Supply Chain Management : Supply Chain Analyse in der Krise: So wird sie zum entscheidenden Sicherheitsfaktor für Unternehmen

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Alexandra Birkmaier, Gruppenleiterin Logistikzentren und Netzwerkplanung bei Fraunhofer Austria. 

- © Fraunhofer Austria

Es ist eine Entwicklung, die mit den aktuellen Verwirrungen um die weltweite Zollpolitik und um aufkeimende Handelskonflikte Fahrt aufgenommen hat, die aber eigentlich bereits seit der Covid-19-Pandemie zu beobachten ist: Unternehmen setzen sich strategisch mit der Resilienz ihrer Lieferkette auseinander. Wo früher einzig und allein niedrige Kosten entscheidend waren, ist aufgrund der zunehmenden Vulnerabilität der globalen Supply Chain die Strategie heute durch ein komplexeres Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren bestimmt: Low-Cost-Standorte bleiben wichtig, um große Mengen an Waren kostengünstig produzieren zu können, zugleich gewinnt aber Local Sourcing beziehungsweise Regional Sourcing an Bedeutung – nicht nur, um im Sinne des ökologischen Fußabdrucks die Transportwege kurz zu halten, sondern auch, um im Falle von Disruptionen auf dem Weltmarkt Waren nah am Kunden zu produzieren und zu lagern. 

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Sicherheitsbestände in europäischen Lagerstandorten können auch im Fall des Falles schnelle Lieferungen an den Kunden gewährleisten und kurzfristige Störungen überbrücken. Auch die Diversifikation der Lieferkette ist ein Thema, mit dem sich Unternehmen immer mehr beschäftigen, denn die zeitgerechte Lieferung einer essenziellen Komponente sollte eher nicht von einem einzigen Lieferanten abhängen – speziell dann nicht, wenn dieser sich in einer Weltregion befindet, die von Krisen bedroht sein könnte.

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Optimierung von Liefernetzwerken: Wie datenbasierte Steuerung für stabile und effiziente Prozesse sorgt

Doch wie plant und steuert man ein Liefernetzwerk, das auch in einer veränderlichen Welt stabil funktionieren kann? Wie bringt man die zahlreichen Kriterien und Anforderungen unter einen Hut, und das für die Vielzahl an Produkten und Rohstoffen, die eingekauft werden müssen? Hier muss mit Hilfe von Analysen und Algorithmen datenbasiert optimiert werden, um der Komplexität Herr zu werden. Datenbasierte Steuerung von Produktions- und Logistiknetzwerken bedeutet, dass man sich für die Planung, Optimierung und Steuerung nicht rein auf Erfahrungswerte oder das Bauchgefühl verlässt, sondern auf fundierte und systematische Datenanalysen beruhend auf dem Datenschatz, den es im Unternehmen gibt. Diese Daten umfassen insbesondere Informationen wie Lieferzeiten, Bestandsmengen und -werte oder Nachfrageschwankungen, aber auch Verwerfungen in Lieferanten- oder Kundenmärkten. Es können aber auch Faktoren wie Markttrends, das Wetter (oft im Fall des Lebensmittelhandels wichtig) oder die Lohnkostenniveaus in verschiedenen Partnerländern und deren Entwicklungen berücksichtigt werden.

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Für diese komplexe Optimierung braucht es Fachwissen wie zum Beispiel aus Mathematik und Informatik, jedoch natürlich auch domänenspezifische Kenntnisse aus den Bereichen Supply Chain Management, Produktion und Logistik. Am sinnvollsten ist es sicher, dieses Wissen in einer eigenen Supply Chain Abteilung zu bündeln. Ich habe in meiner Projektarbeit mit zahlreichen Unternehmen in den vergangenen Jahren den Eindruck gewonnen, dass sich zunehmend ein Bewusstsein dafür bildet. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen mit denen wir zusammengearbeitet haben, hatten vor der Pandemie noch keine eigene Supply Chain Abteilung. Nun werden diese aber vielerorts aufgebaut oder sind im Wachsen begriffen. Supply Chain Manager werden vermehrt gesucht. Damit die Abteilung aber sinnvoll arbeiten kann, ist es notwendig, ihr die entsprechenden Befugnisse einzuräumen. Supply Chain Management ist ein übergreifendes Thema und schließt verschiedene Abteilungen des Unternehmens wie IT, Finanzen, Produktion und Logistik mit ein. Das Supply Chain Management sollte daher eine übergeordnete Rolle im Unternehmen haben – schließlich hat diese Abteilung die herausfordernde Aufgabe, die teils konfliktären Ziele verschiedener Bereiche ausgleichen und ein Gesamt-Optimum für das Unternehmen als Ganzes zu finden.

Supply Chain auf dem Prüfstand: Wie gezielte Netzwerk-Checks und mathematische Optimierung messbare Einsparungen bringen

Natürlich unterstützen auch wir auf Wunsch bei der mathematischen Optimierung der Supply Chain basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Methoden. Das ist bei Fraunhofer Austria in Stufen mit verschiedenen Größenausprägungen möglich. Ein schneller „Net-Check“ ist der klassische Einstieg. Bei diesem durchleuchten unsere Expertinnen und Experten das Netzwerk innerhalb weniger Tage basierend auf Workshops und auf kleineren Datenauswertungen. So lässt sich ein erster Überblick gewinnen und erste Handlungsempfehlungen können abgeleitet werden. Aber natürlich sind auch vollumfängliche Optimierungen möglich.

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Ein konkretes und umfangreiches Projekt, das wir erst kürzlich abgeschlossen haben, war die Optimierung des Netzwerks der europäischen Logistikstandorte – insgesamt über 20 Stück – eines international tätigen Elektrowerkzeug-Herstellers. Die Fragestellung war, ob die globalen Materialflüsse und insbesondere das europäische Netzwerk aus Logistikstandorten nach wie vor zukunftssicher aufgestellt sind. Hier haben wir ein Standort-Benchmarking durchgeführt, die Kostenstrukturen ermittelt und neue Standorte, die basierend auf Marktprognosen potenziell in Frage kommen, identifiziert. Das ganze System wurde dann durch einen Optimierungsalgorithmus verbessert und verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Netzwerkkonfiguration modelliert und simuliert. Im besten Szenario konnten wir feststellen, dass das operative Einsparungspotenzial pro Jahr um bis zu 15% betragen kann.

Man sieht: Gleich ob es um Resilienz oder um Kostenersparnisse geht, es lohnt sich in jedem Fall, das Supply Netzwerk unter die Lupe zu nehmen.