Automobilindustrie : Dieter Zetsche ruft Daimler zur Geschlossenheit auf

"Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir nicht mit Personalspekulationen Schlagzeilen machen, sondern mit tollen Autos", schrieb Zetsche an mehrere tausend Führungskräfte bis hinunter zu den Abteilungsleitern. In deren Reihen hatte sich Unternehmenskreisen zufolge zuletzt Verunsicherung breitgemacht. "Der Vorstand steht geschlossen hinter unserer Strategie, der gesamte Aufsichtsrat ebenso", versicherte Zetsche den Führungskräften.Wiederbestellung nur gegen Bedingungen Der Vertrag des 59-jährigen Daimler-Chefs war vor knapp zwei Wochen nur nach langwierigen Diskussionen zwischen Arbeitnehmer- und Kapitalvertretern im Aufsichtsrat um drei statt der bei Daimler üblichen fünf Jahre verlängert worden. Die Arbeitnehmervertreter wollten Zetsche zunächst gar nicht wiederbestellen und knüpften ihre Zustimmung an die Bedingung, dass Truck-Chef Andreas Renschler und Mercedes-Produktionsvorstand Wolfgang Bernhard ihre Posten tauschen. Wie Zetsche ist Bernhard der Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat ein Dorn im Auge. Beiden werfen sie unkooperatives Verhalten bei der Produktionsplanung vor. Zetsches Vertrag als Daimler-Chef und Leiter der größten Sparte Mercedes-Benz Pkw läuft nun bis Dezember 2016. Dann wird seine Ära spätestens zu Ende gehen: Denn für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ist eine nochmalige Verlängerung des Anstellungsvertrag in drei Jahren keine Option."Keine Lahme Ente" Bei den Führungskräften kam der Brief unterschiedlich an. Mit dem Brief wolle Zetsche zeigen, dass er keine "lahme Ente" ist, sagte ein Topmanager. Einige Führungskräfte begrüßten die offenere Kommunikation, die Zetsche zuletzt habe vermissen lassen. Andere wundern sich, warum er fast zwei Wochen brauchte, um sich und das jüngste Zerwürfnis im Aufsichtsrat zu erklären. "Im Daimler-Vorstand haben wir die Vorgänge zum Anlass genommen, uns nochmals unserer Geschlossenheit als Führungsteam zu versichern", schrieb Zetsche in dem Brief weiter. Die insgesamt acht Vorstände stünden "ohne Wenn und Aber" zu der Strategie, die Daimler mit neuen Modellen und geringeren Kosten bis spätestens 2020 wieder an die Spitzenposition unter den Premium-Autobauern weltweit bringen soll."Wettbewerb sitzt in Wolfsburg, Ingolstadt, München, Göteborg" Denn BMW und Audi haben den einst unangefochtenen Marktführer Mercedes-Benz Pkw bei Absatz und Rendite überholt, bei Trucks wirtschaftet der größte Konkurrent Volvo ebenfalls profitabler. "Der Wettbewerb sitzt nicht im Büro nebenan, sondern in Wolfsburg und Ingolstadt, in München und Göteborg", schärfte Zetsche der Führungsmannschaft ein. Auch der Ämtertausch von Renschler und Bernhard ändere an der strategischen Ausrichtung "nichts". Auf dem Genfer Autosalon demonstrierte Zetsche am Dienstag ebenfalls Führungsstärke und beschwor die Wichtigkeit von Kontinuität an der Unternehmensspitze, um die selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Daimler werden in den kommenden Jahren unter seiner Führung den eigenen Ansprüchen einen "großen Schritt" näherkommen, versprach Zetsche. Vom Aufsichtsrat habe das gesamte Management ein "klares Mandat" bekommen. Er selbst trage noch fast vier Jahre Verantwortung - "fast so lange wie in der Politik eine komplette Wahlperiode dauert", machte Zetsche in seinem Brief deutlich.Unangenehme Themen Um mit Mercedes-Benz Pkw und Daimler Trucks wieder an die Spitze zu fahren, muss Zetsche schon in den kommenden Monaten unangenehme Themen angehen, wofür er auch die Unterstützung des mittleren Managements braucht. Um profitabel wachsen zu können, "müssen wir unsere Kosten im Griff haben und unsere strukturellen Themen anpacken", schrieb Zetsche. "Beides werden wir in konstruktiver Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat tun", versicherte der Vorstandschef. Daimler braucht beispielsweise länger als die Konkurrenz, um einen Pkw zu montieren. Daher sollen die Bänder künftig schneller laufen, vor allem das größte Werk in Sindelfingen gilt im Wettbewerbsvergleich als zu teuer. Wegen der vor allem im Ausland wachsenden Nachfrage nach neuen Autos wird Daimler dort künftig zudem mehr Geld investieren müssen - zulasten der Investitionen im Inland, was für harte Auseinandersetzungen mit den Betriebsräten in Deutschland sorgen wird. (APA/Reuters)