Insolvenz : Christof Industries Austria: Wie konnte es zur Pleite kommen?

Christof Industries HQ

Christof-Industries-Zentrale in Graz: Neue, innovative Nachhaltigkeitsprojekte sind maßgeblich auch in der in New Change, London domizilierten Christof Global Impact, die Johann Christofs Sohn Oliver leitet, gebündelt.

- © Croce & Wir, Fotostudio BetriebsgmbH & CO KG, Mantscha 160, Graz, Austria

Ein Jahr für Luftsprünge war schon 2020 nicht. Eher ein Jahr der Akzentuierung. „Mit dem Stillstand der Weltwirtschaft wurden die Schwachstellen in unserem System klar unterstrichen“, schreibt Johann Christof Partnern und Kunden damals im "Brief des CEO".

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Die Nachhaltigkeit bestimme den Ausbau des Portfolios. Obgleich man aus Branchen mit sehr hohen Kohlendioxidemissionen komme, habe man seine Vorreiterrolle auch bei denjenigen eingenommen, „die den Klimawandel aktiv entgegensteuern“. Auf die Märkte Indien, Südostasien oder Afrika blicke man entsprechend „erwartungsvoll“. Und durch diverse Projekte - Gesamtvolumen: mehr als 400 Millionen Euro - habe man bei der Umstellung auf umweltfreundliche Technologien schon bisher einiges beigetragen.

So sind die F&E-nahen Projekte im Firmengeflecht von Christof Industries durchwegs imposant: Man forscht an CCU(Carbon Capture Utilization)-Anlagen, Umweltmonitoringsystemen für Großstädte Asiens oder Wasserstofftechnologien. Alleine 2022 haben 48 ESG-Überprüfungen in der Unternehmensgruppe stattgefunden. Neue, innovative Nachhaltigkeitsprojekte sind maßgeblich auch in der in New Change, London domizilierten Christof Global Impact, die Johann Christofs Sohn Oliver leitet, gebündelt.

Ein Transformationsprozess, der nun jäh überschattet wird. Zwar laufe das operative Geschäft der Ende September in die Insolvenz geschlitterten Anlagenbautochter Christof Industries Austria, Teil der 1900 Mitarbeiter großen, auf Anlagenbau, Industrie-Service und Umwelttechnologien spezialisierten Industriegruppe Christof Industries, nach Auskunft des Unternehmens gut.

Doch der Fall Christof zeigt nicht nur, dass die Energiewende mit ihren geringen Kostendeckungsbeiträgen auf dünnem Eis operiert. Dass nun Jobs wackeln, weil im Brot- und Buttergeschäft, dem konventionellen Anlagenerrichtungsgeschäft für Abnehmer aus der Erdöl- oder Metallindustrie, Zahlungsausfälle die Kosten aus dem Ruder laufen haben lassen, schmerzt. Ein Sanierungsverfahren ist eingeleitet, das Unternehmen soll fortgeführt werden. Indes rätseln Branchenvertreter, ob sich Christof Industries mit seinen 24 Units und Knowhow unter anderem bei Biomassekraftwerken, Flüssiggasanlagen, Gaskühlanlagen oder Waste to Energy-Lösungen nicht überhoben hat. „Ich frage mich, wieviele Vorteile es hat, in schwierigem Marktumfeld so derart breit aufgestellt zu sein“, grübelt einer.

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Bauchladen?

Wann also wird aus einem "360-Grad-Angebot", auf das Christof Industries stolz verweist, womöglich ein schwer handelbarer Bauchladen? „Davon kann keine Rede sein“, verlautet aus dem Unternehmen. Dieser Ansatz sei ein „Wettbewerbsvorteil für Kunden und uns“. Das über die Jahre erworbene Prozessverständnis hätte - vom einem annähernd gleichen Kundenstamm einmal abgesehen - auch „gemeinsame Standards gebracht“. Ein Vorteil bei der Entwicklung von Strategien und der Abwicklung von Projekten. "Die Schwachstelle in unserem Umfeld der Industrie" sei immer der "Gap zwischen Engineering und Umsetzung" gewesen. Dieser habe sich mit dem ganzheitlichen Ansatz geschlossen. „Wie sollte es aus Sicht des Industriemarktes ohne Gesamtlösungen funktionieren?"

