wiederverwertung von Sekundärrohstoffen. „Wir müssen die Technologien verbessern und noch stärker an Lösungen des Circular Engineering denken, damit wir die Herausforderungen, vor denen die heimische Industrie steht, bewältigen können“, betonte Helmut Antrekowitsch, Vizerektor für Forschung und Nachhaltigkeit an der Montanuniversität Leoben.

Bei der Produktion von Edelstahl entsteht ein oft übersehener, aber bedeutsamer Nebenstrom: Pro Tonne Stahl fallen bis zu 40 Kilogramm metallhaltiger Staub an. Diese Stäube enthalten wertvolle Metalle wie Chrom, Nickel und Zink. Ihre Rückgewinnung stellt jedoch eine große technische Herausforderung dar – zugleich ist die Deponierung problematisch und kostspielig. Ein neues, in Österreich entwickeltes Konzept zur nachhaltigen Metallrückgewinnung aus Edelstahlstäuben soll hier Abhilfe schaffen.

In der klassischen Metallrückgewinnung dominieren bislang pyrometallurgische Verfahren: Durch Erhitzen auf bis zu 1.500 Grad Celsius werden metallische Bestandteile abgeschieden. Doch diese Methoden sind energieintensiv und verursachen hohe Emissionen. Das nun entwickelte Verfahren setzt hingegen auf die vergleichsweise energiesparende Hydrometallurgie. Dabei wird der Stahlwerkstaub in chemische Lösungen – sogenannte Laugungsmedien – eingebracht, um die enthaltenen Metalle zu extrahieren.

Die Metallproduktion zählt zu den energieintensivsten Industriesektoren. Zugleich bringen der Klimawandel, Rohstoffknappheit, sinkende Deponiekapazitäten und erhebliche Entsorgungskosten ein gesteigertes Interesse an innovativen Rückgewinnungskonzepten.

- © APA/dpa-Zentralbild/Martin Schutt

Salzsäure als effizienteste Lösung identifiziert

„Andritz arbeitet intensiv daran, Nebenprodukte der Metallproduktion nicht als Abfall, sondern als Ressource und Chance zu sehen. Dazu brauchen wir die starken universitären Einheiten, die uns dabei helfen, die Kreislaufwirtschaft durch innovative, nachhaltige Lösungen voranzutreiben“, erklärte Arthur Stingl, Senior Vice President Processing Lines and Strip Furnaces bei Andritz.

Im Forschungsprojekt analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunächst die Zusammensetzung der Staubproben aus der Edelstahlproduktion. Anschließend wurden verschiedene Laugungsmedien wie Salzsäure, Essigsäure und Zitronensäure hinsichtlich ihrer Wirksamkeit untersucht. „Dann haben wir evaluiert, welches der verschiedenen Laugungsmedien – u. a. Salzsäure, Essigsäure und Zitronensäure – am besten funktioniert, um Chrom, Nickel und Zink aus dem Stahlwerkstaub zu gewinnen“, erklärte Stefan Steinlechner, Projektleiter am Lehrstuhl für Nichteisenmetallurgie der Montanuni Leoben. Das überzeugendste Ergebnis lieferte Salzsäure: „Im Zuge der Versuche zur Optimierung der Extraktion zeigte sich, dass für Chrom Extraktionsraten von rund 70 Prozent und über 95 Prozent für Zink und Nickel erzielt werden konnten“, so Steinlechner. Der nächste Schritt sei nun die Evaluierung der Wirtschaftlichkeit und das technische Upscaling.

Förderung grüner Technologien in der Steiermark

Die Entwicklung des Verfahrens wurde unter anderem durch die Förderinitiative „Green Tech X“ unterstützt. Unter Federführung des Zukunftsfonds Steiermark, in Kooperation mit der Austrian Society for Metallurgy and Materials (ASMET) sowie namhaften Industrieunternehmen wie voestalpine High Performance Metals, Marienhütte, Primetals Technologies, Andritz und Saubermacher, wurden in den Jahren 2022 und 2023 insgesamt 2,5 Millionen Euro für Projekte im Bereich Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz bereitgestellt. „Wir reden nicht nur von Grüner Technologie, wir leben sie“, unterstrich Wirtschafts- und Forschungslandesrat Willibald Ehrenhöfer (ÖVP) bei der Projektpräsentation.

Abseits des Stahlrecyclings vermeldete Andritz am Dienstag zudem den erfolgreichen Start einer weiteren Schuhpresse bei Lee & Man Paper in Malaysia. Die integrierte Anlage ermögliche laut Unternehmensangaben erhebliche Energieeinsparungen sowie eine verbesserte Maschinenleistung und Produktqualität – ein weiterer Schritt in Richtung nachhaltiger Industrieproduktion.