Zühlke Talk Abo-basierte Geschäftsmodelle : Abo-basierte Geschäftsmodelle in der Industrie: Wenn der Jäger zum Farmer wird

Aufmacher Zühlke Talk

Diskutierten beim Zühlke Talk über Abo-basierte Geschäftsmodelle (von rechts): Andreas Pfleger, Business Principal Industry Austria bei Zühlke, Ralf Günthner, Co-Founder Subscription Rebels, Kurt Herzog, Vice President Industry 4.0 bei Primetals Technologies Austria, Thomas Pühringer, Head of Solution Portfolio Management SKIDATA und Martina Eder, CFO Schrack Seconet AG; Moderation: IM-Chefredakteur Rudolf Loidl. Zugeschaltet: Tom Schneider, geschäftsführender Direktor bei TRUMPF Werkzeugmaschinen SE + Co. KG für Forschung und Entwicklung

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Andreas Pfleger, Business Principal Industry Austria bei Zühlke, bringt es beim Zühlke Talk Ende April auf den Punkt: „Das Thema wurde lange durchs Dorf getrieben. Jetzt – im dritten Rezessionsjahr Österreichs – ist die Zeit reif, echte Umsätze zu erzielen.“ Gerade in Maschinen- und Anlagenbau sei die Brisanz gestiegen. Pfleger sieht drei zentrale Fragen: Wie lassen sich Investitionsbarrieren senken? Wie können nachhaltige Einnahmeströme aufgebaut werden? Und wie gelingt Differenzierung gegenüber der Konkurrenz?

Alles upgradebar.
Sein Credo: Jedes Geschäftsmodell lässt sich in ein Abomodell transformieren – mit kontinuierlichem Revenue-Stream, ohne große Anfangsinvestitionen, aber mit klarer Kundenfokussierung. Vertrieblich bedeutet das: Der Jäger wird zum Farmer, der Risikotransfer erfolgt vom Kunden zum Anbieter. Damit steigt auch die Interessensüberschneidung und die Erfolgsverantwortung wird geteilt. Voraussetzung: Ein interdisziplinäres Team, Rückendeckung durch die Eigentümer – und ein geschützter Raum für das "zarte Pflänzchen".
„Man braucht eine Person, die für das Thema brennt – und ein interdisziplinäres Kernteam von drei bis fünf Personen“, sagt Pfleger. Entscheidend sei zudem das Commitment der Eigentümer. „Dieses Pflänzchen darf nicht im Wald untergehen – es braucht organisatorischen Schutz.“ Die Umsetzung sollte nicht endlos geplant, sondern in einem 12- bis 15-monatigen Zyklus konkret begonnen werden.

Die Wertschöpfungskette neu gedacht.
Jahrzehntelang drehte sich im industriellen Umfeld alles um das Produkt. „Man war extrem produktzentriert“, erklärt Ralf Günthner, Co-Founder der auf Subscription-Modelle spezialisierten Subscription Rebels. „Neue Maschinen wurden mit großem Marketingaufwand gelauncht – das Ziel war der Verkauf.“ Damit verbunden: ein einmaliger Umsatz pro Kunde – sowie ein Wertversprechen, das sich vor allem an Funktionen und Features orientierte. Dieses Modell wandelt sich nun grundlegend. „Im Zentrum steht künftig nicht mehr das Produkt, sondern der registrierte, bekannte Nutzer – und die Frage, wie dessen Nutzen maximiert werden kann. Das bringt eine völlig neue Dynamik ins Geschäftsmodell“, sagt Günthner.
Ein Missverständnis sei dabei hartnäckig: „Viele glauben, Subscription sei einfach nur Miete. Das greift zu kurz. In Wahrheit vereint das Modell zahlreiche Varianten – vom Pay-per-Use bis hin zu nutzungsbasierten Servicepaketen“, sagt er. Zentraler Bestandteil erfolgreicher Subscription-Modelle sei eine Subscription Enablement Plattform: „Nur so lassen sich Leistungen automatisiert abrechnen – ein Muss für Skalierbarkeit.“ Doch genau hier liege die Herausforderung: „Das Subscription-Modell geht einmal durch die gesamte Wertschöpfungskette. Es betrifft alle – Entwicklung, Vertrieb, Service, IT, Buchhaltung“, sagt der Experte. Denn eines sei klar, sagt er: „Subscription-Modelle drehen schneller – sie sind dynamischer. Mit bestehenden Organisationsmodellen und klassischen Prozessen sind sie kaum beherrschbar“.

