Sanierung gescheitert : Kika/Leiner-Konkurs: Wie Managementfehler das Unternehmen in die Krise stürzten

Die Möbelkette Kika/Leiner hat ihren Mitte November eingebrachten Sanierungsplan zurückgezogen und Konkurs angemeldet.
- © APA/MAX SLOVENCIKDie Möbelkette Kika/Leiner hat ihren Mitte November eingebrachten Sanierungsplan zurückgezogen und Konkurs angemeldet. Insolvenzverwalter Volker Leitner erklärte, dass der vorhandene Warenbestand nun abverkauft werde. Dies bedeutet, dass nach Abschluss des strukturierten Verwertungsprozesses die verbleibenden 17 Filialen geschlossen werden und somit rund 1.350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren.
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Kika/Leiner befindet sich seit mehreren Jahren in der Krise, mit drei Eigentümerwechseln seit 2013. Im Jahr 2023 verkaufte Rene Benkos Signa-Gruppe die Kika/Leiner-Immobilien an die Grazer Supernova und das operative Möbelgeschäft an den Handelsmanager Hermann Wieser. Kurz darauf meldete das Unternehmen Insolvenz an, wobei 23 von 40 Filialen im Zuge der ersten Sanierung geschlossen wurden.
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Eröffnung eines Konkursverfahrens
Bereits bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens machte das Schuldnerunternehmen deutlich, dass die Finanzierung der angebotenen Sanierungsplanquote von 20 Prozent, zahlbar innerhalb von zwei Jahren nach Annahme des Plans, nur durch den Einstieg eines Investors möglich wäre. Da jedoch kein Investor gefunden werden konnte, gelten die Sanierungsbemühungen nun offiziell als gescheitert, wie der Kreditschutzverband von 1870 bestätigt.
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Nach der Zurückziehung des Sanierungsplanantrags sieht sich das Landesgericht St. Pölten gezwungen, das Insolvenzverfahren der Kika/Leiner Möbelhandels GmbH in ein Konkursverfahren umzuwandeln. „Aufgrund der Zurückziehung des Sanierungsplanantrages wird das Insolvenzverfahren nunmehr vom Landesgericht St. Pölten in ein Konkursverfahren umzuwandeln und die Sanierungsplantagsatzung abzuberaumen sein“, erklärt Jürgen Gebauer, Leiter Unternehmensinsolvenz Wien/NÖ/Bgld beim Kreditschutzverband von 1870, die verfahrensrechtlichen Konsequenzen.
Der Konkurs bedeutet, dass das Unternehmen nun abgewickelt wird. „Die Leiner & Kika Möbelhandels GmbH wird nunmehr konkursmäßig abzuwickeln sein. Das bedeutet, dass am Ende eines strukturierten Verwertungsprozesses die noch bestehenden 17 Filialen zu schließen sein werden und somit auch 1.350 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihren Job verlieren“, ergänzt Gebauer.
Mit dem Scheitern der Sanierungsbemühungen werden sowohl das Ausmaß der Verbindlichkeiten als auch die Zahl der betroffenen Gläubiger voraussichtlich steigen. Bereits zum Zeitpunkt des Antrags auf ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung war von Verbindlichkeiten in Höhe von etwa 139 Millionen Euro die Rede, die im Fall einer Liquidation berücksichtigt werden müssten.

Managementfehler haben zu Insolvenz geführt
Die Insolvenz der Möbelkette Kika/Leiner ist auf eine Reihe von Managementfehlern und externen Faktoren zurückzuführen, die das Unternehmen in eine finanzielle Schieflage gebracht haben. Einer der zentralen internen Probleme war die Instabilität in der Unternehmensführung durch häufige Eigentümerwechsel. Seit 2013 wechselte Kika/Leiner dreimal den Besitzer, was eine klare, langfristige strategische Ausrichtung erschwerte. Jede neue Eigentümergruppe hatte andere Prioritäten und Ziele, was zu mangelnder Kontinuität und zu Konflikten bei der strategischen Umsetzung führte.
Ein weiterer schwerwiegender Fehler war die unzureichende Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen. Im Jahr 2023 wurde zwar ein umfangreiches Sanierungsverfahren eingeleitet, doch die Maßnahmen reichten nicht aus, um das Unternehmen nachhaltig zu stabilisieren. Im Rahmen der Restrukturierung wurden 23 von 40 Filialen geschlossen und mehr als 1.600 Arbeitsplätze abgebaut. Dennoch blieben die erhofften positiven Effekte aus, und die verbleibenden Filialen konnten nicht profitabel genug wirtschaften, um die finanzielle Situation des Unternehmens zu verbessern.

Die Leiner & Kika Möbelhandels GmbH wird nunmehr konkursmäßig abzuwickeln sein. Das bedeutet, dass am Ende eines strukturierten Verwertungsprozesses die noch bestehenden 17 Filialen zu schließen sein werden und somit auch 1.350 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihren Job verlieren.Jürgen Gebauer, Leiter Unternehmensinsolvenz Wien/NÖ/Bgld
Auch die Entscheidung, die Kika/Leiner-Immobilien an die Grazer Supernova-Gruppe zu verkaufen, wird als ein folgenschwerer Managementfehler bewertet. Zwar verschaffte dieser Verkauf dem Unternehmen kurzfristig dringend benötigte Liquidität, führte jedoch langfristig zu hohen Mietkosten, da die Immobilien nicht mehr im eigenen Besitz waren. Dadurch wurde ein großer Teil des Vermögens des Unternehmens aufgegeben, was seine finanzielle Widerstandsfähigkeit erheblich schwächte.
