Maschinenbau : Retrofitten: Moderne Architektur

Im „Leitfaden für Maschineneinkäufer“ der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt steht es schwarz auf weiß. „Erforderliche Schutzmaßnahmen bei Wartungs- und Reparaturarbeiten sind Informationen, die der Maschinenkäufer spätestens bei Lieferung vom Hersteller erhalten muss.“ Meist „in Form einer Betriebsanleitung“, erklärt Stefan Krähan, Sicherheitsexperte der Hauptstelle der AUVA. Doch die kann Lücken haben. Sicherheitsbelange, heißt es im Dokument MO44, seien in der Maschinenkonstruktion „nicht so gefragt“. Deshalb würden einige Hersteller auf eine „sicherheitstechnisch einwandfreie Konstruktion“ verzichten. Auch Krähan sieht in der Praxis immer wieder Versäumnisse an Neumaschinen. „Da haben Maschinen eine CEKennzeichnung, die nicht einmal eine Schutzeinrichtung haben.“InterpretationssacheDeshalb der Leitfaden. Darin will sich die AUVA nicht als Besserwisser aufspielen. Er soll Maschinenkäufer – motivationsrhetorisch brillant – zu mehr Sicherheitsbewusstsein anstacheln. Einerseits, um sich rechtlich abzusichern: Eine sichere Konstruktionsart sei zwar gesetzlich als Mindestforderung verankert. Doch vom Kunden nicht eingefordertes Recht sei „totes Recht“, heißt es bei der AUVA. Aus einem zweiten Grund wird der Leitfaden auf der AUVA-Website gerade wie wild heruntergeladen. Mit Ende 2011 wurde die Steuerungsnorm EN 954-1 („Sicherheit von Maschinen“) zurückgezogen – sie verlor damit die Konformitätsvermutung. An ihren Platz rückte die EN ISO 13849-1. Die Norm nimmt sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen ins Visier. Die Steuerungskategorien (B, 1, 2, 3, 4) wurden dabei durch Performancelevels (A bis E) abgelöst – speziell beim Umbau von Werkzeugmaschinen hält die Norm nun einige Überraschungen bereit. Größter Brocken: Eine neuerliche CE-Kennzeichnung wird beim umfassenden Maschinen-Retrofit unumgänglich. Die Ausstellung eines neuen CE-Pickerls umgeht nur, wer den Passus „wesentliche Veränderung“ eher „großzügig interpretiert“, heißt es in der Industrie. Baut man eine Dreh- in eine Schleifmaschine um, kann es teuer werden. Ebenso bei einer größeren Leistungssteigerung. Oder der Verkettung. „Da treiben steuerungstechnische Eingriffe die Umbaukosten in die Höhe“, so der Branchentenor.PflichtenheftUmso wichtiger ist es, dort zu sparen, wo es geht. Welche Änderungen steuerungsseitig nötig sind, finden Betriebe über eine Risikoanalyse heraus. Automatisierer wie Pilz oder Sick bieten so etwas an. Im Vorteil ist der, der möglichst viele Daten über die Maschine in petto hat. „Die technische Seite der Maschine sollte gut dokumentiert sein, um die Kosten der Risikoanalyse überschaubar zu halten“, weiß Gerhard Stockhammer, Spezialist für sichere technische Konstruktion beim Wiener Automatisierer Pilz. Stefan Krähan von der AUVA bestätigt das. Und die AUVA weiß, wo in der Praxis die Probleme auftreten: Entweder fehlt die deutsche Betriebsanleitung oder Hinweise an der Maschine selber. Stefan Krähans Empfehlung: Beim Neukauf mithilfe eines Pflichtenhefts resolut auf eine „vollständige Dokumentation“ zu bestehen, so Krähan. Hier gehts weiter
Zuletzt wollen Maschinenbauer und Automatisierer keinen Einbruch ihres Retrofit-Geschäfts beobachtet haben. Die Umsätze seien „stabil“, heißt es beim Wiener Automatisierer Pilz. Und die Verunsicherung über die neue Normensituation sei zuletzt „gewichen“, meint Pilz-Mann Gerhard Stockhammer. Ein anderer Branchenkenner zeichnet jedoch ein dramatischeres Bild. Viele Firmen würden schlicht „aufs falsche Pferd setzen“, meint er. Das Problem: Mit der Umstellung auf Sicherheits-Performancelevels müssten Hersteller Ausfallswahrscheinlichkeiten berechnen und angeben.“ Doch in der Risikoanalyse haben diese Werte streng genommen nichts verloren. Doch manche Anbieter solcher Analysen würden sie Kunden „aufs Aug’ drücken“. „Da wird manchmal eine Menge unnötiges Papier produziert“, fällt auch AUVA-Experte Andreas Krähan auf. Eigentlich ein Punkt für den „Maschineneinkäufer-Leitfaden“.Daniel Pohselt Risikoanalyse – risikolos!Was in jeder Neumaschinen-Betriebsanleitung stehen sollte(um Ihre Retrofit-Kosten um bis zu 30 Prozent zu senken) - Typenbezeichnung oder Serienbezeichnung, Baujahr, mögliche Eignung der Maschine zur Verwendung in explosionsfähiger Atmosphäre- EG-Konformitätserklärung oder ein Dokument, das diese Erklärung inhaltlich wiedergibt- allgemeine Beschreibung der Maschine- alle für Verwendung, Wartung, Prüfung und Instandsetzung erforderlichen Angaben- bestimmungsgemäße Verwendung der Maschine- Arbeitsplätze, die vom Bedienungspersonal eingenommen werden können- Hinweise zu Transport, Handhabung und Lagerung der Maschine- Anleitungen zu Montage, Aufbau und Anschluss der Maschine- mögliche Lärm- und Vibrationsminderungsmaßnahmen- Angabe der Restrisiken und Maßnahmen gegen diese Risiken- Werkzeugmerkmale- Vorgehen bei Unfällen und Störungen- Spezifikation der zu verwendenden Ersatzteile- Emissionsangaben (z. B. Lärm, Vibrationen oder Strahlung)