Shein & Temu im Visier : So will die EU den Billig-Boom aus China stoppen

shein, bag, pouch, shop, web, store, shopping, clothing, online, fashion, packing, brand, symbol, trend, product, global, letter

Die EU-Kommission will die Flut von Billigprodukten aus Drittstaaten, insbesondere aus China, eindämmen

- © GraffiTimi - stock.adobe.com

Im vergangenen Jahr wurden laut Angaben der EU-Kommission rund 4,6 Milliarden Pakete mit einem Warenwert unter 22 Euro in die Europäische Union importiert. Die überwältigende Mehrheit dieser Sendungen stammt aus China und stellt die europäischen Zollbehörden vor enorme Herausforderungen. Die rasant wachsende Zahl solcher Lieferungen führt nicht nur zu logistischen Problemen, sondern erschwert auch die Kontrolle hinsichtlich Sicherheits- und Umweltstandards.

>>> Temu: Wie der chinesische Billig-Marktplatz funktioniert

Die Kommission erwägt deshalb, eine Bearbeitungsgebühr für direkt an Verbraucher gelieferte E-Commerce-Waren einzuführen. Ziel dieser Gebühr ist es, die durch den hohen Arbeitsaufwand entstehenden Kosten für die Zoll- und Marktüberwachung auszugleichen.

Nie mehr die wichtigsten News aus Österreichs Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!

Folgen Sie uns schon auf Instagram?

- © Industriemagazin

Vorschlag der EU-Kommission: Bearbeitungsgebühr für E-Commerce-Artikel

Die EU-Kommission schlägt den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament vor, „eine Bearbeitungsgebühr für Artikel des elektronischen Handels zu erheben“, die in individuellen Paketen importiert werden. Diese Gebühr soll die Zollbehörden der EU-Staaten für die höheren Kosten entschädigen, die bei der ordentlichen Kontrolle dieser Waren anfallen, die direkt an Verbraucher geliefert werden.

>>> Chinas E-Commerce-Giganten - bedrohen Shein und Temu die Zukunft von Amazon?

Die schiere Menge an Billigpaketen, die von Verkäufern aus China oder anderen Drittstaaten an europäische Kunden geschickt werden, überlastet die Zollämter. Die EU-Kommission warnt davor, dass diese Überlastung es erschwert, sicherzustellen, dass die Produkte den europäischen Sicherheits- und Umweltstandards entsprechen.

Reaktionen aus Österreich: Unterstützung durch Wirtschaftskammer und Handelsverband

Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und der Handelsverband begrüßen die Vorschläge der EU-Kommission ausdrücklich. Rainer Trefelik, Handelsobmann der WKÖ, erklärte: "Chinesische Plattformen wie Temu und Shein bedienen sich unfairer Praktiken, die ihnen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Um zu verhindern, dass europäische Handelsunternehmen dadurch immer mehr unter Druck geraten, ist es höchst an der Zeit, dass die EU hier wirksame Maßnahmen setzt."

>>> Chinesische Online-Giganten Temu und Shein unter Beschuss - droht das Aus in der EU?

Trefelik betont, dass diese Maßnahmen in die richtige Richtung gehen, um die Vielzahl an Paketen aus Chinaeinzudämmen. Besonders positiv bewertet er, dass die großen Online-Plattformen stärker in die Pflicht genommen werden sollen. "Wenn künftig die Plattformen dafür sorgen müssen, dass alles seine Richtigkeit hat und auch sämtliche Abgaben ordnungsgemäß abgeführt werden, dann macht das auch die Kontrolle wesentlich einfacher. Denn zigtausende kleine chinesische Shops zu kontrollieren, überfordert die europäischen Zollbehörden."

  • Rainer Trefelik, Handelsobmann der WKÖ
    "Chinesische Plattformen wie Temu und Shein bedienen sich unfairer Praktiken, die ihnen Wettbewerbsvorteile verschaffen."

    Rainer Trefelik, Handelsobmann der WKÖ

Auch der Handelsverband (HV) in Wien unterstützt die Pläne der EU-Kommission. Rainer Will, Geschäftsführer des HV, erklärte in einer Aussendung: "Es kann nicht sein, dass europäische Händler und Hersteller täglich strenge Auflagen einhalten müssen, während Billig-Plattformen aus China ohne wirksame Kontrolle unseren Markt fluten." Will fordert dringend fairen Wettbewerb und bezeichnet die geplanten Gebühren auf Pakete aus China als einen wichtigen ersten Schritt. Er fügt hinzu:
"Der zweite Schritt ist die sofortige Aufhebung der 150-Euro-Zollfreigrenze."

  • Rainer Will, Geschäftsführer des HV
    "Es kann nicht sein, dass europäische Händler und Hersteller täglich strenge Auflagen einhalten müssen, während Billig-Plattformen aus China ohne wirksame Kontrolle unseren Markt fluten."

