KTM Sanierungsplan : Kapitalverlust bei Pierer Mobility: 350-Millionen-Euro-Rettungspaket zur Stabilisierung der KTM-Gruppe geplant

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Pierer Mobility beruft wegen Verlust vom halben Grundkapital HV ein

- © Pierer Mobility AG

Die angeschlagene Pierer Mobility AG hat am Freitag ernüchternde Neuigkeiten veröffentlicht: Der Verlust von rund der Hälfte des Grundkapitals zwingt das Unternehmen zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung am 25. April. Prognosen zufolge wird das Eigenkapital zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2024 voraussichtlich deutlich negativ ausfallen. Im Zuge des Sanierungsplans der KTM-Gruppe, der eine Quote von 30 Prozent vorsieht, sollen auf der Hauptversammlung wichtige Kapitalmaßnahmen beschlossen werden.

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Wie der Vorstand gemeinsam mit dem Aufsichtsrat mitteilte, wird der Hauptversammlung vorgeschlagen, neue Aktien zum Ausgabepreis von 7,50 Euro pro Aktie zu emittieren. Im ersten Schritt steht eine Barkapitalerhöhung in Höhe von 150 Millionen Euro zur Abstimmung. Der Konzern erklärte dazu: „Sämtliche Aktien, für die das Bezugsrecht nicht ausgeübt wird, können von der Pierer Bajaj AG aufgegriffen werden.“

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Sachkapitalerhöhung über 200 Millionen Euro geplant

In einem weiteren Schritt soll eine Sachkapitalerhöhung im Umfang von 200 Millionen Euro beschlossen werden, bei der das gesetzliche Bezugsrecht ausgeschlossen ist. Die Durchführung dieser Kapitalmaßnahme ist an den erfolgreichen Abschluss der Restrukturierungsverfahren der KTM-Gruppe gebunden. Dabei wird ausschließlich der Hauptaktionär Pierer Bajaj AG zur Zeichnung zugelassen.

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Die Pierer Bajaj AG plant, bereits zur Verfügung gestellte Darlehen in Höhe von insgesamt 150 Millionen Euro – inklusive der gestern ausbezahlten dritten Tranche über 50 Millionen Euro – in Form einer Sacheinlage einzubringen. Zusätzlich soll ein weiteres in Aussicht gestelltes Darlehen über 50 Millionen Euro ebenfalls als Sacheinlage eingebracht werden. Laut Pierer Mobility stammen die Mittel für diese Darlehen vom Aktionär Bajaj Auto.

Abschließend erklärte der oberösterreichische Konzern: „Bei entsprechender Beschlussfassung in der Hauptversammlung und vollständiger Zeichnung der Sach- und Barkapitalerhöhung ist davon auszugehen, dass das Grundkapital der Pierer Mobility AG auf das rund 2,4-fache erhöht wird.“

An Bajaj geht für die Rettung der KTM nichts vorbei.
Florian Beckermann, Vorstand des Interessenverbands für Anleger

Positive Einschätzung von Anlegervertreter Beckermann

Florian Beckermann, Vorstand des Interessenverbands für Anleger (IVA), äußerte sich gegenüber der APA optimistisch über die geplanten Schritte. Seiner Ansicht nach war es absehbar, „dass ohne frisches Kapital auch bei der Pierer Mobility die Lichter ausgehen können.“ Dass man dem Streubesitz zumindest eine begrenzte Beteiligung an der Zukunft des Unternehmens durch eine Barkapitalerhöhung zu 7,50 Euro je Aktie ermögliche, sehe er als positiven Schritt.

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Beckermann weiter: „Nach der Veröffentlichung des Kapitalmarktprospekts kann man die Attraktivität besser beurteilen. Dass Bajaj Auto, die bald 200 Millionen Euro Bargeldspritzen zur Rettung der KTM AG, in Aktienmacht – durch eine Sachkapitalerhöhung – umwandeln lassen möchte, ist nachvollziehbar.“ Sein Fazit: „Wir erkennen: An Bajaj geht für die Rettung der KTM nichts vorbei.“

Die Pierer Mobility AG, Muttergesellschaft der KTM AG, sieht sich mit erheblichen finanziellen Herausforderungen konfrontiert. Mehrere Faktoren haben zu dieser Situation beigetragen:​

Rückläufige Nachfrage und Marktbedingungen

Ein wesentlicher Grund für die finanzielle Schieflage ist der deutliche Rückgang der Nachfrage nach Motorrädern und Fahrrädern. Hohe Inflationsraten in Europa, steigende Zinsen in den USA und ein allgemeiner Rückgang des globalen Wirtschaftswachstums haben die Kaufkraft der Verbraucher beeinträchtigt. Dies führte zu einem Umsatzrückgang von 27 % im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr. Besonders betroffen war der US-Markt, wo die Verkaufszahlen um 6,3 % zurückgingen.

Überproduktion und Lagerbestände

Während der COVID-19-Pandemie kam es zu einer erhöhten Produktion, um der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden. Nach dem Abflauen der Pandemie blieb das Unternehmen jedoch auf hohen Lagerbeständen sitzen, da die erwartete Nachfrage ausblieb. Dies führte zu zusätzlichen Kosten für Lagerung und Kapitalbindung. ​

Restrukturierungsbedarf im Fahrradsegment

Das Fahrradsegment von Pierer Mobility verzeichnete erhebliche Verluste. Im ersten Halbjahr 2024 betrug das operative Ergebnis (EBIT) in diesem Bereich -117 Millionen Euro, wobei etwa 75 Millionen Euro auf Sonderabschreibungen und Restrukturierungskosten entfielen. Das Unternehmen plant, sich künftig auf das Premiumsegment zu konzentrieren, um die Rentabilität zu steigern.