KTM-Insolvenz : KTM-Rettung – Sanierung des Motorradherstellers kann beginnen

Die Pierer Mobility und ihre insolvente Tochter KTM haben Finanzierungszusagen zur Erfüllung der 30-Prozent-Barquote im KTM-Insolvenzverfahren erhalten
- © KTMNach turbulenten Monaten hat der insolvente Motorradhersteller KTM eine wichtige Hürde genommen: Eine Finanzierungszusage ermöglicht es dem Unternehmen, seine Gläubiger zu bedienen und vorerst weiterzuarbeiten. Die Pierer Mobility AG und ihre insolvente Tochtergesellschaft KTM haben Finanzierungszusagen erhalten, um die 30-Prozent-Barquote im laufenden Insolvenzverfahren von KTM zu erfüllen. Dies teilten sie in einer Ad-hoc-Mitteilung in der Nacht auf Dienstag mit. Sanierungsverwalter Peter Vogl bestätigte, dass ihm eine Finanzierungszusage zur Begleichung der Quote vorliegt, die mit Dienstag datiert ist. Insgesamt geht es um etwa 600 Millionen Euro, die bis zum 23. Mai bei Vogl eingehen müssen, um einen Konkurs abzuwenden. Damit scheint der Fortbestand des Traditionsbetriebs in Mattighofen und Munderfing kurzfristig gesichert. Ob das auch für die mehr als 3.000 Arbeitsplätze an den beiden Standorten gilt, ist jedoch ungewiss.
>>> Bajaj rettet KTM – doch droht jetzt das Aus für Mattighofen?
Beim Motorradhersteller KTM gibt man sich vorerst zurückhaltend, was konkrete Informationen zur aktuellen Finanzierungszusage betrifft. Aufgrund des laufenden Signing-Prozesses und der noch ausstehenden Dokumentation wolle man sich vor dem 22. Mai nicht öffentlich zu Einzelheiten äußern, teilte das Unternehmen mit.
CEO Gottfried Neumeister zeigte sich erleichtert: „Die gesicherte Finanzierung ist ein starkes Signal für das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und unsere Marken. Vor allem aber ist sie ein bedeutender Meilenstein für die Stabilisierung und den strategischen Neustart der KTM AG – insbesondere für unsere MitarbeiterInnen, Kunden, Händler, Partner, Lieferanten und die gesamte KTM-Community“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme in der Nacht auf Dienstag.
Die Region hofft auf Stabilität, denn KTM zählt zu den größten Arbeitgebern im Innviertel. Eine klare Perspektive, wie es mit den Beschäftigten weitergeht, fehlt derzeit. Auch das Unternehmen selbst gibt sich zurückhaltend: Genauere Angaben zur regionalen Verteilung der Arbeitskräfte wurden bisher nicht gemacht.
Nie mehr die wichtigsten News aus Österreichs Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!
Wahrscheinlicher Geldgeber: Bajaj
Es gilt als weitgehend sicher, dass das Kapital von Bajaj, dem indischen Miteigentümer von KTM, stammen wird. Seit dem Insolvenzantrag im November des letzten Jahres hat das Familienunternehmen bereits mehrfach finanzielle Mittel bereitgestellt, um KTM zu unterstützen und eine Insolvenz zu verhindern. Insgesamt dürfte Bajaj rund 200 Millionen Euro beigesteuert haben. Doch KTM benötigt noch weitere etwa 600 Millionen Euro, um die Forderungen der Gläubiger zu begleichen. Um dieses Ziel zu erreichen, suchte man nach einem weiteren Investor.
>>> Wie Stefan Pierer die Kultmarke KTM zum Weltmarktführer machte
Es wird jedoch erwartet, dass KTM nicht von einem externen Investor, sondern von Bajaj gerettet wird. Berichten zufolge soll sich Bajaj ein Darlehen über 566 Millionen Euro gesichert haben, für das die US-Bank JPMorgan Chase, die DBS Bank aus Singapur und die Citigroup aus New York als Garanten auftreten. Sollte das Geld wie geplant bis zum 23. Mai bei Sanierungsverwalter Peter Vogl eingehen, könnte die rechtzeitige Zahlung der Quote gesichert werden. Danach ist eine gerichtliche Bestätigung erforderlich. Der Gläubigerschutzverband Creditreform geht davon aus, dass das Insolvenzgericht das Geld in der zweiten Junihälfte an die Gläubiger auszahlen wird.
