Zukunft der Autoindustrie : Auto-Krise eskaliert: Warum VW strauchelt und Toyota profitiert

Toyota wächst in der Krise, VW verliert

Mitten in der schwersten Autokrise der vergangenen Jahrzehnten zeigt sich immer mehr: Toyota manövriert deutlich sicherer durch die stürmischen Zeiten.

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Am Fuß des Mount Fuji wächst eine Stadt. Nicht von einem Staat gebaut – sondern von einem Autokonzern. Von Toyota. Seit Herbst ziehen hier die ersten hundert Menschen ein: Ingenieure, Forscher, Familien.
Später sollen es zweitausend werden. Die „Woven City“ – ein Labor für die Mobilität der Zukunft. Entworfen von Toyotas Ex-Chef Akio Toyoda selbst.

Denn Toyota, jahrzehntelang der Inbegriff von Mechanik und Präzision – hatte lange ein Problem mit Software. Mit Woven by Toyota, der Software-Tochter, und der Plattform Arene sind diese zu einem guten Teil gelöst: Klare Roadmaps, stabile Teams, planbare Modellpipelines. Software modular gedacht, nicht improvisiert.

Während Toyota in Japan eine Stadt als Labor baut – kämpft man in Wolfsburg mit dem nächsten Software-Update. Cariad, Rivian, Milliardenverluste – das digitale Rückgrat von VW bleibt ein Dauer-Beta-Test. Toyota und Volkswagen – zwei alte Industriegiganten, beide aus Hochlohnländern, beide mit denselben Sorgen: Digitale Transformation, konjunktureller Abschwung, hohe Energiekosten, zögerliche Kunden.

Aber nur einer wächst. Der Volkswagen aus Japan. Mit klügeren Strategien, robusteren Lieferketten, geringeren Abhängigkeiten und einem Quäntchen geopolitischem Glück fährt Toyota Volkswagen davon.  

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Die Volkswagenzentrale in China: Jahrelang war das Geschäft im Reich der Mitte der Goldesel von VW. Doch der berühmt Scheck aus Peking wird Jahr für Jahr kleiner.

- © Volkswagen AG

China-Falle für VW: Wie Toyota global punktet und Wolfsburg den Anschluss verliert

Volkswagen und China – eine Erfolgsgeschichte von damals, und eine Fessel von heute. Die Wolfsburger brachten die industrielle Auto-Produktion nach China – und verdienten dort goldene Jahrzehnte. 2019 kam fast jeder zweite Volkswagen aus dem Reich der Mitte. Heute ist der sprichwörtliche „Scheck aus Peking“ geschrumpft: Nur noch jeder zehnte Euro Gewinn stammt aus China.

Und Toyota? Für die Japaner ist China wichtig – aber nicht überlebenswichtig. Nur jeder sechste Toyota rollt in China vom Band, und die Produktion wächst, in den ersten 9 Monaten auf über 1,1 Millionen Fahrzeuge während die Produktion von Volkswagen in China erneut schrumpft. 

Es könnte durchaus die geografische Nähe Japans zu China gewesen sein, die den strategischen Blick für das Risiko geschärft hat: Toyota hätte niemals alle Karten auf China gesetzt - stattdessen seine Märkte wie ein Sicherheitsnetz über die ganze Welt gespannt: Schon seit den 1990ern in Indien. Gemeinsam mit der Kirloskar-Gruppe entstand in Bidadi, bei Bangalore, das erste Werk. Was als Montagehalle begann, wurde zu lokaler Industrie.

Modelle wie der Innova oder der Fortuner sind dort Synonyme für Zuverlässigkeit – sogar auf Straßen, die in Europa wohl TÜV-Albträume auslösen würden. Heute hat Toyota in Indien über sieben Prozent Marktanteil – den Kleinsten aller japanischen Automarken am Subkontinent – aber weitaus mehr als VW mit geradeeinmal ein Prozent. Toyota hat sich gegen die China-Delle global immunisiert und baut Märkte auf. Volkswagen hängt an einem.

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Toyota setzte nie vollständig auf die Elektromobilität, heute sind die Japaner Weltmarktführer bei hybriden Fahrzeugen.

