Jensen tritt zurück, Ex-Voest-Chef Struzl übernimmt : Überraschender Chefwechsel bei RHI

Jensen war erst im August 2010 als Nachfolger von Thomas Fahnemann an die RHI-Spitze gekommen. Struzl war 12 Jahre als Vorstand der voestalpine gewesen und davon die letzten drei Jahre vor seinem eigenen Rücktritt 2004 in der Funktion des Vorstandsvorsitzenden tätig. Zuletzt leitete er Villares Metals, Brasilien, ein Unternehmen der Böhler-Uddeholm Gruppe. Die Änderung im Vorstand beim börsenotierten Feuerfestkonzern RHI sei eine "wirklich große Überraschung", sagte Kleinanleger-Vertreter Wilhelm Rasinger am Mittwochabend im Gespräch mit der APA. Dass Ex-Voest-Chef Franz Struzl nun RHI-Vorstandsvorsitzender wird, könne angesichts seines Alters (69) und seiner bereits geäußerten Absichten, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen, aber wohl nur als eine zeitlich befristete Übergangslösung gesehen werden. Struzl ist Aufsichtsratsmitglied bei A-Tec und der Motorentochter ATB Austria. Zuletzt wurde kolportiert, dass er den Aufsichtsrat der A-Tec verlassen hat, was das Unternehmen allerdings dementierte. Sein Rücktritt sei dort nicht akzeptiert worden, hieß es vor wenigen Tagen zur APA. Kurzzeit-Chef Henning Jensen streute Rasinger heute Rosen: "Er hat in kurzer Zeit einen sehr guten und kompetenten Eindruck hinterlassen. Er hatte die Interessen aller Aktionäre im Auge." Warum Jensen seine Funktion als RHI-Chef nach nur einem Jahr an der Spitze zurückgelegt hat, darüber schweigt man offiziell. "Ich kann das nicht weiter kommentieren", meinte RHI-Sprecherin Elke Koch auf APA-Anfrage. Nur so viel: "Das geschah auf Jensens Wunsch." Was der 51-Jährige jetzt vorhat, wisse sie nicht. Permanente Unruhe im VorstandFür Rasinger lässt die "permanente Unruhe" im Vorstand darauf schließen, dass das Verhältnis zum Hauptaktionär "kein einfaches" sei. RHI-Haupteigentümer ist der Investor Martin Schlaff. In den vergangenen Jahren sei es immer wieder zu Veränderungen gekommen. "Das ist sicher nicht die beste Voraussetzung für eine langfristig nachhaltige Führung eines Unternehmens", so Rasinger. Erst vor einem Jahr im August trat überraschend der damalige Vorstandschef Thomas Fahnemann ab, Jensen folgte ihm nach. RHI bekommt nun mit Struzl zum dritten Mal in weniger als drei Jahren einen neuen Chef. Struzl hätte man eigentlich auch als Berater engagieren können, findet Rasinger, "statt ihm gleich die gesamte Führung des Unternehmens zu überlassen". Der frühere Voest-Chef sei in den vergangenen Jahren unternehmerisch "sehr erfolgreich" gewesen, zuletzt leitete er in Brasilien Villares Metals, ein Unternehmen des zur voestalpine gehörenden Edelstahlkonzern Böhler-Uddeholm. Struzl bringe hier für RHI ein "spezielles Know-how" mit, wie Rasinger es ausdrückte. RHI ist gerade dabei, in Brasilien Fuß zu fassen. RHI-Konkurrent Magnesita eröffnete Büro in WienDer brasilianische Konkurrent Magnesita indes macht sich nun in Österreich breit. Während der österreichische Feuerfestprodukte-Hersteller RHI eben noch dabei ist, in Brasilien ein eigenes Werk auf die grüne Wiese zu stellen, postiert sich bereits der brasilianische Konkurrent Magnesita mit einer Büroeröffnung in Österreich - in Europa ist er längst präsent. Derzeit ist der Mitbewerber eigenen Angaben zufolge der weltweit Drittgrößte der Branche - mit einem Marktanteil von knapp 6 Prozent. Weltmarktführer sind die börsenotierte RHI, deren Haupteigentümer der Investor Martin Schlaff ist, beziehungsweise Vesuvius mit je um die 10 