Cloud Computing für die Industrie : Der lange Schatten der "Private Cloud"

Die Zeiten, da die Käseproduktion das Flair der Almenromantik umwehte, sind lange vorbei. Die Produktqualität in der Branche ist sehr hoch, will man sich im dynamischen Wettbewerbsumfeld von anderen Käsereien abheben, ist hohes Innovationstempo angesagt. „Die Kunden vergeben nicht mehr nur an den besseren Käseproduzenten – sondern oft an den schnelleren“, sagt der IT-Chef von Rupp, Jürgen Vogelauer.Der Vorarlberger Käsehersteller exportiert in über 80 Länder, einen bedeutenden Teil des Geschäfts nimmt die Entwicklung und Herstellung von Eigenmarken für Handelsketten ein. Dazu gesellen sich Geschäftskunden wie etwa Großküchen. Hier ist die schnelle Produktentwicklung ein entscheidender Erfolgsfaktor. IT-Tugenden.Damit also die Käserei wettbewerbsfähig bleibt, muss die IT den Fachabteilungen rasch und bedarfsgerecht IT-Kapazitäten zur Verfügung stellen können. Und da bei Rupp die Produktionsprozesse in hohem Maße IT-gestützt sind, muss eine hohe Verfügbarkeit gegeben sein. Diese beiden Vorgaben waren es auch, die Rupp dazu bewogen haben, Server und Storagesysteme zu virtualisieren, obwohl es die vorhandene IT-Infrastruktur wohl noch einige Zeit getan hätte.Drei Hersteller kamen in die engere Wahl, am Ende setzte sich HP mit Lefthand durch. „Bei der Hochverfügbarkeit war HP vom Preis her einfach unschlagbar“, geht Vogelauer noch einmal die Anbote durch. Einer der beiden anderen Konkurrenten lag preislich um ein Drittel höher. Das andere Angebot war zwar bei den Kosten in HP-Reichweite, hier punktete aber das Konzept von Lefthand. HP setzt durchwegs auf standardisierte Hardware und wegen einer einzigen speziellen Komponente wollte sich Vogelauer nicht auf Jahre von einem Hersteller abhängig machen. Greifbare Partner.Die Umsetzung des Projekts übernehm TIP Technik und Informatik Partner im fünfzehn Autominuten entfernten Dornbirn: „Ein Unternehmen aus der Region war für uns Voraussetzung, damit haben wir immer gute Erfahrungen gemacht. Selbst in Zeiten der Fernwartung muss der Partner greifbar bleiben. Je weiter weg, desto problematischer wird es.“Um den laufenden Betrieb der Käserei nicht zu stören, wurde die Virtualisierung der vorhandenen Systeme nach und nach durchgeführt – an den Wochenenden. Der Umstieg verlief problemlos, auch der angeblich krtische Bereich der Datenbanken bewährte sich sofort. Der Sicherheit ist mit zwei getrennten Rechenzentren in verschiedenen Brandabschnitten – eines im dritten Stock, das andere im Keller – Genüge getan. Denn sollte eines der beiden ausfallen, übernimmt das andere alle Funktionen. Benutzerfreundliche IT.Aus Sicht des IT-Chefs Vogelauer hat die Virtualisierung zunächst den Verwaltungsaufwand beträchtlich reduziert, Routinetätigkeiten nehmen weniger Zeit in Anspruch, ein neuer Server etwa ist im Handumdrehen aufgesetzt. Die Stillstandszeiten einzelner Server wurden minimiert, die Verfügbarkeit ist also deutlich gestiegen und die Sicherheit des Storagesystems wurde messbar gesteigert. Vogelauer verharrt aber nur kurz in dieser IT-zentrierten Perspektive und kehrt zum Wesentlichen zurück: „Am Ende profitiert der Benutzer. Er bekommt umgehend die IT-Leistungen, die er braucht, die IT schränkt ihn immer weniger ein.“Ob eine virtualisierte IT, wie sie bei Rupp steht, aber tatsächlich eine Private Cloud ist, da scheiden sich die Geister. Vogelauer selbst wählt den salomonischen Weg: „Kommt drauf an, was sie unter einer Private Cloud verstehen.“ Laut Werner Mennel vom Rupp-Dienstleister TIP Technik und Informatik Partner handelt es sich um eine Cloudlösung: „Denn nun verfügt Rupp über eine Infrastruktur mit zentraler Datenhaltung, die für die IT leicht zu verwalten ist. Die Mitarbeiter profitieren von der globalen Verfügbarkeit der Unternehmensapplikationen und Daten in einer Qualität, die sich nicht von einem internen Arbeitsplatz unterscheidet. Und in punkto Sicherheit und Komfort sind bei der mobilen Anwendung auch keine Abstriche zu machen.“ Fortsetzung auf Seite 2: Private oder Public Cloud
