Dass Gegengeschäfte rechtlich möglich und sinnvoll sind, steht für die beiden Juristen außer Zweifel – sofern sie „transparent, kalkulierbar und kontrollierbar“ gestaltet werden. Marboe betont, dass das Vergaberecht als „Spezialzivilrecht“ dem öffentlichen Auftraggeber großen Spielraum lässt – solange die Grundprinzipien wie Gleichbehandlung und Transparenz gewahrt bleiben. Das bedeutet aber auch: Offset-Deals müssen vorab definiert und klar in die Bewertung von Angeboten einbezogen werden.
Essletzbichler ergänzt: „Es bringt nichts, ein Angebot hoch zu bewerten, wenn man später bei der Vertragsabwicklung nicht prüfen kann, ob die versprochenen Gegengeschäfte auch tatsächlich erfüllt werden.“ In der Vergangenheit sei genau das passiert: Bewertung und Vollzug hätten nicht zusammengepasst.
Europa rüstet auf – Österreich zieht nach
„Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter – nicht nur national, sondern auch europäisch“, sagt Marboe. Hintergrund sind geopolitische Entwicklungen seit 2022, aber auch ein generelles Umdenken in der sicherheitspolitischen Architektur Europas. Die Zahlen untermauern den Trend: Die EU hat bis 2035 rund 800 Milliarden Euro für Verteidigungsausgaben budgetiert. Österreich plant, seinen Verteidigungshaushalt bis 2032 von derzeit 0,9 auf 2 Prozent des BIP zu steigern – eine Verdoppelung, die mit einem Investitionsvolumen von etwa 16 Milliarden Euro einhergeht.
Doch das hat seinen Preis. „Die berühmte Friedensdividende, von der Altkanzler Wolfgang Schüssel zuletzt sprach, ist Geschichte“, so Marboe. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs haben sich europäische Staaten mehr als 2.000 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben erspart – vor allem, weil die USA als Sicherheitsgarant fungierten. „Das ist vorbei. Europa muss selbst Verantwortung übernehmen.“
Positionierung heimischer Unternehmen
Für heimische Betriebe, insbesondere im Maschinenbau, in der Elektronik oder im Bereich Dual-Use-Technologien, ergeben sich dadurch neue Chancen. „Es gibt Nischenplayer in Österreich, die man nicht sofort auf dem Radar hätte, die aber heute schon in internationalen Lieferketten integriert sind“, erklärt Marboe. Dazu zählen etwa Unternehmen im Bereich elektromagnetischer Schutzsysteme, Antennentechnologien oder Cybersicherheit.
Neben der technischen Kompetenz sind aber auch hohe Sicherheitsanforderungen zu erfüllen – in der Kommunikation, in der Fertigung, in der Datenhaltung. Für kleinere und mittlere Unternehmen mit innovativen Technologien könne das eine Hürde sein – müsse aber keine sein, wenn entsprechende Partnerschaften gesucht und gefördert werden. Essletzbichler: „Es wird entscheidend sein, wie sich österreichische Unternehmen in diesen neuen Beschaffungslogiken positionieren. Die Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, ist jetzt.“