IT-Trends 2015 : Konnektivität

Droht europäischen Automobilkonzernen bei der mobilen Vernetzung das Schicksal der Handyhersteller der frühen 2000er? Für welche Marken Netzwerkfähigkeit kein Fremdwort mehr ist – und womit Europas OEMs 2015 Vollgas geben wollen.

VW: Spaß-Baukasten mit Business-Funktion

Volkswagen geht mit dem MIB, dem modularen Infotainment-Baukasten, einen eigenen Weg. Durch unterschiedliche Module – ähnlich Legobausteinen – können individuelle Lösungen gebaut werden. VW will dadurch schneller auf Kundenwünsche reagieren und der Kunde kauft nur, was er auch wirklich benötigt. Zusatzfunktionen, Updates oder Änderungen der Smartphone-Hersteller können sofort in die einzelnen Bausteine integriert werden. Der serienmäßige Grundbaukasten beinhaltet einem 5 Zoll großen Schwarz-weiß-Touchscreen in der Mittelkonsole. Dabei handelt es sich allerdings vielmehr um einen Board-Computer als um ein Multimediasystem.

Informationen wie Durchschnittsverbrauch, Uhrzeit oder Ölstand können abgerufen werden. Mehrere frei wählbare Aufbaumodule erweitern jedoch die Funktionen. Die beste Ausbaustufe ist auch optisch durch ein 8 Zoll großes Farbdisplay erkennbar. Ganz neu: Composition Media. In diesem Modul können zwei Geräte gleichzeitig gekoppelt werden. Gerade für Firmenwagen eine sinnvolle Option. Das System unterscheidet zwischen Privat- und Geschäftshandy. Bereits erhältlich ist der MIB beim Audi A3 sowie dem Golf VII. Weitere Modelle werden mit Sicherheit folgen.

BMW: Serienmäßig mit SIM

BMW hat seinen Online-Dienst Connected Drive vollkommen überarbeitet. Ähnlich dem iTunes-Store können zukünftig Apps, Info-und Entertainment-Anwendungen direkt ins Auto geladen werden. Die Voraussetzungen werden ab sofort geschaffen: Jedes Fahrzeug wird serienmäßig mit einer SIM-Karte ausgestattet, um eine dauerhafte Verbindung zum Internet zu ermöglichen. Klingt erschreckend? Zugegeben, etwas befremdlich erscheint es schon. Für die Kunden, so zumindest BMW, sollen sich jedoch zahlreiche Vorteile bieten.

Neben dem günstigen Preis für Multimedia-Anwendungen steht vor allem der individuelle Bedarf im Vordergrund. Sie können Ihr persönliches Connected Drive nach eigenen Bedürfnissen und Wünschen flexibel anpassen. Navigation mit Echtzeit-Stauinfo, Musik-Streaming-Dienst, Remote-Service-Anwendungen oder einfach nur Facebook? Es ist Ihnen überlassen! Der Zugang zum Online-Store ist sowohl über das Fahrzeug als auch über Smartphone und Tablet möglich. Abgerechnet wird über die Kreditkarte. Bis 2017 will das Unternehmen weltweit rund 5 Millionen Fahrzeuge über Connected Drive miteinander vernetzen.

FORD: Sprachgesteuert multimedial

Vor kurzem wurde der neue Focus offiziell der Presse vorgestellt. Besonderes Highlight: Das weiterentwickelte Bordsystem SYNC 2, mit dem Smartphone und Focus noch effektiver miteinan- der verknüpft werden können. Die deutlich ver- besserte Sprachsteuerung – die nun auch ganze Sätze versteht – erleichtert die Steuerung von Navigations-, Audio-, Klima- oder Handyfunktionen. Durch den Satz „Ich habe Hunger“ beispielsweise werden mittels Internetverbindung des Handys sämtliche Restaurants im Umkreis am 8 Zoll großen Navi angezeigt.

Spezielle Apps wie der Michelin Travel Guide ermöglichen schließlich eine Auswahl aller gefundenen Lokale – von Fast Food bis Feinschmecker. Auch bei der Zieleingabe versteht SYNC ab sofort ganze Sätze. Man erspart sich mühsames Tippen und Scrollen. Funktioniert auch bei Sehenswürdigkeiten oder Points of Interest. Die Übertragung erfolgt mittels Bluetooth und ist damit nicht von einem Betriebssystem abhängig. Neben dem Focus werden demnächst auch der Mondeo und Mustang mit dem neuen Multimediasystem ausgestattet.

Dass Audi und Google schon länger unter einer Haube stecken, ist spätestens seit den Gerüchten um ein selbstständig fahrendes Modell kein Geheimnis mehr. Woran sie sonst noch gearbeitet haben, war aber nicht bekannt. Bis jetzt! Die neue gemeinsam entwickelte Phone Box – ein Ablagefach für das Smartphone in der Mittelkonsole – stellt eine Drahtlosverbindung zur Außenantenne des Fahrzeugs her, um den Handy- und Internetempfang zu verbessern, gleichzeitig die Strahlungsintensität im Inneren des Autos aber so gering wie möglich zu halten.

