Interview : "Die richtigen Produkte am richtigen Ort"

Sie haben 2014 den Österreichischen Logistikpreis für die beste wirtschaftliche Ergebnisverbesserung erhalten. Dass bei Lenze die Abläufe bis ins letzte Detail sehr aufeinander abgestimmt sind, fällt bei einem Betriebsrundgang sofort ins Auge. Auch relativ viel Leerfläche – diese Platzressourcen haben sicher schon eine Bestimmung.
Christian Nuck: Unsere Montagekapazität bei Getriebemotoren liegt heute bei ungefähr 70.000 Stück pro Jahr, sie ist aber für 130.000 Stück vorbereitet. Da kann und muss noch einiges passieren, das ist richtig. In Österreich haben wir gute Marktanteile, da spielen wir mit den beiden anderen Mitbewerbern in einer Liga. Aber natürlich ist Österreich zu klein, um diese Montagekapazität zu füllen. Der Fokus liegt also ganz klar auf Osteuropa. Dort entwickelt sich unser Geschäft in den letzten Jahren ganz gut und wird von Asten aus bedient. Der andere Teil ist das Gesamtkonzept der Lenze-Gruppe: Das heißt, wir montieren und lagern auch für andere Länder, die nicht in unserer Vertriebskompetenz liegen, und liefern von hier aus direkt an die Kunden. Das bedeutet wiederum Absicherung des Standortes. Hier ist der erste Schritt mit Italien passiert, das Konzept wird sukzessive ausgebaut.
Lenze ist – Zitat aus den Firmenunterlagen – umfassender Dienstleister für komplette Automatisierungslösungen. Mit welchen besonderen Herausforderungen werden Sie denn derzeit von der Kundenseite her konfrontiert?
Nuck: Spürbar ist auf jeden Fall, dass unsere Kunden unter starkem Wettbewerbsdruck stehen. Die Globalisierung trägt jetzt Früchte in die andere Richtung. Das heißt: Länder, die früher kein Thema im Wettbewerb waren, schlagen zurück. Da wird die Luft dünner, der Margen- und Ergebnisdruck wird an uns zurückgespiegelt. Umso wichtiger ist, dass wir optimierte Lösungen finden, denn an der Preisschraube zu drehen, bringt uns alle nicht weiter. Da ist irgendwann der schwarze Punkt erreicht. Es geht darum, die richtigen Produkte am richtigen Ort einzusetzen. Nach dem Motto: Nicht mit dem Porsche ackern fahren, wenn ein Traktor hergehört, und umgekehrt. Es ist ein Unterschied, ob man 51 Wochen im Jahr im Zweischichtbetrieb fährt oder ob ich Anwendungen habe, die am Tag nur für ein paar Minuten laufen. Wir haben unseren Warenkorb so gestaltet, dass wir in den meisten Fällen das Produkt anbieten können, das für den Einsatzfall am besten ist.
Da ist ja die durchschnittliche Losgröße bei Lenze Österreich signifikant. Sie beträgt statistisch ja nur 2,6 Stück. Ein beeindruckender Beleg dafür, wie stark Sie am Markt diversifizieren müssen.
Nuck: Genau. Wir haben kaum – und da rede ich vor allem von Elektromechanik – eine Materialnummer, die von zwei Kunden bezogen wird. So unterschiedlich und so groß ist die Varianz. Sie ist auch Ausdruck dafür, dass wir immer bestrebt sind, die beste Lösung für den Kunden zu finden. Wir haben in Österreich das Glück, dass wir uns über die Jahre gut entwickelt haben. Unser großes Logistikcenter und die Montage waren immer ein Pfeiler, auf den wir gebaut haben. Damit wir die Flexibilität in Kundennähe haben und wir schnell reagieren können. Wenn es Not tut, können wir innerhalb weniger Stunden einen Getriebemotor montieren und an den Kunden ausliefern.
Ihre Kunden und Interessenten laden Sie diesen Monat zum dritten Mal zu einem Haus-Event ein – parallel zur „smart“ im Design Center Linz. Warum dieser Side-step?
Nuck: "Trends & Breakfast" haben wir 2009 ins Leben gerufen, als die gesamte Branche in der großen Krise steckte. Damals ist der Messeauftritt auf der "smart" dem Sparstift zum Opfer gefallen. Weil wir trotzdem für die Kunden etwas machen wollten, überlegten wir uns eine Inhouse-Veranstaltung. Außerdem ist bei der "smart" das Parken immer ein Problem, also haben wir hier bei uns Parkplätze angeboten und organisierten den Hin- und Rücktransport, luden zum Frühstücksbuffet und zum Rahmenprogramm bei uns. Das ist sehr gut angekommen. So werden wir das auch dieses Jahr machen. Übrigens: Wir wollten heuer wieder auf die Messe, hätten aber keinen adäquaten Platz bekommen. Das wäre nur eine halbe Sache gewesen.
Mit wie vielen Besuchern rechnen Sie und was erwartet sie?
Nuck: Wir erwarten 250 bis 300 Besucher. Das ist weniger als auf einer Messe. Allerdings haben wir dann genau jene Leute im Haus, die wir auch ansprechen wollen, und es ist mehr Zeit für intensive Gespräche. Das war auch unsere positive Erfahrung in den vergangenen Jahren. Wir haben auch dieses Jahr vom 19. bis 21. Mai wieder verschiedene Fachvorträge organisiert.
Stichwort Mitarbeiter. Geben Sie uns einen Überblick zu Daten und Fakten von Lenze Österreich.