Florian Beckermann, Vertreter des Interessenverbands für Anleger (IVA), äußerte sich erleichtert: „Nach viel Theater setzt sich die indische Besonnenheit und Finanzkraft durch. Eine Erleichterung für Aktionäre, Mitarbeiter und die Region. Dass in Insolvenzen nicht immer alles geradeaus läuft, ist klar, aber die Spekulationen nach der Hauptversammlung oder der Betriebsstillstand waren wenig hilfreich. Jetzt heißt es: Motorräder bauen und mit Gewinn verkaufen – nachhaltig.“
Wie der Gläubigerschutzverband Creditreform mitteilt, ist mit der Auszahlung der Quote an die Gläubiger in der zweiten Junihälfte zu rechnen. Beim Kreditschutzverband von 1870 (KSV) geht man hingegen davon aus, dass die ersten Überweisungen bereits Ende Mai erfolgen könnten. KSV-Insolvenzexperte Karl-Heinz Götze betont die wirtschaftliche Vernunft hinter der Fortführung des Unternehmens:
„Aus Gläubigersicht ist die Fortführung des Unternehmens wirtschaftlich sinnvoll. Bei einer insolvenzgerichtlichen Schließung und Zerschlagung des Unternehmens würden die Gläubiger eine Verteilungsquote von knapp unter 15 Prozent erhalten.“ Die Insolvenz der KTM-Gruppe stellt laut dem Kreditschutzverband von 1870 (KSV) die bislang größte Unternehmenspleite in Oberösterreich dar.
-
„Die gesicherte Finanzierung ist ein starkes Signal für das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und unsere Marken. Vor allem aber ist sie ein bedeutender Meilenstein für die Stabilisierung und den strategischen Neustart der KTM AG – insbesondere für unsere MitarbeiterInnen, Kunden, Händler, Partner, Lieferanten und die gesamte KTM-Community.“
KTM-Statement
Unklarheiten bleiben
Unklar bleibt, welche Auswirkungen diese Finanzspritze auf die Eigentümerstruktur von KTM haben wird. Es ist zu erwarten, dass Bajaj etwas für seine Vorleistung verlangt. Aktuell gehört die KTM AG zu 100 Prozent der Pierer Mobility AG, die wiederum zu 74,18 Prozent im Besitz der Pierer Bajaj AG ist. An der Pierer Bajaj sind die Pierer Industrie AG von Stefan Pierer (mit 50,1 Prozent) und die Bajaj Auto International Holdings B.V. aus den Niederlanden (mit 49,9 Prozent) beteiligt. Es ist wahrscheinlich, dass Bajaj, zugunsten seines eigenen Unternehmensimperiums, seine Anteile weiter erhöhen und möglicherweise die Kontrolle übernehmen möchte. Ebenso bleibt offen, wie es nach der Sanierung mit KTM und den über 3.000 Beschäftigten weitergeht – insbesondere, ob die Produktion in Mattighofen und die Arbeitsplätze im Innviertel erhalten bleiben.
>>> Wie der Kult-Motorradhersteller seine Insolvenz heraufbeschwor
Ende November 2024 hatte KTM ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eingeleitet. Insgesamt meldeten 1.200 Gläubiger Forderungen in Höhe von etwa 2,2 Milliarden Euro an. Am 25. Februar stimmten die Gläubiger im Landesgericht Ried im Innkreis mehrheitlich einem Sanierungsplan zu, der eine Barquote von 30 Prozent vorsieht. Sollte das benötigte Geld nicht bis zum 23. Mai bei Sanierungsverwalter Peter Vogl eingehen, würde dies das Ende des Sanierungsverfahrens und die Eröffnung eines Konkursverfahrens bedeuten. Derzeit ruht die Produktion in Mattighofen aufgrund von Lieferengpässen und dem Mangel an notwendigen Bauteilen.
Über Bajaj Auto
Bajaj Auto Limited ist eines der traditionsreichsten und erfolgreichsten Unternehmen der indischen Automobilindustrie. Gegründet im Jahr 1945 und mit Hauptsitz in Pune, Maharashtra, hat sich Bajaj zu einem global bedeutenden Hersteller von Motorrädern, Rollern und Dreirädern entwickelt. Das Unternehmen ist Teil der Bajaj Group, einem Familienunternehmen mit Aktivitäten in den Bereichen Automobilbau, Finanzdienstleistungen, Energie und Infrastruktur.
Bajaj Auto ist bekannt für seine starke Exportorientierung: Mehr als 50 Prozent der Produktion werden in über 70 Länder weltweit exportiert, darunter Märkte in Afrika, Südamerika, Südostasien und dem Nahen Osten. Besonders erfolgreich ist Bajaj im Segment der Mittelklasse-Motorräder, wo Modelle wie die Pulsar, Dominar und Avenger weltweit Absatz finden. In Kooperation mit internationalen Marken, darunter auch KTM, hat Bajaj seine technische Kompetenz und Produktionskapazitäten weiter ausgebaut.
