Konjunkturcheck : Metall- und Maschinenbau: Von wegen Rotstift!

Martin Baminger FMMI
© Helene Waldner

Eigentlich könnte Gerhard Meisl große Töne spucken. Doch der Vertriebschef beim Salzburger Maschinenbauer Emco bleibt lieber am Boden – trotz des Vertragsabschlusses in seiner Tasche. In Algerien zog der Maschinenbauer aus Hallein einen Auftrag über die Auslieferung von mehr als 1000 Ausbildungsmaschinen an Land. Gemessen an der Maschinenzahl der größte Auftrag der Firmengeschichte. Doch der Salzburger Betrieb, den Mirko Kovats lange als Geldautomaten sah, scheint gerüstet: Schrittweise verabschiedete sich der Maschinenbauer bei kleineren Maschinen von der Standplatzmontage. Kürzlich lief auch beim kleinsten Maschinentyp die Fließfertigung an. Gerade rechtzeitig, um neue Märkte in Russland, China und Brasilien aufzubauen. Und auch für Algerien ist man gewappnet: „Alle sechs Stunden fällt nun eine fertige Maschine vom Band“, betont Meisl. Deutsche Lok streikt Schlecht verdienen die Salzburger angeblich nicht an dem Deal. Ein Indiz dafür, dass es im Maschinenbau wieder besser läuft. Das Gefühl hat man auch beim Linzer Komplettbearbeitungsmaschinenbauer WFL. Der überarbeitete eines seiner ältesten Maschinenmodelle – und hat mit der M80 seit 2011 „den bisher größten Baukasten im Sortiment“, erzählt WFL-Experte Dieter Schatzl. Früher als ursprünglich geplant: Wegen gut laufender Geschäfte habe man den Marktstart der Komplettbearbeitungsmaschine von bis zu sechs Meter großen Teilen „um ein Jahr vorverlegt“, heißt es bei den Oberösterreichern. Hier gehts weiter

Auch beim Halbzeugehersteller Amag liefen im Vorjahr die Geschäfte gut: Die Ranshofener konnten ihren Absatz gegenüber 2010 um 1,3 Prozent auf 322,7 Tonnen steigern – was auch dem wiedererstarkten Metallverarbeitungssektor geschuldet war. Was so gar nicht zum Teufel passt, den der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in seiner jüngsten Produktionsvorhersage Maschinenbauern an die Wand malte. „Stagnation statt Wachstum“ war die Botschaft – die Wirtschaft müsse auf den Maschinenbau „als Wachstumslokomotive“ verzichten. Die Hauptschuldigen? Einerseits die Unsicherheit und schwächere Nachfrage in Europa. Aber auch die abflachende Konjunktur in China sei „ein Problem“. Beunruhigende Signale von Österreichs Nachbarn, die wie Pilze aus dem Waldboden schießen. INDUSTRIEMAGAZIN sprach mit Konjunkturexperten, Maschinenbauern und Produktionsexperten: Was kommt 2012 noch auf die heimischen Maschinenbauer zu? Welche Märkte entwickeln sich stark, welche knicken ein? Solide Auftragsbestände Beim Baltic Dry Index setzte es Anfang des Jahres einen „unerwarteten Totalabsturz“, heißt es im aktuellen Branchenausblick des Fachverbands für Maschinen und Metallwaren Industrie (FMMI). Er misst die Frachtraten von Gütern auf 26 Hauptfrachtrouten – und beschränkt sich dabei nicht nur auf den baltischen Raum. Hauptfrachtgüter sind in erster Linie Rohstoffe. Der Index fiel auf ein ähnlich tiefes Niveau wie zum Ausbruch der Krise 2008. Zwar liefert der Preisverfall bei Frachtraten einen Erklärungsgrund. Trotzdem deute diese Entwicklung auf eine „geringe Welthandelsaktivität in den nächsten Monaten“ hin, heißt es beim FMMI. Zugleich aber geht der Fachverband im Maschinen- und Metallwarensektor von einem „Ende der Minikrise“ aus. Anders als im zweiten Halbjahr 2011 wachse die Produktion und die „kurzfristigen Erwartungen sind positiv“, sagt FMMI-Experte Martin Baminger. Die Konjunkturstatistik 2012 der Statistik Austria stützt den Befund. Die Summe der Auftragsstorni im vierten Quartal 2011 lag bei 90 Millionen Euro – und damit im Normalbereich. Die Maschinenbauproduktion betrug im Zeitraum August bis Oktober 2011 4,3 Milliarden Euro – ein Plus von 16 Prozent. Diese Entwicklung sei umso erfreulicher, „als dass für den Herbst bereits Einschnitte vorausgesagt worden waren“, meint Baminger. Aus ÖsterreichSicht besonders erfreulich: Solide Auftragsbestände liegen momentan vor. Im Januar ging der Wert zwar leicht zurück – Panikmache sei aber laut FMMI nicht angebracht. „Das Niveau liegt über dem langjährigen Jahresschnitt.“ Kurzfristige Produktionsrückgänge seien eher „unwahrscheinlich“. Hier gehts weiter