    Rainer Will, Geschäftsführer des HV

Zentrale Reform: Abschaffung der 150-Euro-Zollfreigrenze

Ein Schlüsselpunkt der geplanten Reform ist die Abschaffung der bisherigen Zollbefreiung für Sendungen unter 150 Euro. Diese Freigrenze ermöglicht es derzeit, dass viele Waren ohne zusätzliche Zollgebühren in die EU importiert werden. Die Kommission plant, diese Freigrenze endgültig zu streichen, um sicherzustellen, dass alle Händler, unabhängig von ihrem Standort, den gleichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen.

Diese Änderung könnte auch Auswirkungen auf große Onlinemarktplätze wie Amazon haben, da auch dort viele günstige Produkte aus Drittstaaten angeboten werden. Ziel ist es, Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen und sicherzustellen, dass europäische Händler nicht benachteiligt werden.

Darüber hinaus plant die EU verstärkte Kontrollen und koordinierte Maßnahmen, um den Verkauf unsicherer oder nicht EU-konformer Produkte zu verhindern. Der Fokus liegt auf der Sicherheit der Verbraucher und der Einhaltung von Umweltstandards.

EU-Kommission fordert von Shein Informationen zu illegalen Waren und Datenschutz

Die EU-Kommission hat das asiatische Shoppingportal Shein zudem aufgefordert, umfassende Informationen über den Umgang mit illegalen Waren und die Empfehlungssysteme auf der Plattform bereitzustellen. Grundlage für dieses Auskunftsersuchen ist der Digital Services Act (DSA), das neue EU-Gesetz für digitale Dienste, wie die Kommission mitteilte. Shein soll darlegen, welche Maßnahmen zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern ergriffen werden. Darüber hinaus fordert die Kommission detaillierte Angaben zum Schutz personenbezogener Daten der Nutzerinnen und Nutzer.

Shein muss die geforderten Informationen laut der EU-Kommission bis spätestens 27. Februar liefern. Auf Basis der eingereichten Daten wird die Kommission über weitere Schritte entscheiden. Sollten die Angaben falsch, unvollständig oder irreführend sein oder verweigert Shein die Kooperation, drohen empfindliche Geldstrafen. Shein wurde in China gegründet und hat heute seinen Hauptsitz in Singapur. Das Unternehmen zählt zu den größten Modehändlern weltweit und ist vor allem für günstige Mode- und Sportartikel bekannt.

Statistische Entwicklung: Die Dominanz chinesischer Importe

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Im vergangenen Jahr kamen 91 Prozent aller E-Commerce-Importe mit einem Wert von bis zu 150 Euro aus China. Das Volumen dieser Importe hat sich seit 2023 mehr als verdoppelt – von 1,9 Milliarden auf 4,17 Milliarden Sendungen.

Diese Entwicklung zeigt, wie stark die europäischen Märkte von Billigimporten aus Drittstaaten überschwemmt werden. Für europäische Unternehmen bedeutet dies nicht nur einen verstärkten Preisdruck, sondern auch erhebliche Wettbewerbsnachteile, da sie strenge Regulierungen und Abgaben einhalten müssen, während viele ausländische Anbieter bisher von Zollbefreiungen profitierten.

Orange Temu Package close up - Delligsen, Germany, January 15, 2024
Begehrte Billig-Ware aus Fernost - © Mudassar - stock.adobe.com

Die Rolle der Online-Plattformen: Verantwortung für Produktsicherheit

Neben den geplanten Gebühren sollen auch Online-Plattformen wie Temu, Shein und andere in die Verantwortung genommen werden. Diese Plattformen sollen künftig verpflichtet werden, sicherzustellen, dass die auf ihren Websites angebotenen Produkte legal sind und den EU-Sicherheitsnormen entsprechen.

>>> Billig-Amazon: Wie Temu und Shein die Luftfracht-Kapazitäten verstopfen

Der Handelsverband betont die Wichtigkeit dieser Maßnahme: "Es darf nicht länger möglich sein, dass unsichere oder nicht zertifizierte Produkte ungehindert in die EU gelangen. Die Plattformen müssen in die Pflicht genommen werden, die Legalität und Sicherheit der Produkte zu überprüfen."

Diese Anforderungen sollen sicherstellen, dass Verbraucher in der EU nicht durch minderwertige oder unsichere Produkte gefährdet werden und die europäischen Umweltstandards gewahrt bleiben.

Die Debatte um die Produktsicherheit bei Online-Plattformen wie Temu ist nicht unbegründet. Immer wieder berichten Verbraucherschutzorganisationen und Marktaufsichtsbehörden von mangelhaften oder sogar gefährlichen Produkten, die über solche Plattformen in die Europäische Union gelangen. Diese Produkte entsprechen oft nicht den strengen EU-Sicherheitsnormen, was für die Verbraucher erhebliche Risiken mit sich bringt.

Verstöße gegen EU-Sicherheitsnormen: Was wird bemängelt?

