Russland Sanktionen : Moskau setzt Daimler Truck auf Sanktionsliste

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Sanktionen aus Moskau, Rückzug aus Asien – in Nordamerika hält Daimler Truck die Stellung, wie dieser Freightliner zeigt.

- © Daimler Truck AG

Die russische Regierung hat den deutschen Lkw-Hersteller Daimler Truck auf ihre Sanktionsliste gesetzt. Ein am Montag veröffentlichter Erlass, bereits am Freitag unterzeichnet, nennt keine offizielle Begründung. Doch kremlnahe Medien behaupten, der Stuttgarter Konzern habe militärisch nutzbare Lkw an die Ukraine geliefert – so der Vorwurf.

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Der Schritt ist Teil von Moskaus Antwort auf westliche Sanktionen infolge des Ukraine-Kriegs. Für Unternehmen auf der Liste gilt: Kein Handel mit Russlandalle Verträge verlieren ihre GültigkeitZahlungen entfallen. Daimler Truck hatte sich zwar frühzeitig aus dem russischen Markt zurückgezogen, hielt jedoch bis 2024 noch einen 15-Prozent-Anteil am Militärzulieferer Kamaz, den das Unternehmen inzwischen verkauft hat – Details zum Deal bleiben vertraulich.

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EU-Sanktionen bis 2026 verlängert – weiteres Paket geplant

Auch auf EU-Seite bleibt der Druck hoch: Die bestehenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland wurden bis zum 31. Januar 2026 verlängert. Brüssel begründet den Schritt mit anhaltenden Völkerrechtsverstößen durch Moskau.

Betroffen sind unter anderem Handel, Finanzen, Energie, Industrie, Transport und Luxusgüter. Der Import russischen Rohöls über den Seeweg ist untersagt, viele Banken bleiben vom Swift-System ausgeschlossen. Ein 18. Sanktionspaket befindet sich in Vorbereitung.

Auch wenn die Sanktionen aus Moskau überschaubare Folgen haben, kommen sie für Daimler Truck zur Unzeit – der Konzern steht ohnehin vor gravierenden Herausforderungen.

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Daimler Truck unter Druck – Absatz und Gewinn brechen ein

Im vergangenen Jahr hat Daimler Truck den Schwung des Rekordjahres 2023 verloren. Die weltweiten Auslieferungen gingen um 12 Prozent auf 460.400 Fahrzeuge zurück. Der Umsatz fiel um 3 Prozent auf 54,1 Milliarden Euro, der bereinigte operative Gewinn sank um 15 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro.

Vor allem Europa belastet die Bilanz: Der Absatz brach um über 20 Prozent auf 126.500 Fahrzeuge ein, der Umsatz sank um 12 Prozent auf 16,2 Milliarden Euro. Die Gründe: Marktanteilsverluste an Volvo, eine schwächelnde Konjunktur und steigende Kosten. Die operative Marge fiel auf 5,4 Prozent, der Gewinn der Region stürzte um 43 Prozent ab.

Auch Asien entwickelte sich enttäuschend: minus 22 Prozent beim Absatz, minus 15 Prozent beim Umsatz. Der Anteil Asiens am Gesamtgeschäft schrumpfte von 31 auf nur noch 22 Prozent. Problematisch ist vor allem das Geschäft mit Mitsubishi Fuso, das auf margenschwächere leichte und mittlere Lkw fokussiert ist – im Gegensatz zu den hochmargigen Fernverkehrs-Lkw, die Daimler in Nordamerika verkauft.

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Nordamerika bleibt die Stütze

In den USA zeigt sich Daimler Truck robuster: Der Absatz ging 2024 nur leicht um zwei Prozent zurück, der Umsatz stieg dagegen um 4 Prozent auf 25,6 Milliarden Euro. Gründe sind stabile Nachfrage im Fernverkehrstarke Preissetzungsmacht und hohe Margen durch großvolumige Modelle.

Die Nordamerika-Sparte und das Busgeschäft gelten als Gewinntreiber – und sichern aktuell die Stabilität des Konzerns.

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Daimler Truck trennt sich von Fuso – Rückzug aus Asien abgeschlossen

Das anhaltend schwache Asiengeschäft führt zu ersten gravierenden Konsequenzen: Daimler Truck gibt seine Beteiligung an Mitsubishi Fuso auf. Die Marke wird mit Toyotas Nutzfahrzeugsparte Hino Motors fusioniert. Das neue Gemeinschaftsunternehmen mit Sitz in Tokio soll ab April 2026 operativ starten und noch im selben Jahr an die Börse gehen.

Beide Mutterkonzerne halten jeweils 25 Prozent, die restlichen Anteile werden über den Kapitalmarkt verteilt. Mit einem Jahresabsatz von über 240.000 Fahrzeugen und rund 15 Milliarden Euro Umsatz entsteht einer der größten Lkw-Anbieter Asiens.

Die operative Leitung übernimmt Daimler-Truck-Manager Karl Deppen. Für Daimler bedeutet der Schritt strategische Klarheit – und rund eine Milliarde Euro Kapitalzufluss. Das verbleibende Asiengeschäft in Indien und China verbleibt bei Mercedes-Benz Trucks.

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v.l.n.r.: Koji Sato (Toyota), Satoshi Ogiso (Hino), Karl Deppen (Fuso), Karin Rådström (Daimler Truck) – bei der offiziellen Bekanntgabe der Fusion von Hino und Fuso zur neuen asiatischen Lkw-Holding.

- © Daimler Truck AG

Vom Weltkonzern zum Spezialisten

Mit dem Verkauf von Fuso und der Konzentration auf Kernmärkte wie Nordamerika vollzieht Daimler Truck einen fundamentalen Wandel. Die ambitionierte Idee eines globalen Industriekonzerns mit Weltmachtanspruch – sie ist Vergangenheit.

Was bleibt, ist ein fokussiertes Industrieunternehmen: technisch stark, wirtschaftlich nüchtern, ohne den Glanz, aber mit Substanz. Der neue Kurs ist weniger visionär – dafür realistischer. Und vielleicht genau deshalb zukunftsfähig.

Wie stark die Auswirkungen der russischen Sanktionen letztlich sein werden, bleibt abzuwarten. Klar ist nur: Sie werden Daimler Truck nicht helfen. Auch nicht in dieser neuen, reduzierten Rolle.

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Video: Das Ende der Welt-AG – Daimlers leiser Rückzug aus der Globalisierung

Was einst als „Unternehmensehe im Himmel“ gefeiert wurde, ist heute nur noch Geschichte. Die Idee der Welt-AG, geboren in den 1990ern, wollte Daimler zu einem Konzern für alles machen: Luxus und Lastwagen, Amerika und Asien, Massenmarkt und Premiumklasse.

Doch das Konstrukt war zu groß gedacht – und ist Stück für Stück zerfallen. Bereits 2021 wurde Daimler Truck von der Mercedes-Benz Group abgespalten. Jetzt, mit dem Rückzug aus Fuso, endet auch die letzte symbolische Verbindung zur einstigen Welt-AG.

Heute ist Daimler Truck ein Spezialist für Nutzfahrzeuge. Stark in Nordamerika, stabil im Kerngeschäft, fokussiert auf Margen und Technik – nicht mehr auf globale Größe. Keine Weltmacht mehr, sondern ein fokussiertes Industrieunternehmen.

Das Ende der Welt-AG ist damit besiegelt – und der Beginn einer neuen, realistischeren Ära bei Daimler Truck.