Nuck: Wir haben rund 260 Mitarbeiter, davon ungefähr 220 in Österreich. Unser Umsatz mit Dritten beläuft sich 2015 auf ca. 90 Millionen Euro. Was somit nicht berücksichtigt ist, sind die Erlöse, die wir über die Logistik intercompany mit anderen Lenze-Töchtern machen.
Wo sehen Sie den Umsatz in fünf Jahren?
Nuck: Wir gehen davon aus, dass wir ein durchschnittliches Wachstum zwischen 3,5 und fünf Prozent schaffen. Unser klarer Fokus liegt da im Bereich Automatisierungstechnik, wo wir mit der eigenen Lenze Automatisierung in den Bereich Gesamtlösung einsteigen werden. Das wird vor allem in Österreich der Wachstumshebel sein.
Sie betreuen von Asten aus zehn Länder in Süd- und Osteuropa. Wie sieht dort die Entwicklung aus, gibt es regionale Schwerpunkte?
Nuck: Unsere größte Tochtergesellschaft ist Tschechien mit rund 13 Millionen Umsatz. Das sind etwa 50 Prozent unseres Gesamtumsatzes in Südosteuropa. Von der Struktur her merkt man, dass es Länder gibt, die als verlängerte Werkbänke von westeuropäischen Ländern genutzt werden. Das beobachten wir besonders in der Slowakei oder in Ungarn, dass sich langsam eine eigenständige Maschinenbauindustrie entwickelt, die sehr stark Richtung Westeuropa drängt. Mit Slowenien sind wir sehr zufrieden, dort kommen wir an die zehn Prozent Marktanteil heran, während der Markt in Kroatien hinkt. Bulgarien und Mazedonien agieren sehr eigenständig. Dort gibt es – ähnlich wie in Österreich – einige Spezialisten in ihrem Segment, die spannende und gute Dinge machen.
Also sehr unterschiedliche Märkte. Das kommt dem breiten Portfolio von Lenze Österreich entgegen.
Nuck: Die Lenze Austria Holding vereint fünf Geschäftsbereiche unter einem Dach: Antriebstechnik für Österreich, für Mittel- und Osteuropa, die Lenze Verbindungstechnik, die Lenze Anlagentechnik sowie die Lenze Operations Austria. Wir haben als Automatisierer eine lange Geschichte, sind eigentlich aus dem Wickelbereich gekommen und haben uns dann sehr früh, nämlich in den 1970er Jahren, im Elektronikbereich engagiert. In den 1980ern folgte die erste Getriebereihe aus eigener Fertigung. Da haben wir ein bisschen nachgehinkt. Wir haben aber schon vor mehr als 25 Jahren den Blick über den Tellerrand gerichtet und gefragt: Was macht der Kunde? Wo sind unsere Chancen? Wir in Österreich haben intensiv das Thema ganzheitliche Automatisierung betrachtet und waren Vorreiter in der Gruppe für Lösungen von der Maschinenwelle bis zur Steckdose. Das ist im Grunde genommen ein Konzept, das wir heute noch immer verfolgen, das uns erfolgreich gemacht hat und zukunftsträchtig ist. Wir merken es daran, dass im Wettbewerbsumfeld jeder in diese Nische drängt.
Lenze fokussiert sich dabei weniger auf bestimmte Branchen als vielmehr auf Anwendungen. Das Erfolgsrezept?
Nuck: Wir haben immer dafür gesorgt, dass wir die Verantwortung für Lösungen dem Kunden übergeben können. Denn er soll nicht von uns abhängig gemacht werden, sondern vielmehr seine Kompetenz behalten. Wenn wir heute über Automatisierung reden, dann muss man so ehrlich sein, dass wir keine 24-Stunden-Dienstleistung für eine Maschine bieten können, die irgendwann automatisiert worden ist. Gerade der österreichische Maschinen- und Anlagenbau ist so ausgerichtet, dass bestimmte Unternehmen auf bestimmte Lösungen spezialisiert sind. Es gibt zu viele unterschiedliche Felder, zu viele Branchen, für die wir tätig sind. Der Vorteil für den Kunden ist die ganzheitliche Lösung einer klaren Aufgabenstellung: Wir liefern aus einer Hand und sorgen für die Abstimmung im Zusammenspiel der einzelnen Komponenten.
Was bedingt, dass Sie für den Gesamtblick Universalisten benötigen.
Nuck: Das ist zum einen gut, zum anderen auch eine Gratwanderung. Für den Vertrieb wünschen wir uns Mitarbeiter mit einem ausgeprägten technischen Bezug, wollen aber keine Techniker verlieren, die in den Vertrieb gehen wollen. Es ist leichter, gute Vertriebsleute oder gute Techniker zu finden als die Mischung.
Bietet der Standort Oberösterreich dabei Vorteile oder wäre es leichter an einem anderen Ort in Österreich?
Nuck: Wir sind in Österreich an vier Standorten vertreten – in Asten, Dornbirn, Unterpremstätten und Wiener Neudorf. Wir sind somit nicht nur an den Linzer Raum gebunden, wo es natürlich eine Konzentration an für uns interessanten Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau gibt. Dementsprechend gefragt sind hier Techniker. Unsere starke Regionalisierung in Österreich ist hier sicher von Vorteil, weil wir doch ein bisschen leichter an geeignete Leute kommen als so manches andere Unternehmen.
Ing. Christian Nuck
Jahrgang 1969 und gebürtiger Oberösterreicher, hat als HTL-Absolvent klassische Techniker-Wurzeln. 1995 Eintritt ins Unternehmen (Vertrieb Außendienst, Dornbirn), von 2001 bis 2009 als Niederlassungs-Leiter in Unterpremstätten tätig und nach dem Aufbau des Vertriebsbüros in der Steiermark, 2009 zum Geschäftsführer bestellt.