Prozent. "In den kommenden Jahren wollen wollen wir von Wien aus kräftig wachsen", kündigte Magnesita-CEO Ronaldo Iabrudi Pereira heute, Mittwoch, bei einer Pressekonferenz an. Der Firmensitz befindet sich in Sao Paulo. Die Brasilianer sind umsatzmäßig deutlich kleiner als die RHI, aber laut Eigenangaben ertragsstärker. "Global sind wir das profitabelste Unternehmen der Branche", sagte der Verantwortliche für den Geschäftsbereich Europa, Martin Bartmann. Die Eigenversorgung mit Rohstoffen ist mit einem Anteil von derzeit durchschnittlich 70 Prozent hoch, der Wachstumskurs dynamisch. "Bis 2013 will Magnesita den Selbstversorgungsgrad mit Rohstoffen (Rückwärtsintegration) auf 90 Prozent kräftig anheben", sagte Finanzchef Flavio Rezende Barbosa zur APA. Fusionen bzw. Übernahmen stehen auf dem Plan, sofern sich Synergien ergeben. Der Feuerfestmarkt sei stark fragmentiert, eine Konsolidierung sei unausweichlich. "Wir wollen in diesem Konsolidierungsprozess eine stärkere Rolle spielen", unterstrich der Europa-Chef. "Von Wien aus werden wir unsere Industrial Refractories Division leiten", so der Europa-Chef. Der Konzern konzentriert sich also auf Kunden aus der Zement-, Keramik- und Petrochemischen Industrie, nicht auf die Stahlindustrie. Für den Industrial-Bereich sei Magnesita "vollintegriert", kann also 100 Prozent der dafür nötigen Rohstoffe selbst aufbringen. Die Eigenproduktion von Magnesit will der Konzern bereits bis zum März 2012 von derzeit rund 80 Prozent auf 100 Prozent erhöhen, die Gewinnung von Graphit soll bis Ende 2012 von 80 auf 85 Prozent steigen. Entsprechende Investitionen werden derzeit getätigt. Im Österreich-Büro starte Magnesita mit aktuell fünf Mitarbeitern, die Zahl werde aber schon bald "signifikant erhöht", so der Vice President der Sparte Industrial Global, Yan Hofstetter, der den neuen Standort in der Wiener Innenstadt leitet. In Europa hat der Konzern bereits im abgelaufenen Jahr intensiv Personal von anderen Unternehmen abgeworben. "In Österreich gibt es viele Mitarbeiter, die für unsere Branche wichtige Fähigkeiten haben", betonte Bartmann, der früher als Finanzchef der RHI-Division Industrial aktiv war. Im ersten Halbjahr 2011 verbesserte Magnesita ihren Nettogewinn um 40 Prozent auf 70 Millionen brasilianische Real (30 Millionen Euro). Im Gesamtjahr 2010 hatte sich der Gewinn auf 80 Millionen Real (34,3 Millionen Euro) belaufen. Die operative Gewinnmarge vor Abschreibungen (EBITDA-Marge) lag bei 20,3 Prozent, heuer ist sie dem CFO zufolge "etwas niedriger". Der Jahresumsatz mit den weltweit rund 8.000 Beschäftigten erreichte umgerechnet 1 Milliarde Euro. Zum Vergleich: die RHI erzielte im Vorjahr mit über 7.000 Mitarbeitern unter dem Strich einen Gewinn von rund 105 Millionen Euro, bei einem Umsatz von 1,52 Milliarden Euro. Die EBIT-Marge betrug 9,1 Prozent. Auf die Frage, ob Magnesita möglicherweise den rund 30-prozentigen RHI-Anteil von Schlaff übernehmen könnte, meinte Unternehmenschef Iabrudi: "Dazu möchte ich keinen Kommentar abgeben." Fast ein Viertel des Magnesita-Umsatzes entfiel im Vorjahr auf Europa, wo der in Sao Paulo börsenotierte Konzern derzeit über 500 Kunden hat. Das Unternehmen arbeitet laut Eigenangaben mit nahezu allen führenden Unternehmen der Stahl- und Zementbranche zusammen - darunter etwa auch ThyssenKrupp, ArcelorMittal, Outokumpu, Tata Steel, Lafarge, Holcim und HeidelbergCement. In Österreich beliefern die Brasilianer beispielsweise den zur voestalpine gehörenden Edelstahlkonzern Böhler-Uddeholm.(APA/red)