An der Börse zählt Bajaj Auto zu den Schwergewichten Indiens und wird regelmäßig unter den Top-Unternehmen des Landes gelistet. Die Bajaj-Familie, allen voran Rahul Bajaj (†2022) und sein Sohn Rajiv Bajaj, prägten das Unternehmen über Jahrzehnte hinweg durch eine Wachstumsstrategie, Innovationskraft und starke Markenführung. Heute gilt Bajaj als Symbol für Indiens industrielle Leistungsfähigkeit und internationalen Anspruch. Kritiker bemängeln, dass Bajaj bei strategischen Partnerschaften dazu neige, seine Interessen stark durchzusetzen und damit langfristige Gleichgewichte zu gefährden.
Zukunft von KTM in Mattighofen: Was die Bajaj-Finanzierung für den Standort bedeutet
Die Finanzierung durch Bajaj kann kurzfristig zur Stabilisierung des Produktionsstandorts Mattighofen beitragen – mittel- bis langfristig stellen sich jedoch strategische Fragen. Durch die gesicherte Liquidität kann der sofort drohende Konkurs abgewendet und der Sanierungsplan umgesetzt werden. Das ermöglicht zumindest vorübergehend den Fortbestand der Produktion in Mattighofen.
>>> Nach Rücktritt von Stefan Pierer: Wer ist Gottfried Neumeister?
Allerdings ist unklar, welche Bedingungen Bajaj an die Finanzierung knüpft. Sollte der indische Konzern seine Beteiligung ausbauen oder de facto die Kontrolle übernehmen, könnte dies zu strukturellen Veränderungen führen – etwa zur Verlagerung von Entwicklungs- oder Fertigungskapazitäten nach Indien oder in andere kostengünstigere Standorte.
Für Mattighofen als KTM-Stammsitz bedeutet das: Die Zukunft hängt nicht nur von der finanziellen Rettung ab, sondern auch davon, welche Rolle der Standort im zukünftigen Konzerngefüge spielen soll. Wenn Bajaj primär auf Effizienz und global skalierbare Produktion setzt, könnten lokale Strukturen langfristig unter Druck geraten – selbst wenn derzeit von Seiten des Unternehmens noch keine konkreten Kürzungen angekündigt wurden.
"Die Absicherung des Standorts von KTM in Oberösterreich und damit der Arbeitsplätze im Innviertel haben weiterhin höchste Priorität auch für die Landespolitik", betonten Landeshauptmann Thomas Stelzer und Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (beide ÖVP) in einer Presseaussendung. Die nun vorliegende Finanzierungszusage zeige, "dass die Marke KTM nach wie vor internationale Zugkraft aufweist", sehen sie darin "einen Meilenstein" für den Fortbestand und "eine wesentliche Zukunftsperspektive für diesen Leitbetrieb".

Wirtschaftlich starke Region
Unabhängig vom Schicksal der KTM AG zeigt sich das Innviertel wirtschaftlich gut aufgestellt. Die Region beherbergt eine Vielzahl industrieller Leitbetriebe, die teils international agieren. In Ried im Innkreis ist mit der FACC AG ein bedeutender Luftfahrtzulieferer angesiedelt. Rund 3.000 der weltweit etwa 3.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in der Region beschäftigt. Ebenfalls in der Luft- und Automatisierungstechnik aktiv ist die B&R Industrie-Elektronik GmbH mit Sitz in Eggelsberg (Bezirk Braunau). Das Unternehmen beschäftigt rund 2.500 Personen.
>>> Das sind die größten Industrieunternehmen in Oberösterreich
Ein weiterer Hightech-Betrieb ist die EV Group (EVG) in St. Florian am Inn. Der Halbleiter- und Nanotechnologie-Spezialist hat dort über 1.200 Beschäftigte – weltweit sind es mehr als 1.600. Aktuell sind rund 50 Stellenausgeschrieben. In Freinberg (Bezirk Schärding) fertigt der Fahrzeugbauer Schwarzmüller mit 580 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Spezialfahrzeuge für Transport und Logistik.
Ein industrieller Schwerpunkt liegt zudem in der Aluminiumverarbeitung. In Ranshofen (Bezirk Braunau) sind gleich mehrere Betriebe der Branche angesiedelt: Die AMAG Austria Metall AG beschäftigt dort rund 1.900 Menschen, Hammerer Aluminium Industries knapp 700, und der Felgenhersteller Borbet Austria zählt 822 Beschäftigte.
Auch andere Industriebetriebe tragen zur wirtschaftlichen Stabilität der Region bei. Der Maschinenbauer Fill in Gurten (Bezirk Ried) hat rund 1.000 Mitarbeiter, der Fenster- und Türenhersteller Josko in Andorf und Kopfing (Bezirk Schärding) beschäftigt 887 Personen.
