Energieeffizienz : Werkzeugmaschinen: Gegen den Strom
Wie man sich bettet, so liegt man. Thomas Koch, Forscher am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU), kennt das Sprichwort. Es begleitet seine Arbeit. Im Projekt „E2Dreh“ sucht er seit 2009 nach Maßnahmen zur ganzheitlichen Optimierung von Drehmaschinen. „Und dabei stand die Frage, aus welchem Material das Bett der Versuchsmaschine künftig sein könnte, natürlich ganz oben auf der Agenda“, schildert der Wissenschaftler. Bisher hatte Niles-Simmons seinem – gut eingeführten – Drehautomaten N20 ein Standard-Graugussbett als Basis spendiert. Im Projekt „suchten wir nach einem energetisch günstiger herstellbaren Werkstoff für eine runderneuerte Maschinenvariante“, erklärt Koch.Eine spektakuläre Suche nach Alternativen brach los – sie sollte den Deutschen bald nach Österreich, genauer: Frankenburg, führen. Die dort ansässige Framag Industrieanlagenbau sei auf „hervorragend gedämpfte, stabile Mineralgussbetten“ spezialisiert, weiß Koch. In einem mehrwöchigen Testmarathon schickte sein Team mehrere verschiedene Maschinenbetten in die Arena – das Rennen machte das Hydropol-Bett der Oberösterreicher: Laut Kochs Aufzeichnungen reduzierte sich durch Einsatz desselben der Energiebedarf pro produziertem Bett (bisher 1, 4 Megawattstunden) spektakulär „um die Hälfte“. Diskrete Vorhut. Das Kapitel Energieffizienz läuft sich nicht müde. Ganze Herstellerscharen flaggen auf Industriemessen ihr Neugerät als kleine und größere Sparrevolutionen aus. Nicht immer sind die vielgepriesenen Energiebremsen aber der letzte Schrei, wie INDUSTRIEMAGAZIN berichtete. Ganz anders dagegen die an Forschungsinstituten laufenden, meist wohlgehüteten Projekte: „Während Hersteller jede noch so kleine energetische Maßnahme feiern, geht hier etwas weiter“, so ein Produktionsexperte. Meist schaffen es die einzelnen Verbesserungen später in die Serie. Das Fraunhofer-IWU etwa beschäftigt sich auch mit dem Kapitel Leichtbau. An einer Drehmaschine realisierte Forscher Thomas Koch einen innovativen, leichteren Z-Schlitten, auch Längsschlitten genannt. Mittlerweile ist der Teil aus Aluminiumschaum (bisher Grauguss) im Testbetrieb, der Einsatz in der Serienmaschine äußerst denkbar. Welche weiteren Energieoptimierungen stehen unmittelbar vor dem Sprung in die Praxis? Ein Überblick. Fortsetzung auf Seite 2: Werkzeugmaschinen - untadelige Maschinenschmierung
Christian Brecher liebt das Abenteuer. In Praxisversuchen findet es der Chef des Werkzeugmaschinenlabors der RWTH Aachen in vollen Dosen. Im Projekt Ewotek (Ganzlangfassung: „Effizienzsteigerung von Werkzeugmaschinen durch Optimierungder Technologien zum Komponentenbetrieb“) lief bei den Deutschen eine 24-monatigeGroßfahndung nach neuen überraschenden Ansätzen zur Energiereduktion – „die spannendsten Ideen wurden dann an zwei Demo-Maschinen umgesetzt“, erzählt Brecher. Dabei entschied man sich einerseits für ein vertikales Dreh-Schleif-Zentrum der Marke Index (V160C), ein ziemliches Arbeitstier für die Bearbeitung von Flanschteilen mit Außen- sowie Innenschleifoperationen. Anderseits für ein antriebsstarkes, horizontales Bearbeitungszentrum von Heller (H2000), laut Hersteller „für die Serienfertigung mit wechselnden Losgrößen geeignet“ und erstmals 2007 vorgestellt. Untersuchungen