Kritische Stimmen bezeichnen die brandneuen Private Clouds als eine reine Marketinginitiative der Hersteller. Diese wollen damit dem Mittelstand noch schnell einmal ihre Komponenten und Software verkaufen, bevor der in die Public Cloud abwandert. Und auch wenn die Hersteller mit Hochdruck an der weiteren Automatisierung ihrer Lösungen arbeiten, im Grunde handelt es sich noch immer um die selben Konzepte, die sie vor einem Jahr im Schaufenster hatten. Damals eben mit dem Label Virtualisierung.Und für dieses Label sollte sich niemand schämen, denn die Virtualisierungslösungen sind exzellente Produkte, für die es nach wie vor eine Berechtigung im Markt gibt. Vor allem da die richtige Cloud – die Public Cloud nämlich – zumindest heute und im nächsten Jahrzehnt die Bedürfnisse der mittelständischen Kunden nicht umfassend abdecken können wird. Kriterien für eine Wolke.Auch wenn der Begriff nun schon länger durch den Äther schwirrt, haben außerhalb der Fachkreise noch die wenigsten eine klare Vorstellung von der Cloud. Man weiß, irgendwo im Internet gibt es Angebote, die kann man gratis oder sehr günstig nutzen, Dropbox etwa. Und Businesskunden wissen, dass Skaleneffekte und Mietmodelle den flexiblen Bezug von IT zu teils überraschend niedrigen Preisen ermöglichen.Technisch gesehen basiert die Cloud auf der Virtualisierung. Waren früher Hardware und IT-Applikation untrennbar miteinander verbunden, gibt es nun virtuelle Server, auf denen die Software geräteunabhängig läuft. Das ermöglicht es, den Anwendern rasch und unkompliziert IT-Ressourcen zur Verfügung zu stellen, sei es Rechenleistung und Speicherplatz für ein Projekt, oder ein virtueller Arbeitsplatz inklusive Mailbox und den notwendigen Berechtigungen für einen neuen Mitarbeiter. Selbstbedienung.Zur Private Cloud wird die virtualisierte Umgebung dann, wenn der Endbenutzer, etwa ein Projektleiter, selbstständig über ein Webformular IT-Ressourcen wie aus einem Katalog bestellen kann und die dann automatisch freigeschalten werden. Dabei stellt im Hintergrund ein Berechtigungskonzept sicher, dass die Mitarbeiter nur bekommen, worauf sie Anspruch haben – auch das automatisiert, soweit es Sinn macht. Und die Erweiterung, Reduzierung oder Stornierung der Leistungen erfolgt ebenso ohne Zutun der IT-Abteilung.Die Hersteller erweitern ihr Leistungsangebot ständig. So hat VMWare neben der schon vorhandenen automatisierten Verrechnung von gebuchten Services auf die richtige Kostenstelle nun auch ein Tool vorgestellt, mit dem der Finanzchef tagesaktuelle Übersicht über die Verwendung der IT-Ressourcen hat – sowohl für Dienstleistungen, die intern bereitgestellt werden, wie für Public Cloud Services. Schlank halten.„Aber wenn man sich die Private Cloud ansieht, ist man doch ein wenig enttäuscht“, sagt Damianos Soumelidis, Geschäftsführer Hexa Business Services. Soumelidis hat sich auf Cloud- und Outsourcing-Beratung spezialisiert und selbst ihm fällt es manchmal schwer den Überblick zu bewahren: „Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist rasant. Gerade an der Automatisierung wird mit Hochdruck gearbeitet. Ein Durchbruch konnte aber bislang noch nicht erzielt werden.“ Allerdings stellt sich für den ehemaligen Geschäftsführer von S&T Austria auch die Frage, ob es die vollwertige Private Cloud überhaupt braucht, ob nicht die Virtualisierung an sich die Ansprüche der Unternehmen hinreichend abdeckt: „Vollautomatisiertes Self Service ist für einen großen IT-Provider aus der Public Cloud sicher interessant. Aber der unternehmerische Mittelstand gewinnt am meisten, wenn er seine internen Prozesse für IT-Anforderungen schön schlank hält.“ Fortsetzung auf Seite 3: Skaleneffekte und Sicherheit
Auch bei den Skaleneffekten ist die Private Cloud der Public Cloud unterlegen – sprich, sie ist teurer. Natürlich bringt der effiziente Betrieb einer virtualisierten Umgebung gegenüber einer althergebrachten IT-Landschaft deutliche Kosteneinsparungen, aber mit der Public Cloud kann sie nicht mithalten. „Rein kommerziell würde eine echte Private Cloud für mehrere Dutzend bis wenige hundert österreichische Unternehmen Sinn machen“, schätzt Soumelidis, „sonst ist die Public Cloud kostenmäßig unschlagbar.“Aber es gibt andere gute Gründe nicht in die Public Cloud zu gehen – wie die mangelnde Verfügbarkeit des Internets am Standort, die Abhängigkeit der Produktion von der IT oder rechtliche Bestimmungen. Dann ist die Virtualisierung der internen IT der zweckmäßige Ansatz. Zudem betont Alexander Spörker vom Weltmarktführer für Virtualisierungssoftware VMWare, dass die Virtualisierung der Unternehmens-IT es leichter macht, Cloud Services aus dem Internet zu nutzen: „IT-Kunden und Serviceprovider setzen dieselbe Technologie ein, die fungiert als Brücke, damit ist die Portierung der Daten vom Kunden zum IT-Provider und wieder retour eine völlig undramatische Angelegenheit.