US-Zölle treffen deutsche Industrie : Siemens trotzt Protektionismus, warnt aber vor Investitionsrückgang

Reportage

Die Zölle von US-Präsident Donald Trump lassen den Münchner Technologiekonzern Siemens kalt.

- © ANDI BRUCKNER

Die von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle lassen den Münchner Technologiekonzern Siemens weitgehend kalt. Laut Finanzvorstand Ralf Thomas belaufen sich die Auswirkungen der Zölle auf das gesamte Geschäftsjahr bis Ende September auf „einen hohen zweistelligen oder niedrigen dreistelligen Millionenbetrag“. Diese Belastung sei laut Thomas „überschaubar und handhabbar“.

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Trotz der überschaubaren direkten Auswirkungen spürt Siemens die indirekten Folgen der protektionistischen US-Handelspolitik deutlich. Die Zölle belasten das globale Investitionsklima spürbar. Bereits im April habe das Unternehmen eine zunehmende Zurückhaltung bei den Bestellungen seiner Kunden festgestellt, so Siemens-CEO Roland Busch. Besonders in exportstarken Ländern wie Deutschland sei die Investitionsneigung in Schlüsselindustrien wie dem Automobilsektor und dem Maschinenbau rückläufig.

Die Einführung von 25-Prozent-Zöllen auf Autoimporte in die USA trifft vor allem deutsche Hersteller wie Mercedes-Benz, BMW und Volkswagen – und trübt die Erwartungen für die gesamte Branche.

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Zollpolitik als Risiko für die deutsche Wirtschaft

Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) warnt, dass Trumps Zollpolitik das Rezessionsrisiko in Deutschland signifikant erhöht. Parallel dazu sinkt das Interesse ausländischer Unternehmen an Investitionen in den Standort Deutschland. Einer Analyse der Wirtschaftsberatung EY zufolge erreichten die Auslandsinvestitionen im Vorjahr den niedrigsten Stand seit 2011 – ein klares Warnsignal für die wirtschaftliche Attraktivität des Landes.

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Siemens-Chef Roland Busch appelliert an die neue Bundesregierung unter Führung von Friedrich Merz: „Es steht viel auf dem Spiel.“ In der aktuellen wirtschaftlichen Lage müsse die Regierung alles daransetzen, um nachhaltiges Wachstum zu fördern – und gleichzeitig „unsere Demokratie und unser Wertesystem verteidigen“. Wichtige Maßnahmen seien laut Busch Investitionen in die Infrastruktur, eine aktivere Zuwanderungspolitik sowie ein konsequenter Abbau von Bürokratie. „Es ist kein Erkenntnisproblem, sondern eher ein Problem der Umsetzung.“

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Siemens-Chef Roland Busch - © Frank Hoermann / dpa Picture Alliance / picturedesk.com

Siemens punktet mit Großaufträgen und China-Geschäft

Im letzten Quartal konnte Siemens starke Geschäftszahlen vorlegen – nicht zuletzt dank Großaufträgen für Lokomotiven in den USA sowie einer wirtschaftlichen Erholung in China. Das Auftragsvolumen stieg auf 21,6 Milliarden Euro, ein Zuwachs von neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Insbesondere in China gebe es Anzeichen für ein Ende des Lagerabbaus bei den Kunden, erklärte Busch.

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Der Umsatz stieg auf vergleichbarer Basis um sechs Prozent auf 19,8 Milliarden Euro. Das industrielle Ergebnis verbesserte sich um 29 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro. Zusätzlich profitierte Siemens vom Verkauf seines Geschäfts mit Gebäudeschaltern und Türkommunikation – einem Teil der Sparte Smart Infrastructure – an den Schweizer Wettbewerber ABB. Dieser Deal brachte rund 300 Millionen Euro ein.

Trotz der starken Quartalszahlen reagierte die Börse verhalten: Die Siemens-Aktie verlor 2,5 Prozent und steuerte auf den schwächsten Handelstag seit einem Monat zu. Analysten von JP Morgan führten dies unter anderem auf einen geringeren Barmittelzufluss zurück. Zudem sehen sie angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten verhaltene Aussichten für die Automatisierungssparte Digital Industries.