Primetals: Flexibilität in den Vertrieb geholt.
Primetals Technologies baut nicht nur komplette Stahlwerke – das Unternehmen liefert auch Automation, Digitalisierung und Softwarelösungen, häufig auch zur Nachrüstung von Mitbewerberanlagen. Gerade in diesen Fällen stießen die Experten von Primetals immer wieder auf dasselbe Problem: „Die Kunden waren von unseren Lösungen begeistert – aber ihr Budget war bereits ausgereizt", berichtet Kurt Herzog, Vice President Industry 4.0 bei Primetals Technologies Austria. So entstand intern der Gedanke, Investitionsentscheidungen stärker lokal zu ermöglichen – und abonnementsbasierte Modelle einzuführen. „Gerade in der konservativen Stahlindustrie war das zunächst ungewöhnlich. Trotzdem ging es bei uns vergleichsweise schnell“, sagt Herzog. Entstanden ist ein Pay-per-Use-Modell, das flexibel ist: „Der Kunde kann Funktionen abwählen oder Zusatzfeatures jederzeit aktivieren – bei vorhandenem Customizing ein echter Mehrwert“, so der Primetals-Manager.

Hürde umgehen.
Der große Vorteil: „Muss ein Kunde eine Softwarelösung für eine Million Euro auf einen Schlag kaufen, ist das oft ein Problem. Mit einem Subscription-Modell lässt sich diese Hürde umgehen.“ Besonders bei Automatisierungsverantwortlichen, so Herzog, sei die Argumentation einfach: „Mehr Funktionen, mehr Flexibilität – das überzeugt“. Die interne Zustimmung war ebenso schnell da. „Wir haben das Modell kompakt zusammengefasst und dem CEO vorgelegt – seine Antwort: 'Macht das'". 
Einige Services bietet Primetals mittlerweile ausschließlich im Rahmen eines Subscription-Vertrags an – auch aus technischer Sicht: „Nur wenn wir wissen, dass der Kunde mit der aktuellen Softwareversion arbeitet, können wir Support und Services gezielt anbieten.“ Das zahle direkt auf Zuverlässigkeit und Qualität ein.

Schrack Seconet: Der Markt bewegt sich.
Martina Eder, CFO Schrack Seconet AG, skizziert den Weg vom klassischen Hardwaregeschäft hin zu abonnementbasierten Lösungen – und warum der Healthcare-Bereich als Vorreiter dient. „Wir kommen aus dem klassischen Hardwaregeschäft – verkaufen Brandmeldesysteme, Notruf- und Pflegeassistenzlösungen. Doch wir haben erkannt, dass Abo-basierte Geschäftsmodelle in vielen Bereichen die Zukunft sein können. Deshalb haben wir vor rund einem Jahr begonnen, uns auf diese Reise zu begeben. Unser Ziel: eine echte Subscription Journey starten – mit Fokus auf Software und Healthcare“, sagt Eder. Besonders im Gesundheitswesen sieht Eder Potenzial für erste Schritte: „Hier lassen sich Investitionsentscheidungen oft schneller treffen – vor allem bei kleineren Beträgen. Pflegeassistenzsysteme etwa, die auf Sensorik beruhen und das Pflegepersonal entlasten, lassen sich gut über ein Subscription-Modell abbilden“, sagt sie.

Wechsel durch Cloud.
Im Hintergrund steht eine grundlegende Veränderung im Markt: „Sobald unsere Systeme in der Cloud sind, eröffnet das ganz neue Geschäftsmodelle – klassische Verkaufsmodelle funktionieren dort nicht mehr.“ Der Wechsel zur Nutzung statt Besitz verlange allerdings viel Überzeugungsarbeit – intern wie extern. „Wir müssen weg vom reinen Hardwareverkauf. Es geht darum, den Effizienzgedanken sichtbar zu machen. Dafür zahlt der Kunde dann gerne monatlich“, sagt Eder. 
Sie betont, wie wichtig interdisziplinäre Zusammenarbeit geworden ist. „Wir sind heute viel öfter im Austausch zwischen Recht, Finanzen und Vertrieb. Es braucht diese Kombination – weil man nicht alles absichern kann. Man muss auch bereit sein, gewisse Risiken zu fahren“, sagt sie. Ihr Fazit: „Subscription wird bei uns kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zum bestehenden Geschäft sein. Für viele Kunden wird es hybride Modelle geben. Manche werden auch weiterhin bei der klassischen Hardwarelösung bleiben.“