zeigen, dass im Produktivbetrieb „mehr als die Hälfte des Gesamtverbrauchs dem Kühlschmierstoffaggregat zugeschrieben werden kann“, erklärt Brecher seine Arbeitsthese. Anders gesagt: Die Hochdruckpumpe sei argumentativ klar als Energiefresser Nummer eins eingekreist. Ein Frequenzumrichter, sagt der Hausverstand, könne Abhilfe schaffen, „indem er den Volumenstrom des Kühlschmierstoffes anpasst“, so Brecher. Was oftmals aber unberücksichtigt bleibt: Der Durchmesser der Kühlkanäle. Die entscheidende Frage ist also: Bis zu welcher Bohrergröße sollte man in einen Umrichter einiges an Geld stecken? Um das herauszufinden, wählten die Aachener in Zehnerschritten sieben unterschiedlicheDruckstufen an (von 10 bis 70 bar). Folgende Faustregel behielt man im Hinterkopf: Je kleiner der Werkzeugdurchmesser und je höher der Druck, umso größer der erzielte Spareffekt. Ergebnis des Messmarathons: Für kleine Werkzeuge bis fünf Millimeter Durchmesser und einen maximalen Kühlschmierstoffdruck von 70 bar seien „Leistungseinsparungen bis zu 45 Prozent möglich. Bei Kosten von zehn Cent pro Kilowattstunde Strom hätte sich die Investition nach 2200 Betriebsstunden amortisiert“, lautet Brechers Fazit. Was bei größeren Bohrerdurchmessern passiert, ist auch nicht unspannend: „Ab 20-Millimeter-Bohrern ist unabhängig von der gewählten Druckstufe keine Leistungseinsparung mehr zu erreichen“, fand Brechers Team heraus. Der Betrieb eines Frequenzumrichters wäre also „eindeutig unrentabel“. Aggregate als Maßanzug. Auf energetisch aufgebohrte Fräs- und Drehzentren hat es unterdessen Lars Hülsemeyer abgesehen. Der Forscher am Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen an der Leibniz Uni Hannover will mit neun Projektpartnern noch bis Mitte 2012 für frischenWind in der Klein- und Mittelserie sorgen – er hofft auf einen „Paradigmenwechsel“. Ziel sei die Abkehr von einer statischen Betriebsweise von Maschinen. Besonders Thermiksysteme, Spindel und Vorschubachsen müssten dynamischer sein. Zunächst analysierte Hülsemeyer die Energieflüsse in zwei Gildemeister-Maschinen. Einer fünfachsigen Portalmaschine für die Bearbeitung von Bauteilen bis 20 Tonnen (DMU 340 P), einem horizontalen Bearbeitungszentrum (DMC 80 H). Hülsemeyers Fazit: Bei beiden Testmaschinen seien die Kühlwasseraggregate „deutlich überdimensioniert“. Die Energieeffizienz habe beim Hersteller noch nicht „vorrangige Priorität“, heißt es mit höflicher Sachlichkeit. Eine Luftkühlung „mit umgebungsgeführter Regelung“ sei wohl die bessere Variante. Eine Energiereduktion um ein Drittel an der Maschine scheint dem Forscher durchausmachbar – wohl auch durch eine effizientere Schaltschrankkühlung. Sie geht derzeitkaum als übermäßig energieeffizient durch: Die derzeit eingesetzten Aggregate – Umluftaggregate mit einer zusätzlichen Einblasung von Kühlluft bei der großen DMU 340 P sowie Luft-Wasser-Wärmetauscher zur Wärmeabfuhr – sorgen für „ein Unverhältnis zwischen abgeführter Wärme und aufgebrachter Energie“, mahnt der Projektleiter. Der Leistungskoeffizient liege bei wenig erbaulichen Werten „unter eins“. Besser sei das Egebnis mit einem (wassergekühlten) Frequenzumrichter und vereinzelten Kühlplatten – „wir prüfen gerade die Umsetzbarkeit“. Ist die Maschine auch noch gut gebettet, umso besser. Daniel Pohselt