Ganz ohne Kabel können Inhalte des Handys super einfach vom Cockpit aus abgerufen werden. Eine Verbindung zur Außenantenne war bisher nur durch spezielle, recht teure Handyschalen möglich. Gerade für Vielfahrer dürfte das induktive Laden von Interesse sein: Gemeinsam mit dem Zulieferer Delphi soll das Smartphone in Zukunft kabellos durch Induktion in der Phone Box geladen werden. Vorbei die Zeiten von hässlichen USB-Ports? Das System kommt bereits im Frühjahr 2015 auf den Markt und wird zumindest bei Audi zu einem Bestandteil der Ausstattung.

MERCEDES: Vorleser und Parkplatzfinder

Die Schwaben geben sich bekanntlich nur mit dem Besten zufrieden. Ihr neues Always On – Drive Kit Plus setzt die Messlatte schon ziemlich hoch. Neben bereits bekannten Funktionen wie der Sprachsteuerung schielt Mercedes vor allem auf die Generation Facebook: Auch während der Fahrt bleibt man immer auf dem neuesten Stand. Feeds, Tweets oder Statusmeldungen werden vorgelesen oder mittels Sprachsteuerung versendet. Gerade für Businesszwecke von Interesse: Ihr Kalender und die eigenen Aktienkurse lassen sich ebenfalls auf das Display übertragen.

Übrigens: Sollten Sie mal vergessen haben, wo Ihr Mercedes parkt – mit der Smartphone-App finden Sie ihn wieder. Beim Abkoppeln des Handys wird automatisch der letzte Standpunkt gespeichert. Und das Beste: Dafür wird nicht mal eine Internetverbindung benötigt. Im Mercedes-App-Store gibt es zahlreiche weitere Applikationen – vor allem die Parkplatzsuche ist hilfreich! Einziger, dafür leider riesiger Nachteil: Bisher ist das Drive Kit nur für das iPhone 4 und 4s erhältlich.

MINI: Digitaler Fahrstil-Versteher

Jung, hip und trendy. Wer nicht auf seine sozialen Netzwerke verzichten kann, ist im neuen Mini genau richtig. Was bei BMW Connected Drive heißt und deutlich seriöser daherkommt, bezeichnen die Briten als Mini Connect und versprechen grenzenlosen Fahrspaß, den man sogar mit anderen Nutzern teilen kann. Mini Connect bietet die Möglichkeit, RSS Newsfeeds, Statusmeldungen und Twitter-Nachrichten zu empfangen und über die optionale Sprachausgabe vorlesen zu lassen.

Und damit Facebook nicht auf Meldungen des Fahrers verzichten muss, können Nachrichten und Statusbeiträge direkt vom Cockpit aus verschickt werden. Aus gespeicherten Postings lassen sich bestimmte Daten, wie die Adresse des besten Freundes, direkt ins Navi kopieren. Nette Spielerei: Die Funktion Dynamic Music passt den Rhythmus und die Dynamik der Musik dem aktuellen Fahrstil an. Mit anderen Mini-Fahrern lassen sich zudem gesammelte Daten zur Aufstellung einer Effizienz-Rangliste erstellen, die, wie sollte es auch anders sein, direkt bei Facebook und Co. gepostet werden können.

VOLVO: Mit Android Auto in Führung

Schweden gegen Schwaben: Volvo ist mit seinem Multimediasystem schon einen Schritt weiter als Mercedes und erkennt neben iOS auch Android-Geräte. Möglich macht es Android Auto – eine speziell von Google entwickelte Software, mit der Automobilhersteller Infotainment, Telematik sowie Konnektivitäts- und Navigationssysteme mit dem Smartphone verbinden können. Gemeinsam mit 40 weiteren Herstellern bildet Google die Open Automotive Alliance, der nun auch Volvo beigetreten ist. Ein 9 Zoll großer Touchscreen im neuen XC90 überträgt sämtliche Funktionen des Handys direkt ins Fahrzeug – besonders die einfache und intuitive Steuerung fällt dabei positiv auf.

Ähnlich wie beim iPad lassen sich alle Grundfunktionen des XC90 über den Touchscreen durch Streichen oder Wischen steuern. Im Hochformat eignet es sich vor allem für Musiklisten und Navigationskarten bestens. Neben den üblichen Google- und Apple-Anwendungen ist es ebenfalls möglich, Apps von Drittanbietern wie Spotify mit dem Fahrzeug zu verbinden. Seit September ist Android Auto für den neuen XC90 erhältlich. Weitere Modelle, so Volvo, werden folgen.