Darüber hinaus reagierte das Management nur unzureichend auf die veränderten Marktbedingungen. In einer Zeit, in der der Online-Handel immer wichtiger wird und sich die Konsumgewohnheiten der Kunden stark verändern, gelang es Kika/Leiner nicht, sich entsprechend anzupassen. Das Unternehmen investierte zu wenig in die Digitalisierung und verpasste die Chance, im wachsenden E-Commerce-Bereich eine starke Position aufzubauen. Stattdessen blieb es auf sein traditionelles Filialgeschäft fokussiert, das zunehmend unter Druck geriet.
Neben den internen Managementfehlern spielten auch externe Faktoren eine Rolle. Die allgemeine Kaufzurückhaltung, gestiegene Betriebskosten und die Insolvenz der Signa-Gruppe, die zuvor Eigentümerin von Kika/Leiner war, verschärften die Probleme zusätzlich. Diese Kombination aus internen Fehlentscheidungen und externem Druck machte es dem Unternehmen letztlich unmöglich, die Krise zu bewältigen.
Der Weg in die Insolvenz
Führungswechsel und strategische Entscheidungen:
- Reinhold Gütebier: Ab Oktober 2018 übernahm Reinhold Gütebier die Geschäftsführung von Kika/Leiner. Unter seiner Leitung wurden Restrukturierungsmaßnahmen eingeleitet, die jedoch nicht den gewünschten Erfolg brachten. Im November 2022 schloss Gütebier Geschäftsschließungen aus und betonte, dass alle Einrichtungshäuser erhalten bleiben sollen.
- Hermann Wieser: Im Juni 2023 übernahm Hermann Wieser das operative Geschäft von Kika/Leiner. Er kündigte umfassende Restrukturierungsmaßnahmen an, darunter die Schließung von 23 der 40 Filialen und den Abbau von 1.900 der 3.900 Mitarbeiter. Wieser betonte: "Wir sind angetreten, um Kika/Leiner zu retten. Und wir retten jetzt, was zu retten ist."
Managementfehler:
- Häufige Eigentümerwechsel: Seit 2013 erlebte Kika/Leiner mehrere Eigentümerwechsel, was zu Instabilität in der Unternehmensführung führte. Diese Wechsel erschwerten die Entwicklung und Umsetzung einer konsistenten, langfristigen Strategie.
- Unzureichende Restrukturierungsmaßnahmen: Die eingeleiteten Maßnahmen, wie Filialschließungen und Personalabbau, reichten nicht aus, um das Unternehmen nachhaltig zu stabilisieren. Trotz dieser Schritte blieben die erhofften positiven Effekte aus, und die verbleibenden Filialen konnten nicht profitabel genug wirtschaften.
- Verkauf von Immobilien: Der Verkauf der Kika/Leiner-Immobilien an die Grazer Supernova-Gruppe verschaffte zwar kurzfristig Liquidität, führte jedoch zu langfristigen Mietverpflichtungen und dem Verlust wertvoller Vermögenswerte. Diese Entscheidung schwächte die finanzielle Stabilität des Unternehmens.
- Versäumnis der Digitalisierung: Das Management reagierte nicht angemessen auf die wachsende Bedeutung des Online-Handels und veränderte Konsumgewohnheiten. Es wurden keine ausreichenden Investitionen in die Digitalisierung getätigt, wodurch Kika/Leiner im Wettbewerb mit anderen Anbietern ins Hintertreffen geriet.
Externe Faktoren:
- Allgemeine Kaufzurückhaltung: Die wirtschaftliche Lage führte zu einer allgemeinen Kaufzurückhaltung der Konsumenten, was die Umsätze von Kika/Leiner zusätzlich belastete.
- Kostensteigerungen: Steigende Betriebskosten erhöhten den finanziellen Druck auf das Unternehmen.
- Insolvenz der Signa-Gruppe: Die finanzielle Schieflage der Signa-Gruppe, eines früheren Eigentümers, trug zur Verschärfung der Probleme bei.
Betroffene Kunden können Forderungen beim Landesgericht St. Pölten anmelden
Insolvenzverwalter Leitner prüft derzeit, welche Kundenaufträge gemäß den insolvenzrechtlichen Bestimmungen erfüllt werden können. Diese Prüfung soll bis Ende dieser Woche weitgehend abgeschlossen sein. Für einen Teil der Anzahlungen besteht "aufgrund ordnungsgemäß abgeschlossener Anzahlungsgarantien ein Aussonderungsrecht", so Leitner.