Skidata: Vom Nischenprojekt zur Umsatzsäule.
SKIDATA ist kein Neuling, wenn es um Abo-basierte Geschäftsmodelle geht. Bereits vor zwölf Jahren hat das Salzburger Unternehmen begonnen, erste cloudbasierte Lösungen im Subscription-Modell anzubieten. „Damals war das Thema noch marginal“, erinnert sich Thomas Pühringer, Head of Solution Portfolio Management. „Aber bei Cloud-Lösungen ergibt Besitz schlicht keinen Sinn.“ Erst in den vergangenen drei Jahren wurde der Wandel konsequent skaliert – auch auf Softwarelösungen, die on premise betrieben werden, sowie erste Hardwarekomponenten. Der Anstoß kam nicht zuletzt vom Markt selbst: „Nach Corona wollten Endnutzer kontaktlose Lösungen – etwa Skitickets am Handy bezahlen. Unsere Kunden mussten entsprechend reagieren“, sagt Pühringer.
Die Veränderung im Kaufverhalten der Endkunden wirkte sich direkt auf die Angebotspolitik von SKIDATA aus. Heute werden Schranken und Liftlösungen in den USA bereits häufig im Abomodell angeboten – nicht zuletzt, weil der dortige Markt aufgeschlossener und der Wettbewerb deutlich aktiver ist. Auch konservative Bereiche wie Flughäfen sind laut Pühringer überraschend offen für neue Modelle: „60 bis 70 Prozent zeigen sich durchaus interessiert – teils sogar mehr als unser eigener Vertrieb“, sagt er. 

Organisatorische Anpassungen.
Die Transformation erfordert tiefgreifende organisatorische Anpassungen. „Man muss von linearen Auslieferungsprozessen zu zirkulären Prozessen kommen. Dazu braucht es neue Rollen, neue Stellenbeschreibungen – und in manchen Fällen komplett neue Funktionen. 
SKIDATA setzt mittlerweile klar auf ein Subscription-First-Modell: „In der Software ist das heute unser Standard. Das klassische Lizenzmodell liegt nur noch in der Schublade.“ Bereits heute sei ein zweistelliger Prozentsatz des Umsatzes abonnementsbasiert, Tendenz steigend.

TRUMPF: Kulturelle Hürden.
TRUMPF steht wie kaum ein anderer Name für High-End-Maschinenbau. Auch hier hat vor vier Jahren ein Paradigmenwechsel begonnen – mit einem „Paukenschlag“, wie Tom Schneider, geschäftsführender Direktor für Forschung und Entwicklung, betont. Gemeinsam mit der Münchener Rückversicherung wagte man den Einstieg ins Abo-basierte Modell. „Zahlungsbereitschaft für SaaS war zu Beginn sehr gering. Wir hatten ein Durchdringungsthema – obwohl unsere Produkte zentrale Herausforderungen lösen.“
Die Idee war klar: Wie in der Luftfahrt, wo keine Airline eigene Triebwerke besitzt, sollte auch in der Fertigung „Pay-per-Part“ eine Alternative zum klassischen Kauf werden. In einem Markt mit über 150 asiatischen Mitbewerbern, die mit aggressiven CAPEX-Modellen agieren, sei ein Umdenken zwingend. „Besitz macht stolz – gerade im Maschinenbau“, sagt Schneider. „Für viele Unternehmer ist der Maschinenpark ein sichtbares Zeichen ihrer Leistung.“ Doch der Vertriebsprozess verändert sich: weg vom Beziehungsvertrieb hin zu datengestützten, serviceorientierten Modellen.

Organisation herausgefordert.
Die Herausforderungen liegen nicht nur beim Kunden, sondern tief in der eigenen Organisation. Denn mit einem Modell wie „Pay-per-Part“ greift man direkt in die Geschäftsprozesse ein – von der Qualitätskontrolle bis zur Logistik. „Das ist ein dramatischer Wandel, den wir selbst in der Anfangsphase gar nicht vollständig eingepreist hatten", sagt Schneider. 
„Solange die Mehrheit des Marktes noch klassisch unterwegs ist, lassen sich Subscription-Modelle schwer durchsetzen.“ Umso wichtiger sei ein klarer strategischer Nordstern – und eine Rückführung in die Linienorganisation: „Sie können kein Modell auf Dauer separat betreiben. Es muss zurück in den Kern. Und das ist schmerzhaft – aber wertvoller als jeder mittlere Leuchtturm, der irgendwann entfremdet ist", so der Experte. Für Schneider liegt der Schlüssel in der Fähigkeit, zwei Drehgeschwindigkeiten gleichzeitig zu managen: „Das ist Führungsaufgabe. Und es braucht Resilienz – denn mit Subscription verpflichten Sie sich zu 24/7-Servicelevels. Wir kannten das nur aus der Theorie. Jetzt ist es Realität.“ 

Schneider Zühlke Talk
Zugeschaltet: Tom Schneider, geschäftsführender Direktor bei TRUMPF Werkzeugmaschinen SE + Co. KG für Forschung und Entwicklung - © WEKA Industrie Medien