Johann Christof, CEO der Unternehmensgruppe Christof Industries.
„Statt Gewinne auszuschütten, investierten wir." Johann Christof, CEO Christof International Global - © Christof Industries

Christof Industries: Als Oschatz in die Insolvenz folgte

Tatsächlich versteht sich Christof Industries - zu 100 Prozent im Eigentum von Johann Christof - als Anlagenbauer und weniger als bloßer Anlagenerrichter, der etwa nur im Rohrbau mitmischt. Das ist auch historisch bedingt: Nach unterschiedlichen Auffassungen zur Unternehmensstrategie scheidet Johann Christof 2015 aus dem Unternehmen seines gleichnamigen Vaters, einem Anlagenerrichter alter Schule, der sich vom Schlosser zur Führungskraft hocharbeitete und durch gute Geschäftpraktiken und Verbindungen bei Industrieplayern wie Siemens oder Leykam in Gratkorn (heute Sappi) zur festen Größe entwickelte, aus. Ein Schritt, der "zur Verwunderung so mancher Kunden erfolgte“, erinnert sich ein Weggefährte.

Der auch meint: "Ich schätze beide sehr, sie sind tüchtig und leisten gute Arbeit ". Johann Christof junior, der seinen Lebensmittelpunkt mittlerweile in Dubai hat und den Weggefährten als Familienmensch mit Faible für die Jagd beschreiben, folgten unter anderem Günther Dörflinger, bis April diesen Jahres COO, zu Christof Industries. Das neue Unternehmen setzt auf Wachstum: Nach der insolventen FMT wird 2017 auch die Essener Anlagenbaufirma Oschatz übernommen. Diese ist auf Energierückgewinnung und Abfallverwertung spezialisiert - und meldete dieser Tage ebenfalls Insolvenz an. Grund sollen größere Querverstrickungen der beiden Unternehmen der Christof Industries sein: So kommen Engineeringleistungen für Großprojekte der Christof Industries Austria maßgeblich von Oschatz. Rund 100 Mitarbeiter sind von der Insolvenz betroffen.

„Massive Zahlungsverzögerungen“


Als Gründe für die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen bei Christof Industries Austria führt Johann Christof - Jahrgangscaptain 2011 eines FH-Lehrgangs für Innovationsmanagement - weitreichende Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie der Russland/Ukraine-Krise an. Lieferverzögerungen und enorme Preissteigerungen von teilweise 200 bis 300 Prozent bei Vormaterialien sowie Energie und Transporten ließen sich "bei laufenden Projekten nicht in die Kalkulation überwälzen". Das hätte das Ergebnis und die Liquidität enorm belastet. „

Zusätzlich kam es bei Kunden zu massiven Zahlungsverzögerungen, die selbst von dem operativ sehr gut laufenden Geschäft mit vollen Auftragsbüchern nicht kompensiert werden konnten“. Zahlungsausfälle und nicht bezahlte Mehrkostenforderungen von allein zwei Projekten hätten sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag aufsummiert. "Ein Unsicherheitsfaktor sei mitunter die Projektkomplexität im Anlagenbaugeschäft", erzählt ein Chef eines Anlagenbauers. „Ein Ein-Millionen-Euro-Projekt kann viel aufwändiger sein als ein 20-Millionen-Projekt bei dem es nur eine Liste abzuarbeiten gibt und das viel weniger Managementaufmerksamkeit erfordert“, sagt er.

Konsolidiert?


Ein Konsolidierungsanlauf in der weitverzweigten Firmengruppe der Christof International Global wurde jedenfalls genommen. „Ein größerer Konsolidierungsschritt mit vier Unternehmen in Österreich fand Ende 2019 bei Christof Industries in Österreich statt“, heißt es im Unternehmen. Durch die globale Covidkrise seien „die geplanten einzelnen Konsolidierungsschritte" in manchen Bereichen jedoch "nicht umsetzbar gewesen". Investiert wurde nach Darstellung von Christof Industries in den vergangenen Jahren jedenfalls tüchtig. Es habe seit der Gründung 2015 keine Gewinnausschüttungen gegeben. „Alles wurde in F&E reinvestiert“.