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Laut Masseverwalter gibt es bei der Kika/Leiner-Insolvenz "eine große Anzahl an geschädigten Kunden als Gläubiger, deren Anzahlung aufgrund der insolvenzrechtlichen Bestimmungen nicht rücküberwiesen werden dürfen". Betroffene Kunden können ihre Anzahlungen als Konkursforderungen im Insolvenzverfahren beim Landesgericht St. Pölten anmelden. Leitner betonte, dass es viele Härtefälle unter den geschädigten Kunden gebe, das Insolvenzrecht jedoch keine Ausnahmen oder Spielräume vorsehe.
Offenbar haben sich viele betroffene Kunden bei Kika/Leiner-Mitarbeitern beschwert. Leitner appellierte daher, den verständlichen Unmut nicht gegenüber den Mitarbeitern des Unternehmens zum Ausdruck zu bringen, da diese selbst als Geschädigte betroffen seien und kein Vorwurf für die Situation und die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens gemacht werden könne.
Folgen nun höhere Preise für Konsumenten im Möbelhandel?
Der Konkurs von Kika/Leiner wird die Konzentration im österreichischen Möbelhandel weiter erhöhen. Laut dem Marktforscher RegioData hat die XXXLutz-Gruppe bereits einen Marktanteil von 34 Prozent, gefolgt von Ikea mit 19 Prozent. Die geschrumpfte Möbelkette Kika/Leiner kam zuletzt auf eine Marktabdeckung von 13 Prozent. Experten befürchten, dass die Marktkonzentration zu höheren Preisen für Konsumenten führen könnte.
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Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) äußerte Bedenken hinsichtlich der geringen Anzahl von Anbietern im Möbelhandel und der daraus resultierenden negativen Konsequenzen für die Konsumenten. Die Generaldirektorin der BWB, Natalie Harsdorf, betonte, dass bei hoher Marktkonzentration und wenig Wettbewerb negative Folgen für die Konsumenten zu erwarten seien.
Zusätzlich hat die Supernova-Gruppe kürzlich elf frühere Kika/Leiner-Standorte an die SAR Leasing GmbH, eine Tochtergesellschaft der XXXLutz-Gruppe, verkauft. Dies könnte die Marktstellung von XXXLutz weiter stärken.
Zeitstrahl: Die Entwicklung von Kika/Leiner
1910
Rudolf Leiner übernimmt ein Bettwarengeschäft am St. Pöltner Rathausplatz und erweitert es Ende der 1920er-Jahre um Tischler- und Tapeziermöbel.
1960
Die erste Leiner-Filiale außerhalb von St. Pölten wird in Wiener Neustadt eröffnet. Weitere Standorte folgen in Bruck an der Mur, Wels, Linz, Graz und Judenburg.
1973
Herbert Koch, Schwiegersohn von Rudolf Leiner Junior, eröffnet das erste Kika-Einrichtungshaus in Wien.
1980er-1990er
Kika/Leiner expandiert in Österreich und Osteuropa und wird zum Möbelriesen.
26. Juni 2013
Die südafrikanische Steinhoff-Gruppe kauft Kika/Leiner von der Familie Koch für 800 Mio. Euro. Damals verfügt die Möbelkette über 7.500 Beschäftigte, 73 Standorte und erzielt einen Umsatz von 1,2 Mrd. Euro.
5. Jänner 2018
Steinhoff verkauft den Leiner-Flagshipstore auf der Mariahilfer Straße an René Benko und seine Signa-Gruppe.
22. Juni 2018
René Benko übernimmt Kika/Leiner inklusive der Handelsimmobilien für 430 bis 490 Mio. Euro.
August 2018
Vier Filialen werden geschlossen, und 1.100 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs.
13. November 2018
Reinhold Gütebier wird neuer Geschäftsführer und verkündet ambitionierte Pläne: Kika/Leiner soll in die "Champions League" des Möbelhandels zurückkehren.
24. Mai 2019
22 Kika-Filialen in Ungarn, Tschechien, der Slowakei und Rumänien werden an XXXLutz verkauft.
30. Juni 2020
Zwei weitere ehemalige Kika/Leiner-Filialen gehen an XXXLutz.
14. Oktober 2021
Drei Jahre nach der Übernahme durch Signa verkündet Kika/Leiner, die "schwarze Null" erreicht zu haben.
31. Mai 2023
René Benko verkauft alle Kika/Leiner-Immobilien an die Supernova-Gruppe für knapp unter 400 Mio. Euro.
1. Juni 2023
Das operative Geschäft von Kika/Leiner wird an ein Managementteam um Hermann Wieser verkauft.
12. Juni 2023
Hermann Wieser beantragt ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. 23 von 40 Standorten sollen schließen, und 1.900 der 3.900 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs.
9. Oktober 2024
Kika/Leiner meldet, dass die Zahl der Mitarbeitenden auf 1.400 gesunken ist. Keine der 17 verbliebenen Filialen soll jedoch geschlossen werden.
12. November 2024
Das Unternehmen gibt seine Zahlungsunfähigkeit bekannt.
4. Dezember 2024
Der Sanierungsplan wird zurückgezogen, und Kika/Leiner meldet Konkurs an. Nach dem Abverkauf der Waren schließen die verbliebenen 17 Filialen, und 1.350 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs.