Plattformökonomie : Fill, Heller, Emco-Test: Die Transformers

Fill Kaak
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Es war ein Premierentag, wie ihn sich jeder wünscht: Volle Hallen, interessiertes Publikum und eine Innovation, die sich den Premierenrahmen verdient hat. Nicht irgendwo, sondern auf der Control, der Fachmesse für Qualitätssicherung in Stuttgart, stellte der Prüfmaschinenhersteller Emco-Test die jüngste Spielart der Härteprüfung vor: Software schaltet an der Maschine in dem Ausmaß Prüfmethoden frei, „wie es kundenseitig gewünscht ist“, erklärt Eric-Jan Kaak. Er ist seit Anfang 2018 CIO des Unternehmens in Kuchl und verhalf mit seinen Kollegen neuen Zusatzservices „ohne großen Projektplan“ (O-Ton Kaak) zu schnellen Marktstarts.

Updates ihrer Prüfsoftware bringen die Salzburger nicht mehr zyklisch, sondern kurzfristiger und mitunter als Minimum Viable Product heraus. Ein Bezahlmodell (Pay per Indent), bei dem nur der Härteprüfeindruck abgerechnet wird, existiert schon seit geraumer Zeit. Und im Frühjahr folgte nun der Launch von Pay per Method, ein Feature, das international angeboten wird. Im Händlernetz finden die neuen Abrechnungsmodelle Akzeptanz und das Feedback der Kunden sei positiv: „Unternehmen sind durchaus bereit, über neue Nutzungsformen, bei denen der Grundpreis einer Maschine um bis zu 50 Prozent niedriger liegt, nachzudenken“, sagt Kaak.

Wandel - in Etappen

Kompressorenhersteller, die nur noch die Druckluft selbst verrechnen und nicht mehr den Gerätepreis in Rechung stellen, Maschinenbauer, die Zerspanungs-Apps in der Cloud-Plattform feilbieten: Der Maschinenbau schreitet, getriggert durch die neuen digitalen Möglichkeiten, auf der Straße des Wandels. Mitunter aber nur halbherzig, wie Studien (siehe Kasten) in schöner Regelmäßigkeit einmahnen. Nur jedes zweite Unternehmen verorte Innovation organisatorisch, rüffelt eine aktuelle Studie. Das deckt sich kaum mit dem Bild, das Österreichs Maschinenbaupioniere zeigen. Mit hochattraktiven neuen Geschäftsmodellen preschen Unternehmen wie Emco-Test, Fill oder Heller vor. Ein Überblick.

Neue Kapzitäten, neues Geschäftsmodell

Zehn Millionen Euro lässt sich der Innviertler Maschinenbauer Fill seinen aktuellen Ausbau kosten. Errichten lässt Fill-Chef Andreas Fill ein 4.200 Quadratmeter großes Zentrum für Digitalisierung (Fill Future Zone) mit drei Hallen für zusätzliche Produktions- und F&E-Kapazitäten sowie einem neuen Bürogebäude. "Im Frühjahr nächsten Jahres fahren wir schrittweise die Produktion hoch", sagt Alois Wiesinger, Leiter Technik bei Fill. Ende April werde das neue Bürogebäude bezogen. In der Future Zone wird an neuen Technologien gearbeitet – generationenübergreifend. Dabei wird Platz für weitere 150 Arbeitsplätze geschaffen. Als Treffpunkt für internationale Projekte soll die 1.200-Einwohner-Gemeinde Gurten noch mehr Strahlkraft entwickeln - aktuell ist Fill in drei EU-Projekten mit Schwerpunkt Digitalisierung involviert.

Sonderrolle

Und die nutzen die Innviertler konsequent, um im Geschäft mit den Daten eine Vorreiterrolle einzunehmen. Und zwar dreistufig. In der Cloud wolle man Kunden über ein verteiltes SQL-Datenbankverwaltungssystem neue Services bieten. So etwa könnten die Innviertler für ihre Standardbearbeitungsmaschinen (Syncromill) einen Datenkatalog bereitstellen, aus dem Automobilkunden Services wählen. Zugleich aber wird Fill unter der Marke Cybernetics in den kommenden Monaten weitere Softwareprodukte launchen.

Das Sammeln von Daten wird über ein Edge-Tool erfolgen. Cybernetics Fog hingegen macht auf der MES-Ebene unter Nutzung der Datenbanken Elasticsearch und InfluxDB Maschinen- und Komponentenzustände transparent und "z. B. Stromkurven und Hydraulikdrücke, aber auch OEE-Werte für Produktionsleiter und Instandhalter vergleichbar", sagt Wiesinger. Ziel sei es, dass sich die Kunden selbst monitoren. Als Abrechnungsarten stehen folgende Modelle zur Diskussion: Auf der Edge-Seite einmalige Zahlungen pro Device, in der Fog pro Zahlungen pro Datenstrom oder Aktion, in der Cloud erfolgt die Abrechnung über Services.

Laut Fill würden Kunden auf die neuen Lösungen drängen. Die Automobilindustrie trachtet danach, die aufwändige zerstörende Prüfung mithilfe künstlicher Intelligenz - Stichwort Predictive Quality - auf ein Minimum zu reduzieren.

Betreibermodell

Wenn Roland Busch von Siemens über neue Geschäftsmodelle im Maschinenbau spricht, dann kommt der CTO aus München schnell auf die Gebr. Heller Maschinenfabrik in Nürtingen zu sprechen. „Die Maschinenbauer müssen wissen, was in der Maschine passiert“, erklärte Busch unlängst auf einer IoT-Konferenz in Berlin. Hintergrund: Die Werkzeugmaschinenbauer von Heller haben ein pay per use-Modell entwickelt. Das Produkt heißt „Heller 4 use“. Die Schwaben bieten für ausgewählte Maschinen ein Betreibermodell eben mit einer pay-per-use-Bezahlmethode für die Nutzlaufzeit der Maschinen an. Die IT-Infrastruktur dafür liefern die Kolleginnen und Kollegen von Roland Busch. Manchen Zuhörern im Auditorium konnte man die Überraschung an der Gesichtsmimik ablesen. „Das ist eine sehr, sehr große Veränderung im Markt“, so Busch.

Die Nutzlaufzeit wird auf sicherem Weg in der Maschinensteuerung erfasst und anschließend über Sinumerik Edge zu Mindsphere übertragen, wo die Nutzlaufzeit ausgewertet und Heller-intern über SAP abgerechnet wird, heißt es in Präsentationen. Bezahlt wird digital per SEPA-Lastschrifteinzug. Die Werkzeugmaschinenbauer gehören zu den Gründungsmitgliedern der Mindsphere World, die 2018 an den Start ging.

Sichere Anbindung

„Heller hat gemeinsam mit Siemens in den vergangenen zwei Jahren insbesondere an dieser Frage gearbeitet, um eine sichere Lösung für die Anbindung von Werkzeugmaschinen an das Internet darstellen zu können“, erklärte Bernd Zapf, Leiter Development New Business & Technology bei der Gebr. Heller Maschinenfabrik. „Hierzu werden wir unsere Maschinen ausschließlich über einen gesicherten Kommunikations-Computer ins Internet bringen, das heißt zwischen Maschinensteuerung und Kundennetzwerk wird für Verbindungen ins Internet der Industrie-PC Sinumerik Edge von Siemens dazwischengeschaltet.“

Sinumerik Edge übernimmt das Auslesen von Daten aus der Maschinensteuerung und speichert diese in einem Ringpuffer zwischen. Die Daten werden entweder weiter verarbeitet oder direkt für die Weiterleitung ins Internet vorbereitet, heißt es weiter. Und Busch und seine Kolleginnen und Kollegen entwickeln weiter. Siemens hat etwa die Edge Applikation Analyze MyWorkpiece /Capture, mit der die Aufzeichnung von Echtzeitdaten rund um die Werkstückbearbeitung möglich ist. Außerdem stellt Siemens mit Analyze MyMachine /Condition eine Edge Applikation im Bereich der Zustandsüberwachung von Werkzeugmaschinen vor.