industriemagazin-Test : IM-Test: Sinumerik Operate für Fräs- und Drehmaschinen

Erich Döberl Wifi OÖ
© Waldner

Vielleicht sollte die Unterrichtsministerin bei Erich Döberl vorbeischauen. Denn sein Unterricht geht unter die Haut: Für den CNC-Kursleiter am Wifi Oberösterreich sind auflockernde Praxisübungen in den Kursen die Norm: „Ich will die Späne fliegen sehen“, sagt er. Döberl ist Kursleiter für die Programmierung von Werkzeugmaschinen. Ob Umschulung oder Höherqualifizierung: Seine Kurse sind gut besucht. Vielleicht auch, weil einem der Maschinenpark des Kursanbieters Respekt abringt: Fünf Fräsmaschinen sowie drei Drehmaschinen sind eine Steilvorlage für „viele, viele Übungen“, lacht Döberl. Instruiert wird auf NC-Steuerungen, die sich in Österreich wie geschnitten Brot verkaufen – in dem Fall auf den neuesten Entwicklungen von Siemens oder Heidenhain. Für beide Anbieter ist man autorisierter Schulungspartner. „In Österreich sind das klar die Platzhirsche“, weiß Döberl. Den zuletzt anlässlich eines Siemens-Updates ein Gefühl gesteigerter Ehrfurcht erfasste: Die neue Benutzeroberfläche Sinumerik Operate (Version 2.6) für die Steuerung 840D sl sei „ein großer Wurf“, berichtet der objektive Fachmann. Sie erleichtere die Programmierung – was die angebotenen Standardkurse eindrucksvoll zeigen würden: „Gegenüber früher gehen sich zwei, drei Programmierbeispiele mehr aus“, so Döberl. Begeisterungssturm.Beim Hersteller stellt man die Neuentwicklung gestenreich vor. Die Bedienoberfläche sei jetzt „noch übersichtlicher und intuitiver“, heißt es bei Siemens. Die „durchgängige, innovative“ Bedien- und Programmieroberfläche würde unter anderem auch die Arbeitsschrittprogrammierung fürs Fräsen (ShopMill) und Drehen (ShopTurn) „vereinen“. Die Oberfläche sei „übersichtlich und mit einer Vielzahl neuer, leistungsstarker Funktionen ausgestattet“, heißt es weiter. Und eine „sehr rasche, rationelle und intuitive NC-Programmierung und Arbeitsvorbereitung“ sei so möglich. Hier brechen alle Dämme der Begeisterung – von möglichen technologischen Vakanzen ist nicht die Rede. INDUSTRIEMAGAZIN ging deshalb mit dem Wifi Oberösterreich der Frage nach: Wo liegen die Stärken und Schwächen der Bedien- und Programmieroberfläche? Spindellinkslauf.„Früher“, so Döberl, „fühlte man sich als Programmierer oft allein gelassen“: Hochsprachen mussten beherrscht werden, um eine Maschine überhaupt lauffähig zu bekommen. Und einfache Praxisbezüge „wünschte man sich etwa als ehemaliger Dreher vergeblich“, sagt Döberl. Heute wird man schon eher fündig. „Die Programmieroberfläche ist sehr logisch aufgebaut“, lobt er. Sowohl fürs Drehen als auch Fräsen gibt es einen einheitlichen Auftritt – „Technologieumsteiger sind sicher begünstigt“, so der Wifi-Kursleiter. Die Prozesse wachsen mehr und mehr zusammen – was auch bei den Siemens-Entwicklern offenbar im Hinterkopf drin war. Eine Arbeitserleichterung ist sicher die dialogbasierte Programmierung. „Die Steuerung kommuniziert auf sehr subtile Weise mit dem Programmierer“, fiel Döberl gleich auf. Soll es ein Spindellinkslauf oder -rechtslauf sein? Solche und andere verständliche Fragen beantwortet man nun durch „einfaches Klicken auf die Icons“, so der Wifi-Trainer. Dem Einspruch, dass auch andere Steuerungen die Dialogkunst beherrschen, begegnet Döberl so: Bei der Siemens-Oberfläche könnten alle möglichen Programmiervarianten „ohne Öffnen eines neuen Programmierfensters“ verfolgt werden. Nervenprobe.Und wirklich: Das Programmieren auf vielen Fronten ist ein heikles Thema – dem die Siemens-Oberfläche ihren Schrecken nehmen will. So könnte die Drehbearbeitung eines Teils mit dem stirnseitigen Plandrehen in „Shopturn“ starten. Dann könnte man an der Außenkontur weitermachen – auch dafür sind in der Unterbibliothek vielleicht schon „brauchbare Zyklen abgelegt“, erklärt Erich Döberl. Folgt dann ein komplexer Einstich, der „nach Zeichnungsanforderung“ nicht als Arbeitszyklus bereitsteht, muss der Programmierer aber unter Umständen auf die althergebrachte ISO-Programmiersprache wechseln. „Das sollte möglichst zackig gehen“, sagt Döberl. Der Vorteil bei der Siemens-Oberfläche: Ein Programmneustart ist dafür nicht erforderlich. Ein Feature, das der Wifi-Mann längst lieb gewonnen hat: „Das häufige Hin- und Herspringen ist alllzu nervenaufreibend“, weiß er nur zu gut.Für Döberl ist entscheidend, dass auch Programmierer mit kleinerem Erfahrungsschatz „am roten Faden“ geführt werden. Siemens wirft hier einiges in die Waagschale: Einstellungsparameter wie Sicherheitsabstände oder Werkzeugwechselpositionen können einfach angepasst werden. „Ohne das Menü verlassen zu müssen“, so Döberl. Animation. Die Schwachstellen der Oberfläche? „Da müsste man jetzt auf hohem Niveau jammern“, so Döberl. Was vielleicht erwähnenswert ist: Dass die Zyklen-unterstützte Bearbeitung „gewisse leere Wege“ verfährt. „Die sind bei der ISO-Programmierung weitestgehend durch die Einzelschritt-Programmierung eliminiert“, so Döberl, der sich wieder der Habenseite zuwendet: Die jeweilige Bearbeitung sei durch eine „gut dargestellte Animation“ im Arbeitszyklus „selbsterklärend“, so Döberl. Selbst komplexe Werkstücke seien kein Problem mehr. Kleine Fehler, die sich eingeschlichen haben, könnten „frühzeitig korrigiert werden“. Und selbst größere Teilefamilien ließen sich dank Vorlagen „blitzschnell programmieren“, so Döberl. Sein Fazit: Andere Steuerungshersteller müssten darauf achten, dass sie „nicht den Anschluss verlieren“. Denn Standardbearbeitungen würde man mit der Siemens-Oberfläche „nach zwei, drei Tagen“ beherrschen, belegen Döberls Kurse. Vielleicht liegt es aber auch am Ausbildungssystem: Jeder will doch Späne fliegen sehen. Daniel Pohselt Der Test Programm: Sinumerik Operate (Version 2.6) Erhältlich seit: 2011 Spezifikation: Bedien- und Programmieroberfläche für Siemens-Steuerung 840D sl Anwendungen: Drehen, Fräsen Tester: Erich Döberl, CNC-Kursleiter Wifi Oberösterreich