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Elektro-Wette verloren? Warum Toyotas Multi-Strategie erfolgreicher ist als VWs All-in-Ansatz

VW ging für westliche Hersteller früh „all in“ bei Elektroautos. Neue Werke, neue Plattformen, Milliarden-Investitionen. Einer der Hauptgründe für den starken – und frühen – Elektrofokus: China. Das Reich der Mitte erkannte erkannte aber ebenfalls früh die Chance, die sich mit dem Technologiewechsel in der Automobilindustrie bot: Mit der neuen Technologie ließen sich die Spielregeln neu schreiben und technologische Dominanz schaffen. China schritt voran – VW musste und wollte Teil dieser frühen Transformation sein.

Toyota dagegen wurde vom Heimatmarkt zum pragmatischen Blick auf die technologische Lage gezwungen: Japan hat teuren Strom, schwache Netze, kaum Ladepunkte. Ein reiner Elektrokurs wäre dort – schlicht – ein Selbstmord mit Ansage gewesen. Mit dem sogenannten Multipathway-Ansatz Hybrid, Plug-in, Batterie, Wasserstoff und Verbrenner, machte man aus der Not eine Tugend und ließ sich Optionen offen. Optionen, die man nutzte: Heute ist Toyota Weltmarktführer bei Hybriden. Die pragmatische Zwischenlösung boomt, während der Stromer-Absatz und vor allem die Stromer-Rendite – unter Konkurrenz von Tesla, BYD und Nio – leiden.

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Toyota baut mit weniger Mitarbeiter mehr Autos - der Grund dafür liegt nicht nur in der Produktivität.

- © YouTube/ Auto Tip off

Krisenfester als VW: Wie Toyotas Industrie-Familie Lieferengpässe meistert

Toyota baut mehr Autos – mit deutlich weniger Mitarbeitern. Rund 370.000 Beschäftigte weltweit, gegenüber fast 670.000 bei Volkswagen. Und trotzdem produziert Toyota jedes Jahr rund zwei Millionen Fahrzeuge mehr.

Das Geheimnis? Ein Wort, das nach Haiku klingt – und nach System riecht: Keiretsu. Ein Netzwerk aus Zulieferern wie Denso, Aisin oder Hino – mit geteilten Entwicklungen, gegenseitigen Beteiligungen, jahrzehntelanger Partnerschaft. Kein Outsourcing, sondern industrielle Familie.

VW hat ebenfalls starke Partner – Bosch, ZF, Continental. Aber ohne gemeinsame DNA.  Outsourcing, kein industrielles Ökosystem. Solange alles ruhig ist, funktioniert die Distanz im deutschen Zuliefermodell – doch in der Krise zeigt sie, wo die Grenzen liegen.

Am Höhepunkt der Chipkrise während der Covid-Pandemie standen die Bänder in Wolfsburg still. In Nagoya liefen sie weiter.  Das deutsche Modell der Arbeitsteilung in der Automobilindustrie war jahrzehntelang weltweites Vorbild – aber in einer geopolitisch volatileren Welt ist das japanische Modell eindeutig das Robustere.

Das zeigt sich auch in der aktuellsten Chipkrise rund um Nexperia, Toyota hatte seine Lieferströme längst diversifiziert, alternative Bezugsquellen aufgebaut – und entsprechende Vorräte angelegt. Toyota hat das Prinzip „Just in Time“ erfunden – und nach der Pandemie neu gedacht: „Just in Case.“ Puffer, Vorräte, Alternativen. Toyota plant für Krisen – Volkswagen reagiert auf sie.

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Preis-Leistungs-Schock: Warum Toyota heute der bessere Volkswagen ist

Volkswagen war einst das Synonym für den Preis-Leistungs-Hit. Autos für viele – nicht für wenige. Und Heute? Ein Golf oder ID.3 startet bei 35.000 Euro. Ein Toyota Corolla Hybrid bei 25.000. Toyota baut noch immer Autos für viele. Toyota bleibt zugänglich, verlässlich, funktional. VW driftet Richtung Premium – und verliert den Boden unter der Mittelklasse.

Der Corolla ist seit Jahrzehnten das meistverkaufte Auto der Welt, weil er das bietet, was früher „Volkswagen“ hieß: solide Technik, gute Effizienz, kostengünstig. Und: Die Umsätze des Konzerns bleiben stabil – besonders in Zeiten globaler Inflation, Zinsdruck und Konsumzurückhaltung.

Toyota – und das ist wohl das ultimative Erfolgsgeheimnis der Japaner - ist heute der echte Volkswagen, während VW ein teurer Versuch ist, wieder einer zu werden. Oder anders gesagt: Toyota verkauft Autos. Volkswagen lädt noch.