Produkte, die über Plattformen wie Temu verkauft werden, unterliegen nicht den gleichen Qualitätskontrollen wie Waren von europäischen Händlern. Zu den häufigsten Problemen gehören:

  1. Elektronische Geräte mit Sicherheitsmängeln:
    Viele auf Temu angebotene elektronische Produkte, wie Ladegeräte, Powerbanks oder Haushaltsgeräte, weisen mangelhafte Isolierungen, Überhitzungsprobleme oder fehlerhafte CE-Kennzeichnungen auf. Diese Mängel können zu Kurzschlüssen, Bränden oder sogar Stromschlägen führen.
  2. Spielzeug mit Gesundheitsrisiken:
    Besonders bedenklich ist der Verkauf von Kinderspielzeug, das nicht den EU-Vorgaben entspricht. Oft enthalten diese Produkte giftige Chemikalien wie Phthalate oder Blei, die in der EU streng reguliert sind. Zudem weisen viele Spielzeuge Kleinteile auf, die leicht verschluckt werden können und somit eine Erstickungsgefahrdarstellen.
  3. Kosmetika und Körperpflegeprodukte:
    Auch im Bereich der Kosmetik werden immer wieder Verstöße festgestellt. Produkte enthalten häufig nicht deklarierte Inhaltsstoffe oder Stoffe, die in der EU verboten sind, wie z.B. schädliche Konservierungsmitteloder Allergene. Diese können zu Hautreizungen, Allergien oder langfristigen Gesundheitsschäden führen.
  4. Fehlende Gebrauchsanweisungen und Warnhinweise:
    Viele Produkte werden ohne die in der EU vorgeschriebenen Gebrauchsanleitungen oder Warnhinweise geliefert. Dies betrifft vor allem technische Geräte und Werkzeuge, bei deren unsachgemäßer Nutzung ein erhöhtes Verletzungsrisiko besteht.

Warum sind diese Produkte so problematisch?

Die Ursache für die mangelhafte Produktsicherheit liegt in der fehlenden Regulierung und unzureichenden Kontrolle der Verkäufer auf Plattformen wie Temu. Während europäische Händler strenge Auflagen und Regulierungen erfüllen müssen, können Drittstaatenanbieter ihre Waren oft ungehindert in den europäischen Markt bringen. Die Zollbehörden sind aufgrund der Masse dieser Importe kaum in der Lage, jede Sendung gründlich zu prüfen.

Zudem fehlen bei vielen Anbietern transparente Informationen über die Hersteller und die Herkunft der Produkte. Dies erschwert die Nachverfolgung bei Reklamationen oder Rückrufaktionen erheblich. Verbraucher, die unsichere Produkte kaufen, haben oft keine rechtliche Handhabe, da die Anbieter außerhalb der EU agieren und sich so juristischer Verfolgung entziehen.

So funktioniert der Online-Handel Shein

Shein ist ein chinesischer Online-Versandhändler, der sich auf Mode und Accessoires spezialisiert hat und weltweit eine große Kundschaft bedient. Das Unternehmen wurde 2008 gegründet und hat sich seitdem zu einem der führenden Anbieter im Bereich Fast Fashion entwickelt. Der Erfolg von Shein basiert auf einem Geschäftsmodell, das schnelle Produktion, günstige Preise und eine starke Online-Präsenz kombiniert.

Shein nutzt datengetriebene Ansätze, um Trends schnell zu erkennen und in die Produktion zu überführen. Das Unternehmen beobachtet soziale Medien, Suchanfragen und das Kaufverhalten seiner Kunden, um zu verstehen, welche Modetrends gerade gefragt sind. Daraufhin werden Designs erstellt, die innerhalb kürzester Zeit produziert werden können. Shein arbeitet mit zahlreichen Fabriken, hauptsächlich in China, zusammen, die in der Lage sind, kleine Produktionsmengen zu niedrigen Kosten herzustellen. Dadurch kann das Unternehmen schnell auf Veränderungen im Modemarkt reagieren und eine große Auswahl an neuen Produkten anbieten.

Shein verkauft seine Produkte ausschließlich online über seine Website und die mobile App. Das Unternehmen nutzt aggressive Marketingstrategien, darunter Influencer-Kooperationen, Social-Media-Werbung und Rabattaktionen, um seine Reichweite zu vergrößern. Durch diese Maßnahmen spricht Shein vor allem jüngere Zielgruppen an, die viel Zeit auf Plattformen wie Instagram, TikTok und YouTube verbringen. Der Online-Shop ist benutzerfreundlich gestaltet und bietet regelmäßig Sonderangebote, was Kunden dazu animiert, häufiger zu kaufen.

Shein betreibt ein globales Logistiknetzwerk. Die meisten Bestellungen werden direkt aus Lagern in China verschickt, es gibt jedoch auch regionale Lager in verschiedenen Ländern, um die Lieferzeiten zu verkürzen. Standardversand dauert in der Regel zwischen einer und drei Wochen, abhängig von der Region. Shein bietet oft kostenlosen Versand ab einem bestimmten Bestellwert an, was die Attraktivität des Angebots weiter erhöht.

Billig-Boom: Wie Temu den Luftfrachtmarkt sprengt