“ Die nahtlose Verknüpfung nennt sich Hybrid Cloud – ein weiterer Begriff, über den sich trefflich streiten lässt. Aber dieses Konzept bietet alles, was man sich von der IT wünschen kann: volle Kontrolle über unternehmenskritische Daten im eigenen Rechenzentrum, sowie flexible und kostenschlanke Services professioneller Anbieter aus dem Internet. Im Mittelstand angekommen.Da sind sich alle Seiten einig, die Zukunft liegt gerade für mittlere Unternehmen in einer Kombination aus IT-Leistungen, die im Haus selbst erbracht werden, und Cloud Services aus dem Internet. Heute schon sieht Wolfgang Egger von HP kein echtes Argument mehr, warum ein Mittelständler den Mailserver noch selbst betreiben sollte. Kleinere Unternehmen mit bis zu 20 IT-Arbeitsplätzen werden gar IT-Komplettpakete anmieten: „Für die stellt die Public Cloud ein große Chance dar, ihr Businessmodell zu optimieren.“ In den nordischen Ländern werden Cloud Services derzeit zwar aggressiver genutzt als in Österreich, was Egger einerseits auf bessere öffentliche Datennetze und andererseits auf die Mentalität zurückführt. Aber nach Eggers Einschätzung ist die Cloud nun auch im österreichischen Mittelstand angekommen.Die passenden Angebote gibt es jedenfalls schon. CRM aus der Cloud von Salesforce ist ja mittlerweile jedem ein Begriff. Deren großer Konkurrent, die österreichische update software AG, vermarktet ihre Cloud-Lösung seit Anfang 2010. Vorstand Thomas Deutschmann geht davon aus, dass besonders die Kundenbeziehungssoftware schon bald zum größten Teil aus der Cloud kommen wird.Dieser Tage startet A1 mit der Austria Cloud und im Jänner geht der IT-Provider ACP mit einem ähnlichen Angebot online. Beide Service stützen sich primär auf die Cloud-Lösungen von Microsoft wie Sharepoint, Exchange oder Lync – mit dem Unterschied, dass sie die Daten ihrer Kunden nicht in einem der weltweit verstreuten Microsoft-Rechenzentren speichern, sondern in Österreich. Alptraum aus Securitysicht.Und die Folio Cloud der Fabasoft beweist, dass Sicherheit und Cloud einander nicht ausschließen. Im Gegenteil. Der Linzer Anbieter ist im sicherheitssensiblen öffentlichen Bereich groß geworden und setzt für seine nicht ganz günstige Lösung zur Online-Zusammenarbeit auf höchste Sicherheitsstandards wie das Bearbeiten von Dokumenten ohne lokales Speichern oder die Anmeldung via Bürgerkarte, neuem Personalausweis, Swiss ID und anderen nationalen Authentifizierungslösungen. Dass Folio Cloud sicherer ist als der Mitbewerb, ist das eine. „Aber wenn die IT-Abteilung gar kein Werkzeug zur Online-Zusammenarbeit zur Verfügung stellt, kommt es zu einem Wildwuchs, dann greifen die Mitarbeiter darauf zurück, was sie von der privaten Nutzung kennen – etwa auf Dropbox oder Myspace“, sagt Egger, „und das ist aus Securitysicht der Albtraum schlechthin.“ Die Sturmfront.Mit der Cloud oder einfach IT als Service aus dem Internet steht die IT-Industrie nun vor oder in ihrer dritten Umbruchsphase nach Personal Computer und Internet. Den anstehenden Transformationsprozess werden auch diesmal nicht alle Anbieter überleben. Also egal wie die Kunden ihre IT in Zukunft ausrichten, bei der Produkt- und Partnersuche müssen sie Obacht walten lassen. Es will ja niemand schon nach einem Jahr ohne IT-Provider dastehen. Und speziell in der Anfangsphase einer Partnerschaft sollte man seinem IT-Provider genau auf die Finger schauen, sagt Gernot Zeman, Wienerberger: „Sonst kann aus der Wolke schnell ein Sumpf werden.“ Der IT-Chef des Ziegelherstellers bezieht seit längerem mit einem „Dynamic Services“-Modell von T-Systems seine SAP-Anwendungen.Auch auf welches IT-Modell man in Zukunft setzen will, sollte gut überlegt sein. Die hauseigene IT zu virtualisieren kann viel Sinn machen, auch wenn die Kosteneffekte nicht mit der Cloud vergleichbar sind. Genau so sinnvoll können erste probeweise Schritte in die Public Cloud sein, aber nur, wenn sie nicht primär von einer Geiz-ist-geil-Mentalität getragen werden. Und wer eine solide IT-Landschaft sein eigen nennt, der lehnt sich am besten einmal zurück und beobachtet bis zum Ende des Abschreibungszyklus die weitere Entwicklung. Denn schlussendlich, Innovation nur um der Innovation willen bringt nichts.