In Europa sehen die jährlichen Wachstumsraten im Maschinenbau zwar nicht mager aus. Doch in einer aktuellen EU-Studie rechnet man mit einem Wachstumsschwund. Für 2010 bis 2015 geht die EU noch von einem jährlichen Wachstum von 2,5 Prozent aus – im Zeitraum 2020 bis 2025 sollen es nur noch 1,2 Prozent sein. Anders das Bild in den USA. Dort bleiben die Zuwachsraten „mit über zwei Prozent stabil“. Das freut auch die Paschinger. Dort plant der Biegemaschinenhersteller Trumpf Maschinen Austria noch für 2012 den Spatenstich für eine zusätzliche Montagehalle. Mitgrund: „Die hervorragenden Geschäfte auf dem US-Markt“, sagt Geschäftsführer Alfred Hutterer. Stärker automatisierte Maschinen – ein verlässlicher Umsatzbringer – werden wieder „stärker nachgefragt“, sagt er. In den USA rechnet sich auch der Trauner Maschinenbauer Anger Machining bessere Chancen denn je aus. Bei der Autoallianz Fiat-Chrysler hat man einen Fuß in der Tür. Zwar ist es schon gut ein Jahrzehnt her, dass die Oberösterreicher Maschinen zur Getriebefertigung an Daimler-Chrysler lieferten. Doch die früheren Ansprechpartner der Trauner – darunter Techniker und Planer – kletterten im Konzern die Karriereleiter hinauf: „Sie sitzen heute in den obersten Entscheidungsgremien“, erzählt Anger-Machining-Chef Klaus Dirnberger. Auch der Getriebebauer ZF Friedrichshafen entdeckt den US-Markt gerade als Produktionsstätte. In Gray Court, South Carolina, bauen die Deutschen ihr erstes Pkw-Automatikgetriebewerk Nordamerikas. Auf 90.000 Quadratmetern werden dort ab 2013 Acht- und Neungang-Automatikgetriebe für den nordamerikanischen Markt gefertigt. Marktbegleiter rausdrängen Rund zehn Millionen Euro – gut ein Viertel der Betriebsleistung – erwirtschaftet Klaus Dirnberger bereits in den Staaten. „In drei Jahren soll das US-Geschäft ein Drittel ausmachen“, sagt der Anger-Chef. Deshalb feilen die Oberösterreicher gerade an einem einfacheren Maschinenkonzept fürs Bohren und Fräsen. Das Ziel: Auch für kleinere Losgrößen eine Lösung zu haben. Denn Aufträge für kleinere Serien reißen sich derzeit Mitbewerber unter den Nagel. Mit Simultanbearbeitungsmaschinen für Serien von 200.000 Stück pro Jahr schieße man klar „übers Ziel“, weiß Dirnberger. Bestes Beispiel: Die Fertigung von Getriebegehäuseserien (50.000 Stück pro Jahr). Jetzt wird es bei Anger auf eine gute Mischung bestehender Technologien ankommen. Für ein anziehendes US-Geschäft sind die Oberösterreicher gewappnet. In Cincinnati, einem der wichtigsten Industriestandorte im Bundesstaat Ohio, unterhalten die Trauner ein Vier-Mann-Büro. Auch leerstehende Lagerhallen sind dort verfügbar. Binnen weniger Tage könnte man „die Montage hochfahren“, ist Dirnberger überzeugt. Und Deutschland, wo laut Fachverband Maschinen und Metallwaren immer noch der Exportschwerpunkt der heimischen Maschinenbauindustrie liegt? Dort würde unser Maschinenkonzept genauso punkten“, ist der Anger-Chef überzeugt. Hier gehts weiter

