LKW-Transport : Fahrverbote: Harte Fronten im Dauerstreit

Opfer? Natürlich gibt es Opfer, sagt Ulf Schmid. Der WKO-Vizeobmann der Tiroler Transporteure zählt mehrere Unternehmen auf, die wegen „dieser Regelung“ das Handtuch warfen, „keine Glücksritter und keine Umweltsünder, sondern gestandene, seit Jahrzehnten in Imst und Reutte etablierte Mittelständler“.Mit „dieser Regelung“ meint Schmid einen Passus in der Verordnung zum Fernpass-Fahrverbot in Tirol, wonach beladene Fahrzeuge, die ihren Firmenstandort im betroffenen Bereich haben, diesen nicht anfahren dürfen. Mit anderen Worten: „Wer einen Transport von Deutschland nach Italien durchführt, darf dazwischen nicht heimfahren, um zu tanken, ein Service durchführen zu lassen oder den Fahrer zu wechseln.“ Der Aufschrei der Branche führte zwar zu einer gewissen Entschärfung der Regelung, doch da waren schon zu viele Kunden abgesprungen – mehrere Frächter mussten den Betrieb einstellen. „Tirol wird ja nicht von den Grünen regiert“, ätzt Ulf Schmid, „aber das ist offenbar egal: Das Land will die Abgaben, aber die Unternehmen will es anscheinend nicht.“ „Mehr oder weniger willkürlich“ Seit Jahren sorgen Lkw-Fahrverbote für massive Verärgerung auf allen Seiten. An den Trennlinien zwischen Wirtschaft und Ökologie, den politischen Gruppierungen und den konkurrierenden Transportmodalitäten geht es immer auch um Befindlichkeiten. Im Fokus stehen einerseits die bundesweit gültigen Fahrverbote: Das Wochenendfahrverbot etwa, das unter anderem damit argumentiert wurde, man wolle den Ausflugs-Privatverkehr nicht behindern. Angesichts des Verkehrsaufkommens auf manchen Autobahnen stellen viele Transporteure die Frage, ob Lkw nicht gerade am Wochenende weit weniger auffielen. Lesen Sie weiter: "Mehr oder weniger willkürlich“
Oder auch der „Nacht- 60er“: Wolfgang Herzer, oberster Branchenvertreter in der Wirtschaftskammer, spricht von „reinem Unsinn“: „Moderne Lkw emittieren bei einem Tempo von 80 km/h die wenigsten Schadstoffe. Diese Regelung ist komplett kontraproduktiv.“ Besonders verhasst sind der Branche jedoch die regionalen Fahrverbote, die per Verordnung erlassen werden. Wie das funktioniert? „Aus meiner Sicht geschieht die Erlassung der Fahrverbote mehr oder weniger willkürlich“, sagt Wolfgang Herzer. „Den Bürgern passt die regionale Verkehrssituation nicht, sie formieren sich und finden Gehör in der Gemeinde – und die Politiker wollen mit den Bürgern natürlich nicht in den Clinch gehen. Schon haben wir das neue Fahrverbot. Derzeit gibt es in Österreich um die 155 Fahrverbote, da kennt sich kein Fahrer mehr aus, schon gar nicht, wenn er aus dem Ausland kommt.“ Hinzu komme, sagt Herzer, eine bisweilen katastrophale Kommunikation. Die Verordnung vom 1. November zum neuen Nachtfahrverbot in Tirol hätten die betroffenen Transporteure einen Tag vor Inkrafttreten zugestellt bekommen. Zeitgerechte Routenplanung war somit unmöglich. Sollbruchstellen in den Verordnungen? Zu den Bürgern, denen einiges „nicht passt“, gehört Silvester Leitner. Der Gründer des Vereins „Lebensraum Salzkammergut“ und der „Allianz pro Schiene“ verteidigt seine Region seit Jahren mit Verve gegen den Lkw-Verkehr. Dem Procedere, das zu den Verordnungen führt, traut auch er nicht ganz – wenngleich mit umgekehrten Vorzeichen. Ulf Schmids Beispiel spielt er zurück: „Wenn ein Lkw-Fahrer nach der Arbeit zu seinem Unternehmen zurückkehrt, so fällt das unter die Definition von Quell- und Zielverkehr. Ist in der Verordnung aber die Ausnahme enthalten, dass die Lenker regionaler Transportunternehmen während einer überregionalen Fahrt zu ihrem Firmensitz fahren dürfen, dies für Frächter außerhalb des Ziel- und Quellgebiets aber nicht gilt, so steht dies in krassem Widerspruch zum Gleichbehandlungsgesetz.“Ein solcher Widerspruch, sagt Leitner, bringt die Verordnung zu Fall, „das haben wir bereits ausjudiziert“. Sein Verdacht: Genau das sei möglicherweise die Intention. „Bisweilen habe ich den Eindruck, dass solche Passus nicht zufällig in Verordnungen landen.“ Lesen Sie weiter: Wo sind die Sozialpartner?
Die Branchenvertreter fühlen sich im Konflikt weitgehend alleine gelassen. „Niemand außer uns spricht in diesem Land für den Lkw“, sagt Wolfgang Herzer, „wir haben keine Lobby.“ Herzer will auch die Sozialpartner in der Pflicht sehen: „Arbeiterkammer und Gewerkschaft sollten zur Kenntnis nehmen, dass Maßnahmen wie Fahrverbote eine massive Gefährdung für den Wirtschaftsstandort und damit für Arbeitsplätze in unserem Land darstellen. Statt sich einzubunkern und auf Partikularinteressen zu fokussieren, sollten wir Kräfte bündeln im Sinne des Wirtschaftsstandortes.“ Vor allem die Gewerkschaften, sagt Herzer, seinen eine Art natürlicher Verbündeter, da die Fahrverbote ja auch für die Lenker ein massives Problem darstellten. Einheitlicher Kriterienkatalog Vor allem aber geht es Herzer um eine verbesserte Kooperation auf politischer Ebene. Um das Thema Fahrverbote zu entschärfen, bedürfe es in erster Linie einer Koordinierung der Maßnahme zwischen den einzelnen Bundesländern. Die findet derzeit nur statt, wenn ein Verbot länderübergreifend wirkt. „Wir brauchen einen klaren, allgemein gültigen Kriterienkatalog für Fahrverbote. Ich bin kein Jurist, aber das wird wohl nur über den Bund gehen.“ Gesprächsbereitschaft Einen einheitlichen Kriterienkatalog für Fahrverbote kann sich auch Silvester Leitner vorstellen: „Das ist grundsätzlich eine Idee, der ich etwas abgewinnen kann. Man muss aber schon betonen, dass man nicht alles über einen Kamm scheren kann. Das Salzkammergut etwa ist in vieler Hinsicht eine besondere Region, unter anderem ist es UNESCO- Welterbe und hat eine enorme Bedeutung für den Tourismus.“Ein gemeinsames Vorgehen mit den Vertretern der Transportwirtschaft? Für Leitner keineswegs undenkbar. „Selbstverständlich sind wir zu Gesprächen über das Thema Fahrverbote bereit.“ Als geeignete Plattform biete sich die Allianz pro Schiene an, die ja das Ziel einer grundsätzlichen Veränderung des Transportsystems verfolge. Ob Wolfgang Herzer das wirklich so gemeint hat, darf allerdings bezweifelt werden.