Chemische Industrie : Österreichs Chemieindustrie legt nach der Flaute kräftig zu

Die österreichische Chemieindustrie hat 2017 nach fünf Jahren Flaute kräftig zugelegt: Der Umsatz der Branche stieg gegenüber dem Jahr davor um 3,5 Prozent auf 15,3 Mrd. Euro und übertraf damit sogar den Höchststand von 15,1 Mrd. Euro im Jahr 2012. Für heuer rechnet Fachverbandsobmann Hubert Culik mit einem ähnlich guten Ergebnis.
"Wir werden uns auch im kommenden Jahr auf diesem Niveau stabilisieren, aber mit leichter Abwärtstendenz", sagte Culik im Gespräch mit der APA. "Ich glaube nicht, dass die Bäume in den Himmel wachsen." Das liege an der allgemeinen Konjunkturentwicklung.
Aufschwung auf breiter Front
Der aktuelle Aufschwung habe die Branche auf breiter Front erfasst, getragen von der guten internationalen Konjunktur hätten Kautschukwaren, Fasern und Chemikalien am meisten zugelegt. Aber auch Industriegase, Lacke und Kunststoffwaren seien deutlich im Plus. Seifen, Wasch- und Körperpflegemittel hätten sich auch gut entwickelt, aber nicht ganz so starke Steigerungen gehabt, sagte Culik. Deutliche Steigerungen habe es auch bei Kunststoffrohren gegeben, "das hängt wahrscheinlich zusammen mit der ganzen Thematik rund um die Sanierung von Gebäuden".
Die Wachstumsimpulse seien sowohl vom heimischen Markt als auch von der starken Nachfrage aus dem Ausland gekommen, sagte Culik, der auch Geschäftsführer des Lackherstellers Rembrandtin und CEO der Helios-Gruppe ist. Helios gehört dem japanischen Farbenhersteller Kansai Paint.
Auch die Investitionen der Firmen hätten im Vorjahr angezogen, mit rund 775 Mio. Euro seien sie im Vorjahr deutlich über dem Schnitt der vorangegangenen Jahre gelegen. Für heuer sei eine weitere Steigerung geplant.
Weniger Betriebe, Mitarbeiterzahl der Branche konstant
Die Anzahl der Betriebe der chemischen Industrie ist zwar in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gesunken - mit einem leichten Anstieg im Vorjahr auf 247 Betriebe - die Beschäftigtenzahl ist aber über die Jahre konstant mit leichtem Aufwärtstendenz: 2017 beschäftigte die Branche in Österreich 44.657 Menschen, um gut 2.000 mehr als vor einem Jahrzehnt. Etwa 70 Prozent der Produktion geht in den Export.
Eine Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer sei kein großes Thema, sagte Culik. "Firmen, die in den Osten gegangen sind und Produktion z.B. nach Indien verlagert haben, sind teilweise wieder zurückgekommen, weil die Qualität in Österreich sehr gut ist und die Leute hier sehr gut sind." Der Anteil der Personalkosten an den Produktionskosten sei in der Branche nicht so bedeutend wie die Kosten der Rohstoffe. Es habe aber keinen Sinn, in Österreich Commodities zu produzieren, also Massenwaren, aber bei der Innovation sei Österreich sehr gut. "Man schimpft leicht über den Standort, die Österreicher neigen dazu - aber ich finde, dass der Standort in Österreich gut ist."
Stimmung in der Branche gut - es fehlen immer mehr Spezialisten
Die Stimmung in der Branche sei gut, sagte Culik, aber es habe zuletzt auch Probleme gegeben, etwa Rohstoffengpässe. "China hat aus Umweltschutzgründen praktisch über Nacht 140 Chemiefirmen geschlossen." Das habe zu einem Anstieg der Nachfrage nach Basischemikalien in China geführt und es sei daher viel von Europa und aus anderen Ländern nach China geliefert worden. Die Rohstoffknappheit habe einerseits zu Preissteigerungen bei Bausteinchemikalien geführt, "und wenn man nicht gut genug vernetzt war, dann konnte es auch passieren, dass man keinen Rohstoff bekommen hat".
Ein weiteres Problemfeld der Branche sei der Fachkräftemangel, hier versuche die Branche aber selbst entgegenzusteuern. "Wir haben den Lehrberuf des Labortechnikers neu geschaffen, mit einer modularen Möglichkeit: Da kann man etwa in Richtung Biotechnologie gehen oder in Richtung Lack." Darüber hinaus gibt es an der FH Krems ab Herbst 2018 den neuen Bachelor-Studiengang "Applied Chemistry", bei dem Chemie-Fachkräfte ausgebildet werden.
Starken Einfluss auf die Chemiebranche werde auch die Entwicklung in der Solarindustrie sowie in der Autoindustrie haben, ist Culik überzeugt. "Die Batterie-Thematik ist z.B. auch ein großes Chemie-Thema." Außerdem werde wohl der Trend beim Autobau immer mehr in Richtung Kunststoff gehen und weg vom Metall."
Großes Thema Firmenübernahmen
Auch das Thema Mergers & Akquisitions bewege die Branche sehr stark, sagte Culik. Schon 2017 in dem Bereich viel passiert, "und ich erwarte auch im nächsten halben Jahr oder Jahr noch sehr viel in der Richtung". Früher seien bei Übernahmen in der Chemiebranche Multiples von 6 oder 8 bezahlt worden, heute spreche man von 14 oder 15. "Es werden sehr hohe Multiples bezahlt, weil einerseits Geld da ist und die Zinsen nicht hoch sind."
2017 war ein Jahr der Megadeals in der Chemiebranche. Die größte Transaktion war der Verkauf der Gemüsesaat-Sparte von Bayer an BASF um 7 Mrd. Dollar (5,8 Mrd. Euro). In Europa erhöhte sich der Transaktionswert um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt ging ein Viertel aller Transaktionen auf das Konto chinesischer Käufer, zeigt der aktuelle "Chemicals Executive M&A Review" von A.T. Kearney.
Chemiefirmen in Österreich aufgekauft
Bevorzugtes Zielland für die Schwellenmärkte war vergangenes Jahr Deutschland. Insgesamt wurden zehn deutsche Firmen übernommen. In Österreich wurde Glanzstoff vom thailändischen Chemieunternehmen Indorama Ventures übernommen. Erst gestern wurde bekannt, dass das Linzer Spezialchemieunternehmen ESIM einen neuen Eigentümer bekommt: Der US-Investmentfonds Sun European Partners übernimmt ESIM vom französischen Finanzinvestor Ardian. (apa/red)