„Wir haben in der Krise nicht den großen Rückgang gehabt“, sagt Fill-Geschäftsführer Wolfgang Rathner. Umsatzeinbußen von 15 bis 20 Prozent ja – aber der Totalcrash blieb beim Sondermaschinenbauer aus. Der Grund: Der gute Puffer an Auftragsbeständen „aus Vorkrisenzeiten“, so Rathner. Auch heute muss der Manager nicht um Aufträge bangen. Im Gegenteil. 2007 startete der Betrieb in einem gemeinsamen Projekt mit der Technischen Universität Wien die Entwicklung einer „hochgradig parallelen Kinematikstruktur für Bearbeitungsmaschinen“. Gängige Werkzeugmaschinen haben einen Parallelitätsgrad von kleiner oder gleich eins – im Projekt wollte man mehr: „Als Alternative zum Robotersystem strebten wir einen Grad von zwei an“, erzählt Wolfgang Rathner. Seit dem Vorjahr gibt es einen Prototypen – aber keine freien Kapazitäten, die Technologie zu vermarkten: „Wir kommen wegen der guten Auftragslage schon so nicht zusammen“, sagt Rathner. Er spricht die ausnehmend gute Auftragslage des Betriebs an. Nach dem bisher besten Geschäftsjahr der Firmengeschichte – die Oberösterreicher erwirtschafteten 2011 81 Millionen Euro – ist für heuer eine neuerliche Steigerung auf 96 Millionen Euro geplant. Größter Umsatzbringer ist die Metallsparte (geplant: 50 Millionen Euro), dann folgen die Segmente Holz und Kunststoff/Composite (je rund 20 Millionen). Für die nächsten drei Jahre plant der Maschinenbauer eine Personalaufstockung von je 50 Mitarbeitern pro Jahr – 2014 will die Firma 650 Mitarbeiter beschäftigen. Personalaufstockung Damit liegen die Oberösterreicher im Trend. Laut WIFO-Konjunkturtest planen die Unternehmen im Maschinenbaubereich weitere Aufnahmen. Offensichtlich rechnen die Unternehmer nicht mit einer deutlichen Konjunkturverschlechterung. „Sie richten ihre Personalplanung nach leichtem Wachstum aus“, beobachtet FMMI-Experte Martin Baminger. So auch bei Fill. Der Auftragseingang für 2012 – mit 96 Millionen Euro geplant – wird definitiv „höher ausfallen“, kann Geschäftsführer Wolfgang Rathner schon heute sagen. Europa sei als Markt nach wie vor attraktiv. Mit einer Holzausbesserungsanlage ist den Oberösterreichern gerade der Einstieg in den finnischen Sperrholzmarkt gelungen. „Eine spezielle Weiterentwicklung unseres Konzepts, die uns die Tür zu einem neuen Markt aufstieß“, so Rathner. Zugleich aber lenkt Fill seine Blicke auch nach China. Kürzlich wurde in Schanghai die erste Niederlassung eröffnet – „damit sichern wir uns direkten Zugang zu einem riesigen Markt“, so Rathner. China bleibt Versuchung Ein Schritt, für den der VDMA indirekt eine Empfehlung ausspricht: „Vor allem Nischenanbieter im Sonder- und Spezialmaschinenbau dürften weiter gute Chancen auf dem chinesischen Markt haben“, glaubt die VDMA-Repräsentantin in Peking, Stephanie Heydolph. Sie würden stärker als andere vom chinesischen Strukturwandel profitieren, „der auf eine höhere Wertschöpfungskette im eigenen Land ausgerichtet ist“. Die Außenhandelsdaten der Statistik Austria weisen das anziehende Chinageschäft nicht als Phantasieprodukt aus: China nimmt mit einem Exportwert von fast 900 Millionen Euro (in den ersten neun Monaten 2011) schon den fünften Rang in der Hitliste der heimischen Maschinen- und Metallwarenindustrie ein. „In Kürze wird es wohl Frankreich und Italien überholen“, schätzt FMMI-Experte Martin Baminger. Wohl auch deshalb schmiedet man in Gurten Ausbaupläne: Das Montagewerk von Fill soll bis 2013 um 6000 Quadratmeter, das Logistikcenter um 2000 Quadratmeter „erweitert werden“, sagt Fill-Chef Rathner. Ganz ohne große Töne zu spucken. Daniel Pohselt